Referent Josef Müller gab einen Einblick in seine dubiosen Finanzgeschäfte und seinen Zugang zu Gott. Foto: Adrian Brosch
Walldürn. (adb) Der Münchener Lebenskünstler und Buchautor Josef Müller kennt alle Höhen und Tiefen: Freiheit und Gefangenschaft, Armut und Reichtum, Freude und Angst, Freundschaft und Isolation. Im "Haus der offenen Tür" schilderte der selbst ernannte "ziemlich beste Schurke" am Samstag auf packende Weise seine Vita und ging unter dem Motto "Vom FBI gejagt - von Gott gefunden" auf seine Erlebnisse ein. Organisiert hatten den gut besuchten Abend die evangelische Freikirche "Come Alive" (FCG Buchen) und das private Missionswerk "Hope For The Nations" mit Pastor Claus Winkelmann.
Als Polizistensohn wuchs Josef Müller in kleinbürgerlichen Verhältnissen im oberbayrischen Fürstenfeldbruck auf. Seit einem Autounfall mit 17 Jahren ist Müller querschnittgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Davon ließ er sich nicht entmutigen: Der junge Josef erlernte den Beruf des Steuerberaters, gründete eine Kanzlei, einen Plattenladen und mehrere Handelsfirmen.
Doch auch sein gutes Image und seine christliche Erziehung verhinderten nicht, dass er Ende der 80er Jahre mitten in einen waschechten Wirtschaftskrimi rollte: "Ich habe mir auch mangels Erfahrung nichts dabei gedacht, zumal sich meine kriminalistische Ausbildung aus 20 Jahren ‚Tatort’ am Sonntagabend begrenzte", bemerkte er.
Für einen US-Amerikaner namens "Bruce" schaffte Müller 40 Millionen US-Dollar über den Großen Teich - dass es sich um zerknitterte Scheine handelte, störte ihn nicht: "Bei den Amis gilt die Devise, dass nur Bares auch Wahres ist", begründete Müller. Er selbst ging seinerzeit davon aus, Einnahmen aus dem Betrieb von Spielcasinos bei sich zu haben. "Aber ich habe vom ersten bis zum letzten Moment geschwitzt, weil in den USA schon Leute für weniger Geld ihr Leben lassen mussten", räumte er ein.
Das Geld sammelte sich auf Josef Müllers Konto an, was auch den Bankangestellten nicht verborgen blieb. "Auf einmal haben mir die Leute dreimal Kaffee angeboten", erklärte der Autor und erinnerte sich an Situationen, in denen der Spruch "haste was, biste was" volle Bedeutung zeigte. Trotz anderer Zeiten, in denen Panzerglas am Schalter wichtiger als freundlicher Kundendienst war, genoss der Junge aus Fürstenfeldbruck alle Aufmerksamkeit.
Und da er "schon immer ein Autofanatiker war", gönnte er sich einen Wagen nach dem anderen: Noble Briten, teure Sterne und rote italienische Flitzer gaben sich in seinen Garagen ein Stelldichein. "Heute schäme ich mich aber dafür", sagte Müller seinem Walldürner Publikum und erzählte die Anekdote seines roten Italieners, der so flach war, dass der Rollstuhl nicht hereinpasste und mit einem zweiten Wagen nachgeliefert werden musste. "Ich hatte mehr als zehn Autos, bis ich merkte, nur in einem sitzen zu können", berichtete Müller.
Doch gerade sein Reichtum und seine dekadente Art waren es, die ihm die Türen in feinste Kreise öffneten: Popstars, Industrielle, Politiker und Adlige gehörten zu seinen Freunden: "Ich war Josef Dampf in allen Gassen und konnte mir jeden Wunsch erfüllen, war aber in meinem Herzen unglücklich und bin auf die ersten 50 Jahre meines Lebens nicht stolz", resümierte er und erinnerte an dubiose Finanzgeschäfte mit den Geldern von Mandanten, zu denen ihn die Gier nach dem Nonplusultra trieb. Denn auch die 40 Millionen waren irgendwann aufgebraucht, und Josef Müller wollte seinen Lebensstandard halten. Aber Lebensstandard ist nicht gleich Lebensqualität: "Ich habe die Dummheit meines Lebens begangen", merkte er an.
Eines Tages stand das FBI in seiner Kanzlei und gab bekannt, dass "Bruce" einer der zehn meistgesuchten Verbrecher der Vereinigten Staaten sei - und das verlorene Geld stammte nicht aus Spielhallen, sondern aus Waffen- und Drogengeschäften. "Wenn ich nicht schon in meinem Rollstuhl gesessen wäre, hätte ich mich vor Angst hingesetzt", sagte er. Für "Bruce" klickten schließlich ausgerechnet vor einer Disco namens "Joseph" die Handschellen - und Josef Müller wurde zu 4,5 Jahren Haft verurteilt. Kein Grund zur Sorge: "Als ich in den Knast kam, war das nichts signifikant Neues für mich - ich hatte ja nach 30 im Rollstuhl verbrachten Jahren bereits Erfahrung im Sitzen."
Während der Haft fand Josef Müller den Zugang zu Gott und fand Antworten auf Fragen, die in seinen großen Zeiten unbeantwortet geblieben waren: "Gott hat jedem Menschen die Sehnsucht ins Herz gelegt", bekannte er und verglich die Verbindung zum Herrn mit der Leitung zum Internet. "Die Hardware findet mit dem Modem den Anschluss ins World Wide Web, der Mensch im Gebet zu Gott", schilderte der Bayer. Wenngleich er auf sein "erstes Leben" nicht mit Freuden zurückblicke, könne er es nicht verändern und müsse ehrlich sein: "Ehrlichkeit ist wichtig, auch vor Gott - und ich bin heute wieder zufrieden, weil ich wieder bodenständig bin", gab er gegen Ende seines unter die Haut gehenden Vortrags bekannt.