Heike und Marco Zahn stehen in ihrem leeren Lokal. Doch den Kochlöffel schwingen sie weiterhin: Seit dem ersten Lockdown bietet der „Engel“ einen Abholservice an. Foto: Adrian Brosch
Walldürn. (adb) Herzhafte Hausmannskost, freundschaftliche Bedienung und gemütlich-uriges Ambiente: Das alles zeichnet den Walldürner Landgasthof "Zum Engel" in der Unteren Vorstadtstraße aus. Normalerweise – denn in Corona-Zeiten gehen die Uhren anders: "2020 war absolut tot, und uns fehlt vor allem der Kontakt zu unseren Gästen", sagt Wirt Marco Zahn, der das Gasthaus, zu dem noch eine Pension gehört, seit 1998 gemeinsam mit Ehefrau Heike führt.
Der für 70 Personen ausgelegte "Engel" versteht sich als klassischer Familienbetrieb: Im Jahr 1963 pachteten Egon (1938–2009) und Inge Zahn das Gasthaus, das sie schließlich vier Jahre später erwarben. Vor allem bei Freunden gutbürgerlicher Mahlzeiten, aber auch Stammtischen und Wallfahrern erwarb sich das Haus seither einen erstklassigen Ruf.
Der Lockdown kam im vergangenen Jahr praktisch aus heiterem Himmel, wie Marco Zahn erläutert: "Montagabends hatten wir noch wie gewohnt geöffnet und bewirteten die Gäste, ehe über Nacht alles zum Erliegen kam", blickt er zurück. Was folgte, war ein Gemisch aus Trauer und Unsicherheit: "Die ersten 14 Tage dachte ich, dass eine Welt zusammenbricht – ich hatte sogar den Spaß an meinen Hobbys verloren", erinnert sich der gelernte Koch und Metzger, der neben seiner Familie vor allem für seinen Beruf und den "Engel" lebt. Seine Frau sieht das ähnlich: "Das Quälende war vor allem diese bohrende Ungewissheit."
Dazu kam ein spezifisches "Dürmer" Thema: die Wallfahrt zum heiligen Blut. Nachdem klar wurde, dass sie coronabedingt nicht im gewohnten Maß stattfinden könne, meldeten sich kaum mehr Pilger zur Übernachtung im "Engel" an. "Ganz vereinzelt bezogen sie zwar ihre Zimmer, doch bestimmten angesichts Corona Zurückhaltung und teilweise Angst das Bild", berichtet Marco Zahn. Das klassische Pensionsgeschäft etwa mit Handwerksmonteuren hingegen sei "bereits seit Jahren rückläufig". Die Pandemie habe auf diesen generellen Trend kaum einen Einfluss genommen.
Diese historische Aufnahme aus dem Archiv der Familie Zahn zeigt den Gasthof „Zum Engel“ und ein davor abgestelltes Pferdefuhrwerk in der Unteren Vorstadtstraße im Jahr 1971. Foto: Familie ZahnAls der "Engel" seine Pforten wieder öffnen durfte, zeichnete sich rasch der vielzitierte Silberstreif am Horizont ab. "Die Gäste übten sich weiterhin in Vorsicht, aber sie hielten dafür die Maskenpflicht und sämtliche zu berücksichtigende Hygieneregeln hundertprozentig genau ein", schildert Heike Zahn. Ebenso sei das Sommergeschäft "absolut ordentlich gelaufen". Allmählich habe man wieder an eine gute Zukunft geglaubt, bis der zweite Lockdown mit erneuter Schließung der Gastronomie verordnet wurde. "Ohne diese Geschichte, die angesichts funktionierender Hygienekonzepte und besonnener Gäste unverständlich und in dieser Härte vermeidbar war, wäre eine Rückkehr zur Normalität möglich gewesen", erklärt Marco Zahn.
Der "Engel"-Wirt fühlt seinen Berufsstand und sich selbst vor allem von politischer Seite im Stich gelassen. Besonders sauer ist dem Wirt dabei ein Vorkommnis aufgestoßen: "Ich habe einen durchaus hochrangigen Südwestpolitiker um Rat gefragt, der mir während einer Kutschfahrt auf dem Cannstatter Wasen ,jederzeit ein offenes Ohr‘ zu verstehen gegeben hatte. Der gute Mann hat noch nicht einmal auf mein Schreiben geantwortet." Zahn spricht von einer "ernüchternden" Begebenheit, die ihm den Eindruck vermittelt habe, als einfacher Bürger der Politik gleichgültig zu sein.
Auf das größte schwäbische Volksfest kam er übrigens mit seinem Pferdefuhrwerk, durch das der begeisterte Pferdeliebhaber Marco Zahn überregionale Bekanntheit erlangte. Auch hier machte sich die Pandemie bemerkbar. "Während sonst viele Gruppen vor allem aus Großstädten wie Heidelberg oder Würzburg zu uns kommen und nach einer Planwagenfahrt ein deftiges Vesper zu sich nehmen, lief hier im vergangenen Jahr überhaupt nichts", lässt er wissen.
Dennoch steckt Familie Zahn den Kopf nicht in den Sand und schwingt den Kochlöffel weiterhin. Seit dem ersten Lockdown wird zum Beispiel ein Abholservice angeboten: "Für Corona-Verhältnisse läuft er zwar nicht nur dank unserer Stammgäste, die mitunter ‚mal einfach nur so‘ anrufen, durchaus zufriedenstellend, aber es dürfte trotzdem mehr sein", berichtet Marco Zahn, der auf frische Zutaten und heimische Rohstoffe zurückgreift.
Einer guten Resonanz erfreute sich ebenso die anstelle des Schlachtfests in die Wege geleitete Abholaktion "Wutz to go" Anfang Februar. "Die Leute haben sich gefreut", schildert der Walldürner. Ein Lieferdienst sei jedoch aus organisatorischen Gründen nicht zu bewerkstelligen: "Als klassischer Familienbetrieb verfügen wir nicht über die nötige personelle Stärke", sagt Marco Zahn, der neben seiner Frau von den Kindern Emily und Nick sowie der als "guten Seele des Hauses" bezeichneten Mutter und Oma Inge Zahn unterstützt wird. Angesichts dieser familiären Atmosphäre fehle der gemütliche Plausch mit den Gästen umso mehr. Nicht nur deswegen hofft der "Engel"-Wirt auf die Rückkehr in den gewohnten Alltag und baldmöglichste Öffnungsmöglichkeiten für die Gastronomie.
> Kontakt: Landgasthof "Zum Engel", Untere Vorstadtstraße 6, Tel. 06282/274.
> Bestellungen: Öffnungszeiten 17 bis 21 Uhr; Bestellungen können telefonisch nahezu jederzeit durchgegeben werden. Abholtermine werden dann abgesprochen.
> Speisekarte: Auf Facebook unter "Landgasthof Engel Walldürn".
> Die Renner: Schnitzelvariationen, Cordon bleu, Hähnchen und Suppen.