Von Rüdiger Busch
Hardheim. Wenn Wände reden könnten, dann hätten die des Gasthauses "Badischer Hof" eine Fülle interessanter Geschichten zu erzählen - von prominenten Gästen wie Johann Wolfgang von Goethe, Reichspräsident Paul von Hindenburg, Fechtolympiasieger Alexander Pusch oder dem früheren DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, aber auch von Menschen wie du und ich. Ob das traditionsreiche Haus, dessen Geschichte bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht, aber auch eine Zukunft als Hort der Gastlichkeit hat, steht in den Sternen: Aus Altersgründen suchen die Wirtsleute Helmut (69 Jahre alt) und Marianne Walz (71) bereits seit einigen Jahren einen Käufer - bislang jedoch vergeblich.
In einem Alter, in dem die meisten Menschen den Ruhestand genießen, sind Marianne und Helmut Walz noch fast jeden Tag für ihre Gäste da. Solange es gesundheitlich geht, möchten sie ihr Gasthaus "Badischer Hof" weiterbetreiben. Foto: Rüdiger Busch
Wie schwer es heute ist, einen Nachfolger für eine gut eingeführte Gaststätte zu finden, hätte sich zu Goethes Zeiten, der 1815 im "Badischen Hof" Station machte, wohl niemand vorstellen können. Und auch noch vor 35 Jahren, als die Eheleute Walz die Immobilie erwarben, waren sie sich sicher, dass sie das Haus am Ende ihres Berufslebens problemlos wieder würden verkaufen können. Ein klassischer Fall von denkste!
Doch der Reihe nach: Der aus Sonderriet stammende Helmut Walz lernte den Beruf des Kochs im Hotel-Restaurant "Schwan" in Wertheim - wo sich übrigens auch TV-Koch Ralf Zacherl seine ersten Sporen verdiente. Eigentlich hatte Walz vor, später auf einem Schiff zu kochen und die Welt zu erkunden, doch die Liebe kam dazwischen: Während der Bundeswehrzeit lernte er nämlich über seinen Kameraden Roland Weimann aus Hardheim dessen Schwester Marianne kennen. 1970 funkte es, 1971 läuteten die Hochzeitsglocken.
Helmut Walz arbeitete inzwischen in der Küche des Hotels "Prinz Carl" in Buchen und legte 24-jährig - als einer der jüngsten Teilnehmer - im Dezember 1974 an der Hotelfachschule in Heidelberg die Meisterprüfung ab. Zu dieser Zeit hatte die Gemeinde Hardheim den "Badischen Hof" von den früheren Wirtsleuten Anton und Maria Haberhauer gekauft und war auf der Suche nach einem Pächter.
Dies sollte sich als glückliche Fügung erweisen, und zum 1. Februar 1975 übernahmen Helmut und Marianne Walz das Traditionshaus. Es folgten arbeitsreiche, aber erfüllende Jahre und Jahrzehnte: Während ihr Mann in der Küche regierte, kümmerte sich Marianne im Service um das Wohl der Gäste - eine Arbeitsteilung, die bis heute Bestand hat. Nachdem die ersten Jahre erfolgreich verlaufen waren, entschloss sich die Familie Walz 1983, den "Badischen Hof" von der Gemeinde zu erwerben.
"Es war die richtige Entscheidung", sagt Helmut Walz im Rückblick. "Wir hatten immer sehr treue Gäste", auch wenn Hardheim für einen Gastronomen kein einfaches Pflaster sei. So habe mancher Gast lieber den Hintereingang benutzt, damit über ihn nicht getratscht werde: "Bei dem bleibt heut a wieder die Küche kalt!" Die vielen netten Begegnungen und unvergessliche Erlebnisse mit zufriedenen Kunden hätten solche Erfahrungen aber mehr als wettgemacht.
Wenn Helmut und Marianne Walz über die 43 Jahre als Wirtsleute erzählen, dann bekommt der Zuhörer zugleich eine unterhaltsame Abhandlung der jüngeren Ortsgeschichte mitgeliefert. Denn egal ob Soldaten aus der damaligen US-Kaserne, ein Bautrupp aus dem Erfapark oder Politiker bei einem Vor-Ort-Termin in Hardheim: Sie alle kehrten im "Badischen" ein - und lieferten Stoff für so manche Anekdote. "Es gibt nichts, was wir nicht erlebt haben", sagt Marianne Walz schmunzelnd.
Mit den Jahren ist es in ihrem 100 Sitzplätze bietenden Gasthaus jedoch etwas ruhiger geworden: "Es wird nicht mehr so oft ausgegangen", weiß die Wirtin, und ihr Mann ergänzt: "Es gibt immer weniger Stammtische." Ihre Gäste sind mit ihnen älter geworden, und neue kommen nur zögerlich nach. Das Mittagsgeschäft habe ebenfalls nachgelassen: Die Konkurrenz durch Imbisse und heiße Theken sei deutlich spürbar. Und während früher das Glas Wein oder Bier zum Mittagessen dazugehörte, verzichteten heute die meisten Mittagsgäste auf ein alkoholisches Getränk.
"Bei der jüngeren Generation wird zuhause immer weniger gekocht", ist sich Marianne Walz sicher, "aber in die Wirtschaft gehen sie auch nicht." Lieferdienste stoßen in die Lücke, nicht mehr nur in den Städten, sondern seit langem auch auf dem Land. Das alles sind gesellschaftliche Entwicklungen, die den Gastronomen im Vergleich zu früher überall das Leben schwerer machen. Hinzu kommen bürokratische Auflagen wie die aufwändige Dokumentationspflicht.
Den Spaß an ihrem Traumberuf kann ihnen das alles aber nicht nehmen. "Wir würden es immer wieder so machen", erklärt Helmut Walz. Mit der richtigen Partnerin an der Seite und der nötigen Liebe zum Beruf könne man auch mit den Nachteilen, wie etwa den gewöhnungsbedürftigen Arbeitszeiten in der Gastronomie, gut zurechtkommen.
"Kochen ist für mich Genuss, und es tut mir gut", sagt Helmut Walz, der am liebsten Wildgerichte und seine weithin bekannte Ochsenbrust mit Meerrettich zubereitet. Und auch seine Frau ist davon überzeugt, dass die Arbeit in der Gastronomie sie jung halte. Doch beide sind jetzt in einem Alter, in dem andere schon fünf oder mehr Jahre den Ruhestand genießen. Da schon lange klar ist, dass ihre Kinder Alexandra und Thomas kein Interesse daran haben, den Betrieb weiterzuführen, steht der "Badische Hof" schon seit einigen Jahren zum Verkauf. Zwar hätten sich schon einige Interessenten gemeldet - doch letztlich habe sich bislang alles zerschlagen.
"Wir machen weiter, solange es geht", erklärt Marianne Walz. Und vielleicht findet sich dann ja doch noch ein Nachfolger, der der langen Geschichte des "Badischen Hofs" weitere Kapitel hinzufügen wird.
Info: Die RNZ beleuchtet in einer Artikelserie verschiedene Aspekte rund um die Gastronomie. Anregungen sind erwünscht: Tel. 06281/5240-50, E-Mail: red-buchen@rnz.de.