Seckach. (joc) Corona macht auch der Gemeinde Seckach schwer zu schaffen. Trotz der Pandemie und ihrer Folgen schaute Bürgermeister Thomas Ludwig optimistisch in die Zukunft, denn Seckach sei insgesamt gut aufgestellt. In manchen Bereichen wünschte sich der Bürgermeister aber eine bessere Unterstützung durch Land und Bund.
Herr Ludwig, aktuell hat uns Corona fest im Griff. Wie weit hat die Pandemie das Leben in Seckach verändert?
Seckachs Bürgermeister Thomas Ludwig kann am Sonntag seinen 55. Geburtstag feiern. Fotos: Joachim CaselDie Einschnitte waren und sind gravierend. Was am meisten fehlt, sind natürlich die öffentlichen Festveranstaltungen; u.a. musste das Klingefest ausfallen und die Feuerwehrjubiläen in Großeicholzheim und Zimmern verschoben werden. Daneben schmerzt uns ganz besonders, dass mit dem Hallenbad unser größter Besuchermagnet seit Mitte März geschlossen ist.
... und wie schätzen Sie die finanziellen Folgen der Pandemie kurz-, und langfristig für die Gemeinde ein?
In 2020 werden wir noch mit einem blauen Auge davonkommen, weil 2019 haushaltstechnisch gut verlaufen ist. Für die künftigen Jahre kann man das aber nicht sagen.
In Seckach hat man Erfahrungen mit kreativen Lösungen, in Zeiten, wenn der Geldbeutel nicht so prall gefüllt ist. So hat man zahlreiche ehrenamtliche Dienste ins Leben gerufen, die Vorbildcharakter für viele andere Städte und Gemeinden haben. Würden Sie uns das System der Dienste erklären?
Wir haben 2007 einen Lokale-Agenda-21-Prozess eingeleitet. Im Rahmen des damals vom Umweltministerium aufgelegten Modellprogramms "Nachhaltige Kommunalentwicklung" konnten sich Verwaltung und Bevölkerung die erforderliche Methodenkompetenz für derartige Beteiligungsprozesse aneignen. Dieses Know-how brachten wir in der Zwischenzeit schon vielfach zur Anwendung. Die bekanntesten Resultate sind der ehrenamtliche Fahrdienst, der Verein Zeitbankplus, der Unterarbeitskreis "Mobil mit Bus und Bahn" sowie der Arbeitskreis "Flüchtlingsbegleitung".
Das Hallenbad ist eine Freiwilligkeitsleistung. Einerseits muss die Gemeinde für die Unterhaltung viel Geld in die Hand nehmen – andererseits lieben die Bürger ihr Bad. Kann sich Seckach diese Investition auf Dauer leisten?
Mit diesem Problem sind wir in Seckach ja nicht alleine. Vielmehr ist landauf, landab festzustellen, dass gerade kleine Kommunen, die nicht die Möglichkeit haben, die Verluste ihrer Bäder mit den anderweitigen Gewinnen ihrer Stadtwerke zu verrechnen, zusehends in die Bredouille geraten. Gleichzeitig fällt an den Schulen im Land immer mehr Schwimmunterricht aus und der "nasse Tod" ist auf erschreckende Art und Weise wieder auf dem Vormarsch. Spätestens in diesem Kontext kann der Betrieb eines kleinen Hallenbades ohne viel Schnickschnack nicht mehr als "Freiwilligkeitsleistung" bezeichnet werden. Vielmehr ist der gesamtgesellschaftliche Nutzen ganz enorm, was sich aber nicht in Euro und Cent im Haushalt niederschlägt. Deshalb wird es auf Dauer ohne regelmäßige Betriebskostenzuschüsse des Landes sicherlich eng werden.
Ein Dauerbrenner in Seckach ist das leer stehende Bahnhofsgebäude mitten im Ort. Welche Nutzungsmöglichkeiten sind hier denkbar?
Die Bahnstation Seckach ist ein regionaler Bahnknotenpunkt. Deshalb lautete die ursprüngliche Idee, "Nutzungsmöglichkeiten für die Reisenden", also einen Wartesaal und Toiletten, zu schaffen. Hierfür bräuchte man aber nur einen Bruchteil der sich auf vier Ebenen befindenden weit über 1000 qm Nutzfläche. Weitere Ideen lassen sich z.B. mit den Begriffen "der Genussbahnhof" oder "der Gesundheitsbahnhof" umschreiben, aber auch die Schaffung von Wohnraum wäre denkbar. Die schiere Größe des Objekts und die Tatsache, dass eine Revitalisierung nur "ganz oder gar nicht" möglich ist, bleibt jedenfalls die eigentliche Herausforderung.
In Seckach sind Bauplätze in den letzten Jahren immer ein Thema. Wann kann im neuen Baugebiet im Kernort das erste neue Haus errichtet werden?
Der Ortsteil Seckach hat in den letzten 25 Jahren stark von der Stadtsanierung profitiert, denn dadurch konnten in der Ortsmitte viele alte Häuser auf Vordermann gebracht und neuer Wohnraum geschaffen werden (z.B. im Lamm-Areal). Doch diese Potentiale sind ausgeschöpft und deshalb brauchen wir jetzt dringend das Baugebiet "Steinigäcker-Gänsberg II". Wir sind zuversichtlich, den Bebauungsplan noch in diesem Jahr als Satzung beschließen zu können. Und sollte dann auch beim Grunderwerb und bei der Ausschreibung der Erschließung alles rund laufen, wäre 2022 ein realistischer Zeitpunkt für die ersten Neubauten.
Der Bahnhof ist der Dreh- und Angelpunkt für Pendler und Reisewillige in Seckach. Fotos: Joachim CaselIn Seckach hat man den Lebensmittelmarkt, der kurz vor der Schließung stand, erhalten können. Das war zweifelsohne sehr wichtig für die Menschen, die hier wohnen ...
Wie unverzichtbar eine funktionierende Nahversorgung ist, merken die Menschen oftmals erst dann, wenn diese wegbricht oder wegzubrechen droht. So war es 2018 auch in Seckach, als der frühere Betreiber seinen Lebensmittelmarkt in der Seckacher Ortsmitte aufgab. Alleine die 90-tägige Vakanz, die hierdurch entstand, hatte eine heilsame Wirkung, wobei es als absoluter Glücksfall angesehen werden kann, dass mit Familie Hovemann sofort ein Nachfolger gefunden werden konnte. Hoffen wir also, dass diese Erfahrung den Bürgerinnen und Bürgern künftig erspart bleibt – wir alle haben es selbst in der Hand!
Wie ist der Stand beim dringlich ersehnten Kindergartenneubau?
Unbefriedigend. Da wird die Kinderbetreuung den Kommunen einerseits als kostspielige Pflichtaufgabe auferlegt und den Eltern gleichzeitig ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr eingeräumt. Andererseits sind Bund und Land aber nicht bereit, den Kommunen bei notwendigen Investitionen zur Erfüllung dieser Aufgabe spürbar unter die Arme zu greifen. 746.000 Euro Fachförderung bei über elf Millionen Euro Baukosten sind ein schlechter Witz. Wir werden daher unsere Forderungen und unseren Unmut gegenüber der Politik weiter artikulieren, uns aber gleichzeitig nach Ersatzlösungen umschauen müssen.
Anhand dieses Beispiels folgende Frage: Fühlen Sie sich als Flächengemeinde gut genug unterstützt von Bund und Land? Oder wo sehen Sie hier noch deutlichen Nachholbedarf?
Was die Fläche angeht, wird ja im Kommunalen Finanzausgleich in Baden-Württemberg ab dem kommenden Jahr eine entsprechende Komponente eingeführt, womit der richtige Weg eingeschlagen ist. Unser Hauptproblem besteht darin, dass die Förderquoten in den letzten Jahren regelrecht verfallen sind. D.h., wo wir früher noch mit 60 bis 80 Prozent Förderung rechnen konnten, gibt es heute vielleicht noch 15 bis 25 Prozent.
Stichwort Kultur: Seckach hat über die Grenzen der Region hinaus auch Bekanntheit durch das Großeicholzheimer Museum erlangt, das im ehemaligen Wasserschloss seinen Sitz hat ...
Das in den Jahren 2006 bis 2008 realisierte "Bürgerprojekt Wasserschloss Großeicholzheim" dürfte bis heute im weiten Umland das größte durch bürgerschaftliches Engagement zustande gekommene Bauvorhaben sein. Über 14.000 freiwillig auf dem Bau geleistete Arbeitsstunden in 30 Monaten – das muss den Großeicholzheimern erst mal einer nachmachen. Auf diese Art und Weise konnte das Wasserschloss-Areal auf Vordermann gebracht werden und mit dem Museum sowie der Tenne wurden wahre Besuchermagneten geschaffen.
Das Bahnhofsgebäude selbst ist ebenso wie das moderne Rathaus (rechts oben) ein prägendes Gebäude des Kernorts. Fotos: Joachim Casel... und mit Armand Warin lebt ein bekannter Maler in Seckach
… dessen farbenfrohe Kunstwerke immer wieder für Aufsehen sorgen. Die Ausstellung, welche der Verein "Großeicholzheim und seine Geschichte" im März in der Tenne organisiert hatte, stieß in der Öffentlichkeit auf großes Interesse.
Kommen wir zu den Ortsteilen: Wie gut sind Großeicholzheim und Zimmern aufgestellt?
Das Erfolgsgeheimnis der mittlerweile fast 50 Jahre bestehenden Gemeinde Seckach besteht darin, dass alle drei Ortsteile stets bedarfsgerecht weiterentwickelt wurden. Hierdurch werden Eifersüchteleien vermieden, und es kommt erst gar kein Neid auf. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Großeicholzheim und Zimmern zeichnen sich insbesondere durch eine Vielzahl an öffentlichen Einrichtungen aus, so z.B. die Schlossgartenhalle und das Dorfgemeinschaftshaus oder die Tenne und der Dorftreff am Lindenbaum. Zimmern erhält zurzeit ja eine neue Aussegnungshalle und in Großeicholzheim wertet die Dorfgemeinschaft gerade das ehemalige Milchhäusle als zentralen Begegnungs-. und Informationsort auf.
Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang das Kinder- und Jugenddorf Klinge ...
"Die Klinge" ist ein Alleinstellungsmerkmal, das Seckach von allen Kommunen in der Region abhebt. Dort wird nicht nur seit sieben Jahrzehnten eine hervorragende pädagogische Arbeit zum Wohle besonders förderbedürftiger Kinder und Jugendlicher erbracht, sondern sie ist auch unser größter Arbeitgeber.
Was sind die größten Herausforderungen für Seckach?
… dass wir weiterhin eins können, "nämlich mit dem Einkommen auskommen". In der Sache wird es darum gehen, die geschaffene umfangreiche Infrastruktur zu erhalten und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Hierbei werden die Pflichtaufgaben im Mittelpunkt stehen müssen. Außerdem wollen wir vielfältigen bürgerschaftlichen Einsatz weiter fördern.