Von Joachim Casel
Osterburken. Über ihre reiche Geschichte und die aktuelle Entwicklung der Römerstadt sprach die RNZ mit Osterburkens Bürgermeister Jürgen Galm:
Herr Galm, Osterburken hat eine reiche römische Vergangenheit. Inwieweit prägen die Lage am Obergermanisch-Rätischen Limes und die damit einhergehenden archäologischen Funde aus römischer Zeit das aktuelle Leben Osterburkens?
Nach wie vor sehr maßgeblich, schließlich hat sich die Kernstadt schon immer ganz stark über ihre römische Geschichte definiert. Und der Limes mit dem Kastell sowie Museum ist ein Alleinstellungsmerkmal weit über den Neckar-Odenwald-Kreis hinaus. Die Erhebung des Obergermanisch-Rätischen Limes zum Unesco-Weltkulturerbe hat dem römischen Osterburken noch mal einen gewaltigen Schub gegeben.
Möchten Sie die römischen Wurzeln der Stadt noch mehr vermarkten?
Durch den Neubau des Römermuseums, dem Nachbau des römischen Wachtturmes auf der Höhe des Förstleins und der Aufwertung des Kastellgeländes zu einer innerstädtischen Parkanlage sind wesentliche Schritte gemacht – Osterburken ist ein Schwerpunkt der Vermittlung am Welterbe. In normalen Jahren nehmen 200 bis 300 Schulklassen bis zu 120 km Bahnfahrt in Kauf, um sich hier über die Römer und den Limes zu informieren. Das abwechslungsreiche Angebot ist aber nicht nur für Schulklassen attraktiv, sondern wird gerne auch von Touristen und Familien genutzt. Hier spielt natürlich auch die Verkehrsanbindung mit Bahn und Autobahn eine große Rolle.
Machen wir einen großen Zeitsprung und kommen zur Gegenwart. Corona hat das gesellschaftliche Leben schlagartig lahmgelegt. Die gravierendsten Folgen der Pandemie ...?
Nun Osterburken ist nicht nur Römerstadt, sondern auch Schulstadt. Und dass von heute auf morgen keine Schule mehr ist, das war doch ein gewaltiger Einschnitt. Ebenso natürlich die mit Ausnahme der Notbetreuung genauso kurzfristig weggefallene Kinderbetreuung, zumal wir diese in den letzten Jahren stark ausgebaut haben. – Zweitens sind da natürlich die im Moment noch nicht absehbaren finanziellen Auswirkungen. Und was in Geld nicht zu bewerten, aber einen ganz großen Verlust darstellt, ist der Wegfall nahezu aller gesellschaftlicher, sozialer, kirchlicher, kultureller sowie von den Vereinen geprägten Veranstaltungen und Aktivitäten. Das reicht von den größeren Veranstaltungen wie Brückenfest, Kilianimarkt und Borkemer Herbst bis hin zum Trainings- oder Probeabend im Verein.
Stichwort Finanzen: Wie groß ist das Loch im Osterburkener Haushaltssäckel wegen Corona ?
Die Einnahmeausfälle dürften sich auf rund eine Million Euro und die Mehraufwendungen auf etwa 100.000 Euro belaufen. Das ist im laufenden Jahr, sollten alle zugesagten Unterstützungen eingehen, noch kein großes Problem. Sorgen bereitet da eher die Ungewissheit wie sich alles auf die Steuerkraft und Finanzzuweisungen der nächsten Jahre auswirken wird.
Wie wichtig ist der Industriepark RIO in Osterburken für die Stadt selbst und die gesamte Region?
Wichtiger als es die einzelnen Anteile der Mitgliedskommunen, die bei der Gründung vor 37 Jahren festgelegt wurden, ausdrücken können. Ziel war es damals in unserem strukturschwachen Raum die Kräfte zu bündeln und vor allen Dingen Arbeitsplätze zu schaffen. Ich weiß zwar nicht wie hoch die Zielsetzungen der Gründervater damals tatsächlich waren, doch sie sollten sich zumindest zum Teil erfüllt haben. Immerhin haben wir dort rund 750 Arbeitsplätze. Zusammengenommen ist das so viel wie die Zahl der Belegschaft beim größten Arbeitgeber der Stadt, bei AZO in Osterburken.
Die Nachfrage von Firmen ist hier weiter da. Gibt es aktuell Überlegungen bzw. vielleicht schon Weichenstellungen für einen weitere RIO-Erschließung?
Selbstverständlich, aber um die formellen Voraussetzungen zu schaffen, bedarf es Zeit. Nachdem die Grundstücksverkäufe sich in der Vergangenheit eher zurückhaltend entwickelt hatten, sind wir infolge des allgemeinen Baubooms schneller als erwartet an die Kapazitätsgrenzen gekommen. Wir haben im Verband bereits die grundsätzliche Entscheidung getroffen in welche Richtung sich das Gewerbegebiet entwickeln soll, haben erste Überlegungen angestellt und auch die Eigentümer der potenziellen Flächen grundlegend informiert.
Die Belebung der leerer werdenden Innenstadt mit neuen Geschäften ist fast allerorts ein Thema. Wie geht man in Osterburken damit um?
Wir tun uns da zugegebenermaßen, wie die jüngsten Geschäftsschließungen zeigen, sehr, sehr schwer. Leider gibt es keine Patentrezepte, wie man dem begegnen kann. Ich denke, da kommen mehrere Faktoren zusammen. Zum einen gibt es für die Geschäfte keine familiäre Nachfolge. Dann haben wir einen unaufhaltsamen gesellschaftlichen Wandel im Einkaufsverhalten. Die jüngere Generation geht so gut wie nicht mehr in Einzelhandelsgeschäfte. Und diejenigen, die das noch anders machen, die werden leider immer weniger. Erst wenn die Geschäfte verschwunden sind, kommt das Erwachen und Beklagen. Da ist es insgesamt nicht verwunderlich, wenn sich kaum noch jemand findet, der unter so schwierigen Bedingungen ein Unternehmerrisiko eingeht. Insofern war die Entscheidung des Gemeinderates dem Bebauungsplan "Fachmarktzentrum" zuzustimmen folgerichtig.
Die Attraktivität der Römerstadt soll durch den jetzt errichteten innenstadtnahen Bürgerpark erhöht werden. Was versprechen Sie sich konkret davon?
Die Steigerung der Attraktivität war nicht der alleinige Auslöser für den Bürgerpark. Diesbezüglich sind der Marktplatz und der Stadtgarten nach wie vor ebenfalls wünschenswerte Projekte. Beim Bürgerpark kamen wir im Zuge verschiedener Überlegungen letztlich auf den Gedanken, ihn als weitere innerörtliche Grün- und Erholungsfläche zu entwickeln. Darin einbezogen ist die Erhaltung und bessere Sichtbarmachung von Denkmälern. Neben Blumenflächen und Blühwiesen sind Pflanzbeete und eine kleine Streuobstwiese angelegt.
Dort sind die Arbeiten ja so weit fertiggestellt. Aber es stehen ja noch zwei millionenschwere Großprojekte an, wie das Feuerwehrgerätehaus ...
Tja, ein Projekt, das uns angesichts der Kostenentwicklung und der dieser Pflichtaufgabe nicht gerecht werdenden Förderung durchaus Sorgen bereitet. Gleichwohl müssen wir das jetzt angehen. Das alte Gerätehaus ist mittlerweile über 50 Jahre alt und an seinem Standort weder vernünftig erweiterbar noch sanierbar. Dazu kommt, dass sich die Anforderungen und Standards gewaltig verändert haben.
... zum Glück für den Haushalt der Stadt ist der Neubau des GTO primär Sache des Neckar-Odenwald-Kreises, in dessen Trägerschaft die Schule ist. Das Gymnasium ist aber zweifelsohne unverzichtbarer Bestandteil der Schulstadt Osterburken ...
Selbstverständlich! So bin ich sehr froh, dass der Gemeinderat dieser Bedeutung Rechnung getragen und die Entscheidung des Kreistages für diesen Neubau leichter gemacht hat, indem wir künftig zu den Gesamtaufwendungen des Kreises einen jährlichen Beitrag leisten und für den Bau eine Teilfläche kostenlos überlassen. In der Summe ist das letztlich über die Jahre gerechnet immerhin ein Beitrag von rund 5 Millionen Euro.
Mit der Post und dem Bahnhofsgebäude hat man in Osterburken noch zwei größere Anwesen. Muss man hier einen sehr langen Atem haben?
In der Tat und das war auch allen Beteiligten von Anfang an bewusst. Somit war jedem klar, dass wir da nicht so einfach loslegen können. Schon alleine vor dem Hintergrund der schon zum damaligen Zeitpunkt auf rund sechs Millionen Euro geschätzten Sanierungskosten. Insofern war immer ein Zeithorizont von mindestens 10 Jahren im Gespräch. Was die DB über Jahrzehnte hat schleifen lassen, kann die Stadt nicht in drei oder vier Jahren richten. Aber ich bleibe dennoch durchaus optimistisch, dass wir dieses Projekt mittelfristig angehen können.
Für das Postgebäude und das nachbarschaftliche, ebenfalls von der Stadt erworbene Areal der Opfermann-Stiftung gilt Ähnliches. Auch hier gibt es noch keine konkreten Pläne, sondern dem Kauf des Areals liegen mittel- bis langfristige Überlegungen zugrunde.
Kommen wir zu den Stadtteilen: Welche größeren Baumaßnahmen wollen der Gemeinderat und Sie in nächster Zeit dort verwirklichen?
In Schlierstadt wird uns neben den Projekten im laufenden Flurbereinigungsverfahren die Sanierung der Ortsdurchfahrt erheblich fordern.
In Bofsheim sanieren wir aktuell die Astrid-Lindgren-Schule. Diese Sanierung gilt es abzuschließen. Und dann haben wir noch die Dorfentwicklungsmaßnahme rund um das Krone-Areal.
Und in Hemsbach stehen in Fortsetzung der Entwicklung um die beiden Brunnen und den Familienplatz eher etwas kleinere Projekte meist mit viel Eigenleistung der Dorfgemeinschaft an. Fast hätte ich es vergessen: Das Feuerwehrgerätehaus bekommt natürlich ein neues Dach.