Seckach. (joc/ahn) Der Transversale droht das endgültige Aus. Die Rhein-Neckar-Zeitung beleuchtet nun die Situation in den einzelnen Gemeinden und Ortschaften. Heute Bürgermeister Thomas Ludwig für die Gemeinde Seckach:
Herr Ludwig, wie bewerten Sie das drohende Aus für die Transversale aus Sicht der Bürger?
Diese Entwicklung kann von der Gemeinde Seckach nur mit Empörung und Enttäuschung aufgenommen werden, weil sie den berechtigten Belangen der Bevölkerung nicht gerecht wird. Insbesondere muss bedacht werden, dass die Verkehrszunahme in den Ortsdurchfahrten von Zimmern, Seckach und Bödigheim erst durch die Eröffnung des Eckenbergtunnels im Mai 2017 ausgelöst wurde. Es fand also eine bewusste Lenkung statt. Solange der Bau der Transversale in Aussicht stand, war hiergegen nichts einzuwenden, weil es sich nur um einen vorübergehenden Zustand handeln sollte.
Deshalb hat die Gemeinde Seckach auch immer die "BIM" (= Bauländer Initiative für Menschen) unterstützt, welche sich bekanntlich mit Meinolf Stendebach und Werner Sabelhaus an der Spitze für den Bau der Umgehungen von Osterburken und Adelsheim einsetzte. Der bereits verstorbene frühere Ortsvorsteher von Zimmern, Werner Kolbenschlag, war dort Vorstandsmitglied; wenn er das noch erleben müsste …
Wie sehen Sie die aktuelle Verkehrssituation bei Ihnen vor Ort?
Das Verkehrsaufkommen hat deutlich zugenommen. Vor allem der Schwerlastverkehr stellt zu allen Tages- und Nachtzeiten eine große Belastung dar. Hierdurch sind zum Ersten die direkten Anwohner deutlich in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Es liegen uns zahlreiche Beschwerden vor, die vor allem die frühe(ste)n Morgenstunden betreffen, in denen man kein Auge mehr zu machen kann. Auf Dauer macht die Leute das krank. Das Thema "Lärmschutz" ist heute ja zu Recht in aller Munde. Zum Zweiten haben wir in Seckach ein hohes Fußgängeraufkommen, denn in der Ortsmitte befinden sich viele Geschäfte und Dienstleister, die rege frequentiert werden. Neben dem Einzelhandel sind das Arztpraxen und weitere Gesundheitsangebote, aber auch an den Kindergärten mit rund 90 Kindern sowie die Fußwegstrecken zur Bahnstation und die Schulwege zur Seckachtalschule. Die Gefährdungen für die nicht motorisierten (und damit schwächeren) Verkehrsteilnehmer jeden Alters sind also offensichtlich.
Sind die vom Landrat angeführten Gründe für das Aus der Transversale plausibel?
Wer nicht unmittelbar betroffen ist, kann schon zu dem Ergebnis kommen, dass die Argumente stichhaltig sind. Hierzu zählen vor allem die davon galoppierenden Kosten, zumal der Landkreis mit den Kliniken und dem Neubau des GTO in Osterburken schon zwei andere finanzielle "Großbaustellen" hat. Auf der anderen Seite haben aber auch grobe Versäumnisse der zuständigen Stellen maßgeblich zu diesem Ergebnis beigetragen. Insbesondere die Verfahrensdauer des Planfeststellungsverfahrens ist absolut inakzeptabel. Elf Jahre sind einfach viel zu lange; kein Wunder, dass in Deutschland nichts mehr vorangeht. Das Verfahren wurde vom Regierungspräsidium stiefmütterlich behandelt. Unzählige Sachbearbeiterwechsel brachten Kompetenzverluste, und es musste immer wieder von vorne begonnen werden.
Wären die Nachteile und eventuellen Risiken letztendlich aber vielleicht doch höher gewesen, als die mit dem Neubau verbundenen Vorteile.
Das Risiko wäre in allererster Linie rechtlicher Natur gewesen, weil der Planfeststellungsbeschluss sicherlich beklagt worden wäre und dies mit ungewissem Ausgang. Außerdem könnte natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Bauausführung im Bereich des Eckenbergs noch mehr geologische Probleme entstehen, die weitere Mehrkosten bedeuten würden. Am meisten stört mich aber, dass heutzutage alle möglichen Schutzgüter Berücksichtigung finden; nur das Schutzgut "Mensch" bleibt auf der Strecke.
Als 1983 in Adelsheim der Bürgerentscheid zuungunsten der Umgehung Adelsheim ausfiel, war das der Erfolg einer Allianz aus Landwirten, Umweltschützern und Einzelhändlern! Erst viel später setzte sich die bis heute gültige Erkenntnis durch, dass die Lebensqualität der Menschen vor allem dadurch verbessert wird, dass man den Durchgangsverkehr aus den Ortsmitten heraushält. Wer wollte in Buchen, Walldürn oder Osterburken heute noch den ortsfremden Verkehr durch die Innenstädte haben? Nicht einmal mehr die Einzelhändler, deren Probleme heute ganz woanders sitzen.
Ihr Fazit?
Erstens: Die Transversale sollte gebaut werden, um dem Raum Buchen/Walldürn unter Einbeziehung der Ortsumfahrung Osterburken/Adelsheim eine ortsdurchfahrtsfreie Anbindung an die Autobahn A81 (Ausfahrt Osterburken) zu gewährleisten. Außerdem wäre dieser Neubau mit allen Vor- und Nachteilen auch für das Verkehrsaufkommen in und aus Richtung B47 im Raum Miltenberg, Aschaffenburg, Rhein-Main eine interessante Alternative.
Zweitens: Doch auch ohne die Transversale haben sich die Verkehrsströme im Bauland durch die im Mai 2017 stattgefundene Eröffnung des Eckenbergtunnels bei Adelsheim bereits entscheidend verlagert. Wurde vorher für die soeben genannten Verkehre überwiegend die Strecke über Osterburken und Bofsheim nach Buchen und zurück genutzt, so hat sich der Verkehr seit diesem Zeitpunkt zum allergrößten Teil auf die L519, von Adelsheim Nord, über Zimmern, Seckach, Bödigheim und Buchen, verlagert. Dass nun gerade Lkws diese Variante bevorzugen, liegt auf der Hand, denn sie weist die deutlich günstigere Topografie auf.
Drittens: Die im letzten Abschnitt genannte Mehrbelastung mit allen negativen Folgen für die Verkehrssicherheit der Fußgänger und Radfahrer jeden Alters, aber auch für die Lebensqualität der Anwohner, hat unsere Bürgerschaft bisher bereitwillig getragen, weil sie davon ausgehen konnte, dass auch Zimmern, Seckach und Bödigheim am Tag "x" durch die Transversale jene Entlastung erfahren werden, die Osterburken schon hat und Adelsheim mit der Fertigstellung des letzten Teilstücks der dortigen Umgehung in Richtung Oberschefflenz (B292) bis in weniger als zwei Jahren bekommen wird. Mit dem jetzigen Aus für die Transversale ist also kein einziges der vorstehend aufgezählten Probleme gelöst. Vielmehr findet die durch die Eröffnung des Eckenbergtunnels ganz bewusst ausgelöste Verkehrslenkung nun dauerhaft auf dem Rücken der Einwohner von Zimmern, Seckach und Bödigheim statt.
Gibt es für Sie eine gängige Alternative zur Transversale, einen Weg, wie man die Belastungen für die Bürger Ihrer Ortschaften reduzieren kann?
Genau deshalb brauchen wir jetzt von den zuständigen Stellen bereitwillige Unterstützung bei der Suche nach anderen Entlastungsmaßnahmen, die die verloren gegangene Lebensqualität und Verkehrssicherheit zumindest teilweise wieder herstellen. Die Frage, wie dieser Schutz aussehen könnte, muss zunächst vor allem von jenen Stellen beantwortet werden, die den Bau der Umgehung Osterburken/Adelsheim und das Aus für die Transversale zu verantworten haben, denn dieser Mehrverkehr wurde erst durch die Eröffnung des Eckenbergtunnels in das Seckachtal gelenkt. Im Endeffekt werden wir für unsere Ortsdurchfahrten die bekannten Maßnahmen fordern, also Geschwindigkeitsreduzierungen sowie dauerhafte und punktuelle Geschwindigkeitskontrollen. Wer darüber hinaus noch weitere gute Ideen hat, darf diese gerne kundtun.