Landwirte fühlen sich durch Auflagen unter Druck gesetzt und spielen mit dem Gedanken, ihren Betrieb aufzugeben. Symbolfoto: dpa
Von Tanja Radan
Neckar-Odenwald-Kreis. In einem offenen Brief an Umweltministerin Svenja Schulze wehrt sich Albert Gramling, der Vorsitzende des Bauernverbands Neckar-Odenwald-Kreis, gegen den Bericht zur Lage der Natur, den die Ministerin in Berlin vorstellte. Artenreiche Wiesen und Weiden verschwinden und an ihre Stelle treten riesige und wenig abwechslungsreiche Felder. Es gibt zu viel Dünger und zu viele Pestizide. Tieren fehlt der Lebensraum. – So die Bilanz von Umweltministerin Schulze. Der Treiber sei, so Schulze, "ganz eindeutig" die intensive Landwirtschaft, da brauche es "dringend eine Trendwende". Die SPD-Politikerin mahnte an, das verschärfte Düngerecht konsequent umzusetzen, und bekräftigte, dass noch 2020 ein Insektenschutz-Gesetz kommen solle.
Albert Gramling wendet ein: "Natürlich hat die Landwirtschaft einen gewissen Anteil am Artenschwund. Sie ist aber nur zu einem geringen Anteil daran schuld." Die Hauptgründe für den Artenschwund seien, so Gramling, die Versiegelung der Landschaft, Lichtsmog sowie Abgase aus dem Straßen- und Flugverkehr. "Aktuell ist zu erkennen, dass es wieder viel mehr Vögel und Insekten gibt. Die Landwirtschaft hat gegenüber den letzten Jahren nichts geändert. Dagegen wurde der Flugverkehr während der Corona-Krise jedoch fast komplett eingestellt."
Der Bauernverbandsvorsitzende betont, dass die Landwirtschaft in den letzten Jahren viel für den Umwelt- und Naturschutz geleistet habe: Im Neckar-Odenwald-Kreis wachsen auf 2500 Hektar Fläche Blühmischungen. Acht Prozent der Ackerflächen seien stillgelegt.
In Baden-Württemberg gebe es zudem seit 35 Jahren ein Programm zur Einschränkung der Düngung. Die Nitratwerte im Grundwasser seien weitgehend in Ordnung. "Es muss aber auch erwähnt werden, dass es über 20 Jahre gedauert hat, bis eine Auswirkung auf die Gewässer zu erkennen war. Deshalb kann es nicht sein, dass eine strenge Düngeverordnung bereits nach einem Jahr nochmals verschärft wird."
Auch eine Umstellung auf Bio-Landwirtschaft ändere nichts an der intensiven Landwirtschaft: "Dort können Bodenbrüter durch das ständige Hacken der Fläche schlechter als in der konventionellen Landwirtschaft überleben."
Gramling kritisiert weiter, dass Schulze erwähne, dass es in Deutschland nicht genügend Wölfe gebe, sie aber gleichzeitig mehr Weidetierhaltung fordere. "Dort, wo sich der Wolf ausbreitet, wird die Weidetierhaltung verschwinden. Zur Landschaftserhaltung werden Weidetiere jedoch benötigt. Mir konnte noch niemand sagen, wozu wir den Wolf brauchen. Zur Beseitigung von Aas haben wir den Fuchs."
Ebenso kritisiert er die "einseitige Förderung der Raubvögel". Er unterstreicht: "Diese Tiere ernähren sich von Feldhasen, Rebhuhn und weiteren Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind. Aber es ist einfacher, die Landwirtschaft dafür verantwortlich zu machen."
Albert Gramling betont, dass der Druck, der durch Auflagen auf Landwirte ausgeübt würde, mittlerweile so groß sei, dass aktuell sehr viele Landwirte mit dem Gedanken spielten, ihren Betrieb sofort aufzugeben.
Die Konsequenzen lägen auf der Hand: "Was wollen wir dann essen?", fragt Gramling. Nahrungsmittel aus der ganzen Welt zu importieren, könne nicht die Lösung sein. "In der Corona-Krise haben wir erlebt, was passiert, wenn der Import plötzlich zusammenbricht. Anstatt landwirtschaftliche Fläche aus der Produktion zu nehmen, sollten wir dafür sorgen, dass Deutschland auch in schlechten Jahren genug zu essen hat."
Die Politik werbe immer sehr stark für heimische Produkte, aber ohne Landwirte werde es das regionale Steak nicht mehr geben. Stattdessen kämen die Fleischprodukte aus Südamerika. "Dort wird zur Nahrungsmittelproduktion, die für den Export ausgelegt ist, massiv Urwald gerodet. Auch unsere strengen Umweltauflagen gibt es dort nicht. Dazu kommt noch der weite Transport der Nahrungsmittel", sagt Gramling.
Der Bauernverbandsvorsitzende appelliert somit an die Umweltministerin: "Ich bitte Sie, unsere Leistungen zu würdigen und zu unterstützen. Immer mehr Auflagen zu machen, ist kontraproduktiv. Wenn es in Deutschland keine Landwirte mehr gibt, werden sie feststellen, dass es der Natur noch schlechter geht. Wer das Äußerste fordert, hat am Ende gar nichts mehr."