Die Folgen der langen Trockenheit machen sich nicht nur an der Zapfsäule bemerkbar. Vermehrter Schädlingsbefall an den durch Hitze geschwächten Bäumen sowie fallende Holzpreise setzen derzeit der Fichte in der Region kräftig zu. Foto: Peter Lahr
Von Peter Lahr
Neckar-Odenwald-Kreis. Nach dem trockenen Sommer ist auch der Herbst bislang hinter den "Regenerwartungen" geblieben, auch wenn es gestern mal ein wenig Niederschlag gab. Wie sich der Mangel an Regen auf die Region (und ihre Bewohner) auswirkt, darüber hat die RNZ mit verschiedenen Experten gesprochen.
Vom Tankstellenbetreiber über Land- und Forstwirte bis zu Wasserversorgern sind sich alle einig: "Es müsste mal wieder 200 Liter pro Quadratmeter regnen", wie es Andreas Sigmund, Kreisgeschäftsführer des Landesbauernverbandes, formuliert. In seiner privaten Regenmessstation waren es diesen Monat aber erst rund 30 Liter.
Ganz konkret sind die Folgen der Trockenheit bei jedem Tankstellenbesuch in Euro und Cent abzulesen. "Trotz gefallener Rohölpreise auf dem Weltmarkt haben wir exorbitant gestiegene Preise an der Zapfsäule", umschreibt Peter Herm eine zunächst paradox erscheinende Situation und fügt hinzu: "Der Verbraucher tut mir leid."
Die aktuelle Versorgungssituation sei so angespannt wie seit Jahrzehnten nicht, erläutert der Betreiber eines Netzes von 19 Tankstellen - mehrere davon auch in der Region. Über die klassische Rheinschiene komme wegen der niedrigen Pegelstände kaum mehr Ladung an den Raffinerien in Karlsruhe und Ludwigshafen an. "Die Schiffe können zum Teil gar nicht fahren oder nur mit einem Bruchteil der Ladung." In der Folge suche man nach "wasserunabhängigen Versorgungswegen". Was aber gar nicht so einfach sei. Denn momentan suche danach Dreiviertel der Republik.
Ausgefallen sei zudem eine nahe Alternative: in einer Raffinerie in Coburg bei Ingolstadt brannte es im September. Bis heute gehe da nichts mehr. Raffinerien in Nord- und Ostdeutschland würden momentan überrannt. Zusätzlich verschärfe die Deutsche Bahn den Versorgungsengpass, da sie ob des Lokführermangels kein zusätzliches Personal für benötigte Großzüge zur Verfügung stellen könne. Raffinerien und Großlager ließen sich demnach derzeit den raren Treibstoff "vergolden". Den Zorn mancher Kunden kann Peter Herm durchaus verstehen. Er habe eine derartige Situation mit dem Zusammentreffen solch vieler ungünstiger Faktoren noch nie erlebt.
Über eine "Zweiteilung" des Landkreises berichten Land- und Forstwirte übereinstimmend. Besonders stark sei der Osten mit seinen Muschelkalkböden sowie generell geringeren Jahresniederschlägen betroffen. "Der Sommer begann im April und dauerte bis Oktober", erklärt Dietmar Hellmann, Leiter des staatlichen Fortstützpunktes Schwarzach - und beklagt "heftige Auswirkungen". Am stärksten betroffen sei die Fichte, die bisherige Hauptbaumart. Man habe 65.000 Kubikmeter Fichte geschlagen - ungefähr 3000 Lkw-Ladungen - und 2/3 davon seien durch Infektionen geschädigt.
Plastisch ausgedrückt: "Der Borkenkäfer frisst die Fichten des Neckar-Odenwald-Kreises." In der Folge hätten die Sägewerke Hochkonjunktur. Da Trockenheit und Stürme im Frühling europaweit zu verzeichnen waren, drängten "Unmengen von Fichten" auf den Markt, was wiederum die Preise stark nach unten drückte: Von 95 Euro pro Kubikmeter zu Jahresbeginn auf derzeit 50 Euro.
"Wir werden generell die Fichte durch Douglasien ersetzen", erklärt Hellmann. Denn Douglasien wüchsen schneller und könnten die Trockenheit - bislang - besser vertragen. "Nur acht Prozent der geschlagenen Douglasien waren geschädigt." Auch die Eiche komme sehr gut mit der Trockenheit zurecht. Klar ist für Hellmann: "Wir bräuchten acht Wochen Dauerregen."
So regional geteilt wie beim Wald stellt sich die Situation auch beim Wintergetreide dar. Beim Raps etwa ließen sich im Bauland derzeit riesige Fehlstellen beobachten, weiß Andreas Sigmund aus eigener Anschauung. Da im August der Regen fehlte, sei im Landkreis bereits ein Drittel weniger Raps ausgesät worden. Und davon wiederum wachse nur ein Drittel gut. Auch Wintergerste, Roggen und Dinkel seien "sehr ungleichmäßig" aufgegangen.
Einige Naturschutzflächen, deren faserreicher Aufwuchs in anderen Jahren entsorgt werden musste, konnten dagegen dieses Jahr den Futtermangel bei Pferdehaltern, Fleischrindzüchtern und Schäfern mildern, darauf verweist Jan Egenberger, Pressesprecher des Landratsamtes, nach Rücksprache mit den entsprechenden Fachdiensten. Während die Trockenheit viele Kleingewässer austrocknen ließ, konnten Pflegemaßnahmen wie das Ausbaggern verlandeter Tümpel besonders effektiv und kostengünstig umgesetzt werden. Ein gutes Jahr sei es für Wespen und Hornissen sowie den Wespenbussard gewesen.
"Nach diesem Sommer machen sich einige Gemeinden nördlich von Heilbronn Gedanken über ihre künftige Wasserversorgung", erklärt Maria Quignon von der Bodensee-Wasserversorgung. Derzeit wisse sie von 30 Anfragen, die Beteiligungsquoten (also den Anteil von Bodenseewasser bei der Versorgung vor Ort) zu erhöhen.
Eine dauerhafte Erhöhung bilde einen "formalen Akt", der in der jährlichen Verbandsversammlung beschlossen werden müsse. "Der Bodensee liefert genug, auch wenn der Wasserstand niedrig ist", unterstreicht Quignon; das gelte zumindest für die bisher entnommenen Mengen. Und vielleicht gibt es ja demnächst auch mal wieder ergiebigen Nachschub "von oben".