Glaubt man der Werbung, waren die Räder der Marke „Schwinn“ ein begehrtes Geschenk.
Hardheim. (zeg) Brad Pitt, Audrey Hepburn, Elvis Presley und Shirley Temple – sie alle haben sich auf einem "Schwinn" ablichten lassen. Noch heute prägen Schwinn-Räder das Bild amerikanischer Straßen und Parkanlagen, das Rad des "King of Rock ’n’ Roll" ist sogar in seiner Wohnung "Graceland" in Memphis ausgestellt. Dass "Schwinn Built Bicycles" jahrzehntelang den Markt dominiert haben, ist einem Immigranten aus Deutschland zu verdanken: Ignaz Schwinn, der 1860 im kleinen Hardheim geboren wurde, gründete die Firma Schwinn Company, die bis in die 1980er Jahre als Marktführer in den Vereinigten Staaten galt.
Von der früheren Marktmacht ist zwar kaum noch etwas übrig, doch der Name "Schwinn" ist in den USA weiterhin gleichbedeutend mit "Fahrrad". Auch deshalb gilt der Hardheimer Fahrradpionier als "Henry Ford der Zweiräder" und gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten aus der Erftalgemeinde.
Als Sohn eines Klavier- und Orgelbauers zog es Ignaz Schwinn, dessen Nachfahren noch in Hardheim ansässig sind, aus dem Odenwald nach Frankfurt. Dort interessierte das Hochrad als "Wunder des Jahrhunderts" den begeisterten Maschinenbauer zwar, er erkannte jedoch schnell die Vorzüge des sogenannten "Sicherheitsrads" mit seinen zwei gleich hohen Rädern. Seine außergewöhnliche technische Begabung eröffnete ihm rasch eine Karriere als Erfinder und Hersteller in der Fahrradbranche – unter anderem in den Adler-Werken, wo er einige der allerersten "Safety"-Fahrradtypen in Deutschland konstruierte.
Schwinn in Amerika - die FotogalerieWie damals üblich, ging er 1890 auf Wanderschaft, um seine beruflichen Kenntnisse zu erweitern, und wanderte schließlich sogar in die Vereinigten Staaten aus. In der Neuen Welt gründete er 1895 zusammen mit Adolf Arnold die "Arnold, Schwinn & Company". Seine Fähigkeiten als Tüftler und Erfinder ergänzten sich mit dem Geschäftssinn seines Kollegens. Ignaz Schwinn nutzte den damaligen Fahrrad-Boom aus und ließ etliche Freunde und Familienmitglieder aus dem Odenwald nachkommen, um bei ihm zu arbeiten. 1908 wurde Schwinn Alleininhaber der "Schwinn Company", im Jahr 1911 erwarb er in Chicago die "Excelsior"-Motorradfabrik, wo er bis 1931 Motorräder und zeitweilig Flugzeugmotoren baute. Über kurz oder lang unterhielt der Fahrradbaron in jeder größeren Stadt eine "Cyclery", in denen Kunden nicht nur Fahrräder kaufen, sondern sich zu allem, was mit dem Fahrrad zusammenhängt, beraten lassen konnten. So beherrschte er jahrzehntelang eine ganze Branche.
Die Blütezeit der "Schwinn Company" war in den 50er Jahren. Das bekannteste Rad aus dem Hause Schwinn war aber wohl das "StingRay", das in Deutschland Ende der 60er Jahre als "Bonanza-Rad" bekannt wurde. Auch das BMX kann seine Wurzeln bis zu Schwinn zurückverfolgen. Wie sehr Ignaz Schwinn die Entwicklung des Fahrrads beeinflusst hat, zeigt die Anzahl der Patente, die er in den USA für Verbesserungen am Fahrrad erhalten hat: mehr als 40 an der Zahl. So legte er unter anderem die Grundlagen für das Mountainbike.
Doch ähnlich wie bei anderen Einwandererfamilien zeigten nachfolgende Generationen weniger Entschlossenheit
und Ehrgeiz als Ignaz. Einzig sein Sohn Frank – besser bekannt als F.W. – schien den Eifer des Familienoberhaupts zu teilen. Er übernahm die Fahrrad-Imperium in den späten 40ern, als sein Vater bereits über 80 Jahre alt war, und navigierte das Unternehmen durch die turbulenten Jahre der Depression und die sehr profitable Nachkriegszeit. Dann jedoch übernahmen Frank und schließlich Edward Jr. Schwinn das Ruder und trieben die einst florierende Firma in einen schleichenden Niedergang, der 1992 im Konkurs gipfelte. Sie hatten die Trends zu neuen Typen verpasst und setzten auf veraltete Produktionsstätten.
Doch trotz der wechselhaften Geschichte der vergangenen zwei Jahrzehnte ist und bleibt Schwinn eine amerikanische Ikone, ein Markenname, der in Filmen und Büchern und in den Erinnerungen von Millionen von Bürgern unsterblich geworden ist. Der heutige Besitzer der Marke, Dorel Industries, startete 2010 eine große Werbekampagne, um die Marke Schwinn wiederzubeleben und zu modernisieren, indem sie sich mit Kindheitserinnerungen der Verbraucher an das ikonische Unternehmen in Verbindung brachte.