Adelsheim. Die Corona-Krise hat auch in Adelsheim die Menschen schwer getroffen. Oft fehlt es an Wlan bzw. am Internet, es fehlen Laptops oder auch das Auto. Der mühsam gewonnene Arbeitsplatz ist verloren, oder infolge der Kurzarbeit hat man schwere finanzielle Einbußen zu verkraften. Es fehlen darüber hinaus die persönlichen Kontakte, die Gespräche. Überhaupt fehlt die Möglichkeit, sich einzubringen. Es lohnt sich aber auch, einen Blick auch auf diejenigen zu werfen, denen es noch schlechter geht. Diejenigen, die fliehen mussten und praktisch nichts mehr hatten außer ihr Leben und das, was sie am Leib trugen.
Um diese Menschen kümmert sich seit sieben Jahren der Helferkreis Asyl in Adelsheim unter der Vorsitzenden Heide Lochmann. Viele Menschen aus Syrien, Afghanistan, Irak und vor allem aus dem Libanon haben sie und ihr Helferkreis bereits kommen und gehen gesehen. Zahlreiche Stunden und Mühen haben sie darauf verwendet, den Menschen ein gutes Ankommen in Deutschland zu ermöglichen und ihnen eine Perspektive aufzuzeigen.
Geflohen vor Krieg und Elend, türmen sich gigantische Hürden vor diesen Menschen auf. Fehlende Sprachkenntnisse, eine andere Kultur und andere Lebensgewohnheiten, eine oftmals fehlende oder mangelhafte Schulbildung, keine staatlich anerkannte Ausbildung, das Fehlen der Dinge des täglichen Bedarfs. Und die Rückkehr nach Hause? Vielleicht nach Monaten oder Jahren, vielleicht auch nie. Ein enormer Berg von Herausforderungen. Der Helferkreis Asyl hat sich entschlossen, ihn anzugehen. Und – so viel kann heute schon gesagt werden – in vielen Fällen erfolgreich. Vieles und Vielfältiges ist zu tun. Ein Überblick über die Tätigkeit dieser zurzeit etwa zwölf ehrenamtlichen Helfer soll einen Eindruck bieten.
Flüchtlinge werden bei ihren Kontakten und Gängen zum Jobcenter, zur Kleiderkammer, zur Steuerberatung, zum Landratsamt, zu Rechtsanwälten, Ärzten, Schulen und Kindergärten begleitet. Unterstützt werden sie ferner in Gesprächen mit Lehrern, mit potenziellen Arbeitgebern bei der Ausbildungs-, Praktikums- und Arbeitsplatzsuche sowie bei der Wohnungssuche. Der Helferkreis arbeitet dabei mit dem Integrationsmanagement und der Migrationsberatung zusammen.
Der Helferkreis ermöglicht Hausaufgabenhilfe und Nachhilfe nach Bedarf und unterstützt die Gewöhnung der Menschen an die deutsche Lebens- und Arbeitsweise. So wird zweimal pro Woche ehrenamtlich Deutschunterricht angeboten. Es gab auch Mal- und Bastelstunden, Schwimmunterricht und diverse Sportangebote (Volleyball, Fußball, Tischtennis), des Weiteren Informationsveranstaltungen (z. B. der Polizei, Erziehungsunterstützung), Angebote zum Kochen, der Erledigung von Einkäufen und zur Gesundheitsberatung. Gespendete Sachen (z. B. Fahrräder) wurden hergerichtet. Aber auch gemeinsame Ausflüge in den Zoo standen auf dem Programm.
Die Flüchtlinge helfen rege mit. Sie verrichten Gartenarbeit, leichte Reparaturen und spalten Holz. Viele sind handwerklich geschickt und fanden bereits Zugang zum Arbeitsmarkt.
Vieles wurde inzwischen erreicht, aber es begann klein: Im November 2014 gab das Landratsamt die zu erwartende Ankunft von etwa 100 Flüchtlingen bekannt, die in Wohncontainern untergebracht werden sollten. Dies war der Schlüsselmoment zur Entstehung des Helferkreises Asyl. Deren Initiatoren, Hilde Lochmann und Desire Mieritz, wollten in einem überparteilichen und überkonfessionellen Rahmen Flüchtlingen durch Hilfe und Begleitung vom ersten Tag an die Integration in die deutsche Gesellschaft erleichtern und dabei helfen, Vorurteile abzubauen.
Zügig bildeten sich im entstehenden Helferkreis Arbeitsgruppen, die jedem – auch mit einem geringen Zeitbudget – die Möglichkeit zur Mitwirkung gaben. Es gab eine Teestube, Sprachförderung, Begleitung und Betreuung, Sport und Spendensammlung. Insgesamt konnte der Helferkreis in der ersten Zeit auf 60 interessierte Mitstreiter zurückblicken.
Die Menschen, die zum Teil nach abenteuerlichen Odysseen nach Deutschland gekommen waren, nahmen die Hilfe dankbar an. Ale erstes erreichten vier Familien aus dem ehemaligen Jugoslawien Adelsheim. Im Februar 2015 konkretisierten sich die Maßnahmen unter Unterstützung durch das Landratsamt und eine Sozialarbeiterin. Die selbstständig und arbeitsteilig vorgehenden offenen Arbeitsgruppen des Helferkreises nahmen schnell weitere Gestalt an.
In der ersten Phase ging es um das gegenseitige Kennenlernen und die Versorgung der Menschen mit dem Allernotwendigsten. In diesem Zusammenhang wurden Geld, Kleidung und Gebrauchsgüter aller Art gesammelt. Für Geldspenden stellte die Stadt Adelsheim ein eigenes Konto bereit. Darüber hinaus halfen die Mitglieder des Arbeitskreises den Flüchtlingen nahezu täglich bei nötigen Gängen, kümmerten sich um deren Alltagssorgen und boten gemeinsame Aktivitäten zur Freizeitgestaltung an. Im Juni 2015 lebten im "Camp" zunächst 22 Bewohner, die von Landrat Dr. Achim Brötel begrüßt wurden. Noch im selben Monat stieg die Zahl der Menschen dann auf 50. Im August wurde die Zahl von 100 Menschen erreicht.
Im Jahr 2016 ging es dann an die Klärung der Aufenthaltstitel, die Teilnahme an verpflichtenden Integrationskursen (unter anderem LID – Leben in Deutschland) musste organisiert werden. Darüber hinaus half der Arbeitskreis bei der Suche nach Wohnungen. Unterstützung bei der Suche nach Arbeits-, Ausbildungs- und Praktikumsplätzen kam durch die Industrie- und Handelskammer (IHK). Viele Flüchtlinge verließen das Camp, einige kamen hinzu.
Erwähnenswert ist der Erstkontakt zum Eckenberg-Gymnasium (EBG). Junge Flüchtlinge konnten am Unterricht und am Schulfest teilnehmen. Nachmittags konnten dort auch Sprachkurse besucht werden. Einige Flüchtlinge kamen dabei auch an das Ganztagsgymnasium Osterburken (GTO). Drei Syrer konnten in Mannheim und Heidelberg ein Studium aufnehmen.
Viele der Geflohenen brachten zum Teil sehr gute handwerkliche Fähigkeiten mit, die sie in den Ausbildungsberufen in der Region, aber auch in Selbst- und Nachbarschaftshilfe umsetzen konnten. So halfen sie bei der Pflege des Schlossparks in Adelsheim mit und zeigten sich dabei dem Baron von Adelsheim, der den Kreis sehr aktiv unterstützt, erkenntlich.
Im Jahr 2017 ermöglichte die nun insgesamt sinkende Anzahl der Campbewohner es nun, sich verstärkt um eine persönliche Betreuung und begleitenden Sprachunterricht zu kümmern. Angeboten wurden ferner Spielenachmittage im EBG-Forum und Integrationskurse. Viele ehemalige Flüchtlinge fanden Arbeits- und Lehrstellen in Adelsheim und Umgebung. Ein Ausflug mit 26 Personen nach Heidelberg wurde – vor Corona – unternommen (Foto: Helferkreis Asyl).
Das Camp konnte geschlossen werden. Zum Jahresende 2017 lebten insgesamt 48 ehemalige Flüchtlinge in Adelsheim. Es waren bereits Freundschaften entstanden, die ehemaligen Flüchtlinge integrierten sich in die Vereine in Adelsheim.
2020 sind 50 Personen in Adelsheim heimisch geworden. Neun Familien mit 25 Kindern und sechs junge Männer. Neben erfolgreichen Schulbesuchen stehen fünf Lehrlingsverhältnisse (Elektriker und Mechaniker), mehrere Arbeitsverhältnisse in klein- und mittelständischen Unternehmen der Umgebung und mehrere angehende Universitätsabschlüsse zu Buche. Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.
Es begann mit einer Idee. Viele Menschen machten für viele andere Menschen daraus mit Engagement, Ausdauer und Leidenschaft eine Erfolgsgeschichte. Viele Menschen kamen, viele Menschen gingen. In den letzten Jahren ist es – auch jüngst wegen Corona – etwas ruhiger geworden. Der Helferkreis Asyl ist aber noch immer rege aktiv, die Vorsitzende Heide Lochmann und ihre Mitstreiter freuen sich auf weitere Mithilfe und Spenden.