Generationswechsel in der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Hardheimer Krankenhaus (v. l.): Dr. Frank Schure und Dr. Viola Schure reichen den Staffelstab, den sie von Ernst-Georg Hellmuth erhalten haben, an Vera Schoeder und Martin Teichmann weiter.
Hardheim. Als der damalige Verwaltungsleiter Erich Erbacher 1976 am Hardheimer Krankenhaus eine neue Belegabteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe ins Leben rief, konnte er nicht ahnen, dass er damit den Grundstein für eine beispielhafte Erfolgsgeschichte legen würde. Neben den Fachrichtungen Chirurgie, Innerer Medizin und Anästhesie verfügt das Krankenhaus seitdem über ein viertes Standbein.
Entbindungen werden zwar seit 1996 nicht mehr in Hardheim durchgeführt, aber die bemerkenswerte Zahl an Patientenkontakten und Operationen ist ein eindrucksvoller Beleg für die Bedeutung der Abteilung. In wenigen Wochen werden Dr. Frank und Dr. Viola Schure den Staffelstab der Gynäkologie, den sie 2006 vom Gründer der Abteilung, Ernst-Georg Hellmuth, übernommen haben, an die dritte Generation weiterreichen: an Vera Schoeder und Martin Teichmannn.
Aus diesem Anlass hat die Krankenhausverwaltung alle drei Generationen der gynäkologischen Belegärzte des Hauses eingeladen: Gemeinsam hielten Ernst-Georg Hellmuth (77 Jahre alt), Dr. Frank Schure (59), Dr. Viola Schure (60), Vera Schoeder (36) und Martin Teichmann (35) Rückblick auf die letzten 43 Jahre und wagten auch einen optimistischen Blick nach vorne: Die gynäkologische Belegabteilung am Krankenhaus ist für die Zukunft gut aufgestellt, und die derzeit laufenden Bauarbeiten werden die Rahmenbedingungen weiter verbessern.
Davon war vor 43 Jahren nicht einmal zu träumen: Ernst-Georg Hellmuth - damals Oberarzt im württembergischen Laupheim - las in der Zeitung eine Annonce des Krankenhauses und war an der Aufgabe, eine Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe aufzubauen, sofort interessiert. Auch wenn sich Hardheim dem Mediziner und seiner Ehefrau Alice bei ihrem ersten Besuch im Erftal nicht von seiner Sonnenseite präsentierte - es war ein nasskalter Novembertag, erinnert sich Ernst-Georg Hellmuth - fiel die Entscheidung doch positiv aus.
"Der Schritt, an ein kleines Haus zu wechseln, war genau der richtige für mich", sagt der 77-Jährige. Beim Aufbau der Abteilung habe er alles nach seinen Vorstellungen gestalten können. Spätestens ab 1980 seien die Arbeitsbedingungen dann optimal gewesen: Damals zog nämlich seine Praxis, die er zuvor in der Walldürner Straße betrieben hatte, ans Krankenhaus - die Wege wurden kürzer und die Abläufe einfacher, wovon letztendlich der Arzt, die Angestellten und die Patientinnen profitierten.
Auch wenn er an einem kleinen Krankenhaus arbeitete, so war Hellmuth immer am Puls der Zeit: "Mit unseren modernen Verfahren konnten wir uns mit jedem messen." So sei er damals zwischen Würzburg und Heidelberg der erste Arzt gewesen, der brusterhaltende Operationen beim Mammakarzinom durchführte. Durch die Zusammenarbeit mit den Universitätskliniken Heidelberg und Würzburg und durch zahlreiche Fortbildungen stellte Hellmuth sicher, dass seine Patientinnen immer in den Genuss der modernsten Behandlungsmöglichkeiten kamen. Praxis und Belegarzttätigkeit stemmte Hellmuth mit immensem Kraftaufwand und tatkräftiger Unterstützung durch seine Frau Alice, das Hebammen- und Arzthelferinnenteam.
Einen großen Stellenwert nahm in den ersten 20 Jahren die Geburtshilfe ein: 250 bis 300 Geburten betreute Hellmuth pro Jahr. Insgesamt waren es rund 7000 in Hardheim und 17.000 im gesamten Berufsleben. Auch hier war der Arzt immer ein Vorreiter: So ermöglichte er schon früh den Ehemännern, bei der Geburt dabei zu sein - was heute eine Selbstverständlichkeit ist, war vor 40 Jahren noch Neuland - und er führte Mutter-Kind-Zimmer ein.
Die Auflagen und gesetzlichen Vorgaben waren jedoch für eine kleine Abteilung wie die in Hardheim immer schwieriger zu erfüllen, sodass der Kreißsaal 1995 seine Pforten schloss. 2006 übergab Hellmuth die Praxis an seinen Nachfolger Dr. Schure. Bis 2018 übernahm er noch Vertretungen, ehe er sich endgültig zur Ruhe setzte. "Es waren anstrengende, aber vor allem schöne, erfüllende Jahre", sagt Ernst-Georg-Hellmuth im Rückblick.
"Wie er sich für seine Patientinnen aufgeopfert hat, davor kann ich nur den Hut ziehen", lobt Dr. Frank Schure seinen Vorgänger: "Ihnen gebührt tiefster Dank dafür, die Frauenarztpraxis und die Belegabteilung zu solch einer Blüte herangeführt zu haben!" Dr. Schure selbst führte in der Praxis nach der Übernahme 2006 den konsequenten Ausbau der endoskopischen und allgemeinen wie auch speziellen onkologisch-gynäkologischen Chirurgie fort. Weitere Meilensteine waren die Einführung des 3-D- und 4-D-Ultraschalls, der Ausbau der Onkologie und die Einführung kosmetischer Operationen wie Brustvergrößerungen und so weiter sowie die Umbenennung in "Gyndoctors.de".
Verstärkung erhielt die Praxis 2007 durch Dr. Viola Schure, durch die der onkologische Schwerpunkt noch ausgebaut werden konnte. Gleichzeitig konnte vor allem den onkologischen Patienten eine psychosomatische Grundversorgung zuteilwerden. Durch das Engagement der Dres. Schure konnte die Praxis zum "Beckenbodenzentrum" und zur "Beratungsstelle der Deutschen Inkontinenzgesellschaft" ausgebaut werden.
Der Bekanntheitsgrad der "Gyndoctors" stieg weit über die Grenzen des Landkreises hinaus. Dies zeigt sich insbesondere in der Zahl von über 25 zuweisenden Fachärzten. Ein Beleg für die hohe Qualität ihrer Arbeit ist u.a. die Verleihung des M+K-Awards mit der Firma Samsung Medical zum Thema "ultraschallgestützte Brustchirurgie" im Jahr 2016.
Mit der Übernahme der Frauenarztpraxis Dr. Boß und der Eröffnung einer Praxis in Adelsheim stellten die "Gyndoctors" die Weichen auf Expansion. "Dies alles war nur möglich durch das unermüdliche Engagement unseres Teams und der Mitarbeiter des Krankenhauses sowie die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Verwaltung und dem Förderverein, welche die Anschaffung von zukunftsweisenden Technologien ermöglichten", sagt Dr. Frank Schure.
Apropos zukunftsweisend: Schon früh befassten sich die Schures mit der Praxisnachfolge. Vor diesem Hintergrund stießen 2016 und 2017 Vera Schoeder und Martin Teichmann dazu. Durch die personelle Verstärkung war es 2017 möglich, die ehemalige Praxis des Gynäkologen Dr. Keintzel in Buchen zu übernehmen und zu integrieren. Die Praxis in Adelsheim konnte als Folge daraus wegen gesetzlicher Vorgaben aber nicht weiterbetrieben werden.
Am 29. März werden Vera Schoeder und Martin Teichmann, die seit 2018 Partner in der Praxis sind, als dritte Generation den Staffelstab übernehmen. Unterstützt werden sie vom langjährigen Facharzt Dr. Zoltan Varga. Auf Grund des großen Einzugsgebietes - von Aglasterhausen bis Aschaffenburg - und des großen Patientinnenzuspruchs kommt die Erweiterung des Krankenhauses wie gerufen. Teichmann ergänzt: "Wir sind froh, das umfangreiche Spektrum der ,Gyndoctors’ fortführen und zusätzlich um die Bereiche Psychoonkologie sowie psychische Erkrankungen während und nach der Schwangerschaft erweitern zu können." Gegen weitere "Verstärkung" ihres Teams würden sich Schoeder und Teichmann nicht wehren: "Sechs Fachärzte wären eigentlich ideal … "