„Hinne houch!“ – Bei der Buchener Faschenacht gehört der Dialekt ganz selbstverständlich dazu. Im Alltag geht er jedoch verloren. Dies möchte eine Initiative des Landtags ändern.
Von Dr. Isabell Arnstein
Buchen. Eine Initiative der Landtagsabgeordneten Dr. Markus Rösler und Sandra Boser (Grüne), Karl-Wilhelm Röhm und Marion Gentges (CDU), Reinhold Gall und Andreas Kenner (SPD), sowie Jochen Haußmann und Gabriele Reich-Gutjahr (FDP) ist bestrebt, die Verwendung von Dialekten in Baden-Württemberg wieder zu stärken, und lud hierzu zu einem fachlichen Austausch ins Landtagsgebäude. Als "Fürsprecher" des odenwäldischen Dialekts war auch das Buchener SprachRaum-Team mit Manfred Pfaus, Martin Strittmatter und Dr. Isabell Arnstein eingeladen.
Die Landesregierung sieht in der variantenreichen Dialektlandschaft unseres Bundeslandes ein zu schützendes Kulturgut, das aber in Gefahr steht zu verschwinden, wenn nicht aktiv entgegengewirkt wird. Dialekt ist nicht mehr die alltägliche Lebenswirklichkeit wie noch vor wenigen Jahrzehnten, was durch die zunehmend mobilere Gesellschaft und den damit verbundenen Dialektvermischungen bzw. Anpassungen an das Schriftdeutsche fast als zwangsläufige Entwicklung erscheint.
Doch ein Blick auf unsere Nachbarländer (z.B. Schweiz) und -bundesländer (z.B. Bayern) lässt erkennen, dass man auch deutlich selbstbewusster mit dem Thema Dialekt umgehen kann. Diese Selbstverständlichkeit soll auch in Baden-Württemberg gestärkt werden. Ein natürlicher Umgang mit der eigenen dialektalen Färbung im Wortlaut sei erstrebenswert, denn Dialekt transportiere Nähe und Authentizität, eine zwischenmenschliche Vertrautheit, die Leute berühre und damit Heimat schaffe.
Doch die Frage steht im Raum, wie sich eine Dialektförderung gestalten kann, die insbesondere junge Menschen begeistert, ohne dass man beim Stichwort "Dialekt" gleich Assoziationen mit "Hannes und der Bürgermeister" hat, oder die irrige Annahme, dass man durch Dialektsprechen gegenüber seiner Umwelt eher als "unklug" erscheint und man deswegen vorsorglich darauf verzichtet.
Um die theoretischen Erkenntnisse der Anhörung im Landtag mit der Zielgruppe in der Praxis abzuwägen, bot sich eine Diskussionsrunde mit Schülern des Technischen Gymnasiums (TGM3) der Zentralgewerbeschule Buchen (ZGB) an. "Mein Deutschlehrer hielt mich immer dazu an, Schriftdeutsch zu reden", so die Aussage einiger Schüler auf die Frage, weshalb sie keinen Dialekt mehr sprechen. Bei solchen Prägungen darf man folglich nicht erwarten, dass "sich der Dialekt wie der Löwenzahn durchs Asphalt bricht", wie es der schwäbische Liedermacher Pius Jauch gegenüber den Landtagsabgeordneten bemerkte.
In der Klassendiskussion waren sich die TG-Schüler einig, dass Dialektförderung bereits zu Kindergartentagen beginnen müsse, damit Dialekt Teil der Lebenswirklichkeit wird und nicht nur in der närrischen Zeit zur Verwendung komme. Die Klasse war sich einig, dass es wichtig sei, das Selbstbewusstsein zum Dialektsprechen zu fördern und einen Einblick über die Vielgestaltigkeit der deutschen Dialektlandschaft und die sprachhistorischen Hintergründen zu vermitteln. Diese Forderungen gehen mit den aktuellen politischen Bestrebungen konform und liefern umsetzbare Ideen innerhalb des Erziehungsauftrages der Erzieher und Lehrer.
Zur Fastnachtszeit begegnet einem die dialektale Vielfalt auf Umzügen, bei Fasnachtssitzungen und "in der Bütt". Doch im Großraum Buchen fehlt es aus sprachwissenschaftlicher Perspektive an einem erforschbaren Corpus an Sprachbeispielen, da es zu wenige mündliche wie schriftliche Zeugnisse gibt. Alle Dialektbewahrer sind somit dazu eingeladen, sich bei Dr. Isabell Arnstein (isabell.arnstein@zgb-buchen.de) zu melden, wenn sie ihre "närrischen Textcorpora" gerne der Wissenschaft zur Verfügung stellen möchten. Sei es eine Rede, ein Spruch, ein Bild, eine Anekdote – alles ist willkommen und hilft, unseren odenwäldischen Dialekt lebendig zu erhalten.
Um den Dialekt auch außerhalb der Fastnacht wieder verstärkt im Alltag zutage treten zu lassen, wird der Prädikant der Evangelischen Landeskirche und zugleich Badischer Mundartpreisträger Wolfgang Müller am 8. März um 10 Uhr in der evangelischen Christuskirche in Buchen einen Gottesdienst in Mundart gestalten, zu dem konfessions-, generationen- und mundartenübergreifend alle Interessierten willkommen sind.
Was die Dialekte um Buchen herum im Detail auszeichnetn, ist zur Zeit Thema einer Aufsatzreihe im "Wartturm", der Zeitschrift des Bezirksmuseum, ab der Ausgabe 4/2019.
Info: Wer seinen Dialekt im SprachRaum des Museums einbringen will, kann sich bei Dr. Isabell Arnstein melden: isabell.arnstein@zgb-buchen.de.