Im Winter und im Frühjahr bilden sich im „Lappen“ große Wasserflächen, die sich teilweise bis zu acht Monate lang halten. Foto: Tanja Radan
Buchen/Walldürn. (rüb) Die Trockenheit beschäftigt die Menschen in der Region – vor allem aber Landwirte, Waldbesitzer und Hobbygärtner – mehr, als uns allen lieb sein kann. Hat die Dürre nun auch die Wasserfläche im Naturschutzgebiet "Lappen" austrocknen lassen und damit ein wertvolles Refugium für Vögel zerstört? Zumindest hier lässt sich Entwarnung geben: Dass der Lappensee im Sommer austrocknet, ist völlig normal und macht seinen besonderen Charakter aus. Dies bestätigte das Landratsamt auf Nachfrage der RNZ.
So präsentiert sich der „Lappen“ im September 2020: Der See ist verschwunden, was laut Expertenaussage jedoch völlig normal ist. Foto: BuschDas Naturschutzgebiet "Lappen und Eiderbachgraben" ist für ziehende und rastende Wat- und Wasservögel ein einzigartiger Rückzugsort. Im gesamten Neckar-Odenwald-Kreis gibt es keinen vergleichbaren Ort. Mehr als 175 Vogelarten sind dort bereits nachgewiesen worden. Auch zahlreiche Amphibien leben im Naturschutzgebiet. In jedem Frühjahr staut sich durch Niederschläge und Schmelzwasser eine große Wasserfläche an, die bis zu acht Monate bestehen bleibt. Im Sommer trocknet das Naturschutzgebiet dann aus.
Das Landratsamt beantwortete die Anfrage der RNZ wie folgt: "Gundsätzlich handelt es sich bei den Gewässern östlich der 27 im Naturschutzgebiet ,Lappen und Eiderbachgraben‘ um temporär wasserführende, hauptsächlich von Niederschlagswasser gespeiste Gewässer, die regelmäßig im Sommer austrocknen. Durch diese Dynamik erhält das Naturschutzgebiet seinen hohen naturschutzfachlichen Wert von überregionalem Rang. Im Frühjahr dienen die Schlammflächen, die vom zurückweichenden Wasser freigegeben wurden, zahlreichen rastenden Zugvögeln und seltenen Brutvögeln wie dem Kiebitz zur Nahrungssuche.
Auch Amphibien profitieren von den wechselnden Feuchtigkeitsverhältnissen. Durch die regelmäßige Austrocknung kommen Fressfeinde der Amphibien-Larven (Kaulquappen) wie Fische, Wasserkäfer oder Libellenlarven dort nicht vor. So können sich Amphibien in Jahren mit niederschlagsreichem Frühjahr, wie der Laubfrosch zuletzt 2018, massenhaft vermehren. Dadurch können Verluste in trockeneren Jahren ausgeglichen werden."
Der ehemalige Naturschutzbeauftragte Lothar Hassel hat 1974 im Hettinger Heimatbuch die Geschichte des einzigartigen Vogelschutzgebiets nachgezeichnet: "Der bedeutendste Rastplatz für Wasservögel zwischen Neckar und Main liegt in den sumpfigen Wiesen in der Nähe des Truppenübungsplatzes. Dort liegen etwa 15 Hektar feuchte Wiesen, die besonders im Frühjahr wochenlang das Wasser der Schneeschmelze in flachen Tümpeln zurückhalten. Die fast undurchlässigen Tonschichten des oberen Buntsandsteins dichten den Untergrund gut ab, und der ehemals gepflegte Oberlauf des Eiderbaches ist im Bereich des Truppenübungsplatzes von Panzerspuren zerstört.
Über 175 Vogelarten wurden von den ehrenamtlichen Beobachtern im Naturschutzgebiet schon gezählt. Auch verschiedene Amphibienarten leben im „Lappen“. Foto: BuschSo bilden sich hier größere offene Wasserflächen von 10 bis 50 Zentimeter Tiefe und laden die zurückkehrenden Wasservögel zur Rast ein. Enten, Limikolen und Schnepfen benutzen auf dem Rückweg zu den Brutplätzen uralte Wanderstraßen. Von Südfrankreich kommend, folgen sie der Rhone und dem Rhein. Bei Bruchsal zweigt ein Teil ab und zieht über den Kraichgau nordostwärts durch unser Gebiet zum Main, dann weiter nach Thüringen und zu den Brutplätzen in den nordischen Ländern.
Erst seit 1958 sind die Lappenwiesen in steigendem Maße zum Rastplatz geworden, denn durch landeskulturelle Maßnahmen wurden zur Verbesserung der Agrarstruktur weite, ehemals feuchte Gebiete entwässert und die Vögel mussten auf die wenigen verbleibenden Wasserflächen ausweichen. So wurden die Lappenwiesen zum bedeutendsten Rastplatz für Wasservögel zwischen Rhein und Main. Einige Vögel fühlten sich in den Lappen und den angrenzenden Feuchtgebieten des Truppenübungsplatzes so wohl, dass sie hier zur Brut schritten. Auf diese Weise entstand die nordostbadische Keimzelle für Kiebitze.
Bleibt zu hoffen, dass es auch in Zukunft im Winter und im Frühjahr ausreichend Niederschläge gibt, so dass der "Lappen", der bereits seit 1979 Naturschutzgebiet ist, seine wertvolle Funktion weiterhin ausüben kann.