Von Rüdiger Busch
Buchen. Einheimische, Familien mit Kindern, aber auch Pflegende und in den Vereinen engagierte Personen werden bei der Vergabe der begehrten Bauplätze im neuen Baugebiet "Marienhöhe" bevorzugt. Die entsprechenden Vergaberichtlinien, die ein komplexes Punktesystem beinhalten, wurden am Montag einstimmig verabschiedet. Voraussichtlich ab Mitte April können sich Bauwillige für einen Bauplatz bewerben. Wenig später soll bereits die Erschließung des ersten Bauabschnitts beginnen. Für die zumeist 500 oder 600 Quadratmeter großen Grundstücke verlangt die Stadt 170 Euro pro Quadratmeter.
Die Ausgangslage
"Wir haben ein positives Problem", fasste Beigeordneter Benjamin Laber die Situation zusammen: Für die 104 Bauplätze in städtischem Besitz, die im ersten Bauabschnitt zur Verfügung stehen, gibt es aktuell 244 Interessenten. Eigentlich wollte der Gemeinderat schon im November ein möglichst gerechtes Vergabesystem auf den Weg bringen. Da es jedoch, so Bürgermeister Roland Burger, "Impulse aus dem Gemeinderat" gegeben habe, wurde weiter beraten.
Die Ziele
Die Bauplätze zu verlosen, zu versteigern oder das Windhundprinzip ("Wer zuerst kommt, mahlt zuerst") einzusetzen, sei für die Stadt keine Option gewesen: "Wir möchten die Bauplatzvergabe steuern und bestimmte Personenkreise bevorzugen", betonte Laber. Dies sind Ortsansässige, Menschen, die in Buchen arbeiten, Familien mit Kindern oder Pflegende. Aber auch das Ehrenamt ist ein Kriterium: "Die örtliche Gemeinschaft in Buchen wird geprägt von Menschen, die sich in vielfältigen Aufgaben ehrenamtlich engagieren. Dies soll besonders berücksichtigt werden." Oder anders gesagt: "Wir möchten Menschen mit Bezug zur Stadt eine Perspektive in Buchen bieten."
Die Umsetzung
Auf Grundlage des vom ehemaligen Oberbürgermeister Ivo Gönner entwickelten Ulmer Vergabemodells wurde ein Buchener Vergabemodell mit einem Punktesystem entwickelt. Bei der juristischen Prüfung mussten, so Laber, einige Kriterien gestrichen oder geändert werden, die rechtlich angreifbar gewesen wären. So darf eine Stadt ihre Bürger bei der Vergabe bevorzugen – ehemalige Bürger aber nicht. Sprich: Wer als gebürtiger Buchener in die Heimat zurückkehren möchte, wird in diesem Punkt genauso behandelt wie ein auswärtiger Bewerber. Die sozialen Kriterien müssen zudem stärker gewichtet werden als der Ortsbezug. "Es wird Verlierer geben", räumte Beigeordneter Laber ein, "aber kein Verfahren kann alle zufriedenstellen."
Die nächsten Schritte
Die Abwicklung der Bewerbungen erfolgt über die Plattform Baupilot – und zwar voraussichtlich von Mitte April bis Ende Mai. Dabei müssen die Bewerber auch Nachweise wie Geburtsurkunden oder Bescheinigungen über ehrenamtliche Tätigkeiten vorlegen. Zunächst bewerben sich die Interessierten für das gesamte Baugebiet. Die 104 "Gewinner" können anschließend ihre Prioritäten für die zur Verfügung stehenden Baugrundstücke festlegen.
Aber auch die Nachrücker dürfen hoffen: Für die Grundstücke, bei denen es innerhalb der vorgegebenen Zeit nicht zum Kaufabschluss kommt, wird eine zweite Zuteilungsphase gestartet. Zudem muss innerhalb von zwei Jahren mit dem Bau begonnen werden – andernfalls kann die Stadt das Grundstück zurückkaufen. Ende Mai/Anfang Juni könnten die Erschließungsarbeiten bereits beginnen. Ende 2021/Anfang 2022 könnten dann bereits die ersten Grundstücke bebaut werden.
Die Sicht der Betroffenen
Die Kriterien seien nicht zukunftsträchtig, sondern vergangenheitsbehaftet, kritisierte Manuel Schreiber bei der Anhörung der Bürger, die Bürgermeister Burger vor der Abstimmung ermöglichte. So würden Bürger bevorzugt, die sowieso schon in Buchen leben. Wer nach Buchen kommen oder zurückkehren möchte, gehe dagegen leer aus. Benjamin Laber stellte heraus, dass der Wohnsitz nur eines von mehreren Kriterien sei. Wer dort keine Punkte hole, könne dies möglicherweise an einer anderen Stelle ausgleichen.
Die Stadt hätte gerne auch Punkte für Menschen vergeben, die ihre Wurzeln in Buchen oder in der Region haben, ergänzte Bürgermeister Burger. Dieser Passus sei jedoch bei der juristischen Prüfung gestrichen worden. Markus Hoffmann stellte das Kriterium "Arbeitsplatz in Buchen" infrage – schließlich gebe es ja Branchen, in denen es in Buchen keine Stellen gebe. Deshalb sei die Arbeitsplatzwahl in diesem Fall keine aktive Entscheidung des Bewerbers. Auch hier hätten rechtliche Vorgaben den Handlungsspielraum eingeschränkt, sagte Burger. Im Entwurf sei noch ein größerer Radius vorgesehen gewesen.
Die Stellungnahmen aus dem Rat
"Was Buchen ganz besonders ausmacht, sind die Menschen, die sich in ihrer Gemeinde auf so vielen Ebenen engagieren, die unser Leben mitgestalten", sagte Dr. Harald Genwürker (CDU). Es sei nur folgerichtig, dass diese Verbundenheit mit der Region und ihren Menschen bei der Bauplatzvergabe künftig Gewicht haben soll. Und hier sei der Baupilot das fairste Verfahren. Wichtig sei aber auch, dass die Bauplätze, die sich auf der "Marienhöhe" in privater Hand befinden, dem Markt zur Verfügung gestellt werden – damit nicht so viele Lücken wie in der Heinrich-Lauer-Straße oder im Nahholz entstehen.
"Im Vergleich zu den anderen Vergabemöglichkeiten ist der Baupilot nach unserer Einschätzung das gerechtere Verfahren", betonte Martin Hahn (Freie Wähler) – auch wenn es zwangsläufig Verlierer geben werde. "Wir können nun aber sicher sein, dass eine lokal verwurzelte und engagierte Familie mit Kindern auf jeden Fall bessere Chance hat als der Ruheständler aus der Großstadt, der gerne in unser schönes Buchen umziehen möchte."
Auch Johannes Volk (SPD/Grün-Links) sprach sich für das Verfahren aus – wenn auch mehr aus Pragmatismus als aus voller Überzeugung. Der Vergabeprozess habe Schwächen. Sie zu benennen und zu akzeptieren sei aber allemal besser, als die Grundstücke nach Schnelligkeit (Windhundprinzip) oder Finanzkraft (Versteigerung) zu verteilen.
Info: www.baupilot.com/buchen-odenwald
> Familiäre Situation
verheiratet/eingetragene Lebenspartnerschaft: 100 Punkte
mit Partner erziehend/eheähnliche Lebensgemeinschaft: 50 Punkte
alleinerziehend: 50 Punkte
alleinstehend: 0 Punkte
Zahl der Kinder unter 18 im Haushalt:
Drei Kinder und mehr: 450 Punkte
Zwei Kinder: 300 Punkte
Ein Kind: 150 Punkte
Zahl der kindergeldberechtigten Jugendlichen über 18 im Haushalt:
Drei Kinder und mehr: 200 Punkte
Zwei Kinder: 150 Punkte
Ein Kind: 100 Punkte
> Pflege- und Behinderungsgrade
Liegt eine Schwerbehinderung des Bewerbers oder eines im Haushalt lebenden Angehörigen ab einem Grad der Behinderung von 80 Prozent vor?
liegt vor bei zwei Personen: 300 Punkte
liegt vor bei einer Person: 150 Punkte
Liegt eine Pflegebedürftigkeit des Bewerbers oder eines im Haushalt lebenden Angehörigen im Pflegegrad 2 vor?
liegt vor bei zwei Personen: 100 Punkte
liegt vor bei einer Person: 50 Punkte
Liegt eine Pflegebedürftigkeit des Bewerbers oder eines im Haushalt lebenden Angehörigen im Pflegegrad 3 vor?
liegt vor bei zwei Personen: 200 Punkte
liegt vor bei einer Person: 100 Punkte
Liegt eine Pflegebedürftigkeit des Bewerbers oder eines im Haushalt lebenden Angehörigen ab Pflegegrad 4 vor?
liegt vor bei zwei Personen: 300 Punkte
liegt vor bei einer Person: 150 Punkte
> Ehrenamt
Ist der Bewerber Vorstandsmitglied in einem Verein, einer gemeinnützigen Organisation oder einer anerkannten Religionsgemeinschaft oder gewähltes Mitglied eines kommunalen Gremiums, Übungsleiter/Trainer in einem eingetragenen Verein oder Mitglied der Feuerwehr, des THW, des DRK oder einer vergleichbaren Organisation in Buchen?
seit 5 Jahren: 200 Punkte
seit 4 Jahren: 160 Punkte
seit 3 Jahren: 120 Punkte
seit 2 Jahren: 80 Punkte
seit 1 Jahr: 40 Punkte
> Wohnsitz
Seit wie vielen Jahren hat der Bewerber seinen Hauptwohnsitz in Buchen?
5 Jahre: 300 Punkte
4 Jahre: 240 Punkte
3 Jahre: 180 Punkte
2 Jahre: 120 Punkte
1 Jahr: 60 Punkte
> Arbeitsplatz
Seit wie vielen Jahren arbeitet der Bewerber (angestellt oder selbstständig) in Buchen?
5 Jahre: 200 Punkte
4 Jahre: 160 Punkte
3 Jahre: 120 Punkte
2 Jahre: 80 Punkte
1 Jahr: 40 Punkte
> Eigentumsverhältnisse
Ist der Bewerber bereits Eigentümer eines Bauplatzes in der Kernstadt?
Ja: -200 Punkte
Ist der Bewerber bereits Eigentümer eines Wohnhauses in der Kernstadt?
Ja: -200 Punkte
In verschiedenen Kategorien gibt es Maximalpunktzahlen. Insgesamt können höchstens 1550 Punkte erreicht werden. Der genaue Wortlaut der Kriterien ist als Download-PDF rechts oben verfügbar.