Adelsheim

Wie Chorleiter Helmut Wolf das Fieber nach Bergkristallen packte

Jahrzehntelang hat er Bergkristalle in den Alpen gesammelt. Die Jagd nach dem Schatz in den Bergen ist ein beschwerliches und lebensgefährliches Hobby.

16.09.2021 UPDATE: 17.09.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden
Helmut Wolf hat 30 Jahre lang Bergkristalle gesammelt. Fotos: Andreas Hanel

Adelsheim. (ahn) Es ist Nacht und kalt. Nach stundenlangem und beschwerlichem Aufstieg in den Alpen werden zwei Männer, die unter einem überhängenden Felsen an einer Bergwand übernachten, von einem Gewitter überrascht. Erst am nächsten Morgen sehen sie, dass ein Blitz die Spitze einer Eisenstange, die sie nicht unweit von ihrem Schlafplatz am Abend zuvor in den Boden gerammt hatten, abgeschmolzen hatte. Einer der beiden war Helmut Wolf aus Sennfeld. Er dürfte wohl vielen als langjähriger Dirigent verschiedener Chöre bekannt sein. Doch neben der Musik ging der heute 86-Jährige über 30 Jahre lang einer weiteren Passion nach: dem Sammeln von Mineralien.

"Vor vielen Jahren habe ich im Urlaub in Zell am See bei meiner Gastfamilie ein Gebilde auf dem Küchenschrank gesehen", erzählt Wolf. "Das sah aus, als ob es aus Glas wäre." Der Hausherr habe ihm dann erklärt, dass dies ein Bergkristall sei, und dass er selbst ein sogenannter "Strahler" sei. So werden Mineraliensucher genannt, die nach den verborgenen Mineralschätzen im Gebirge suchen. Und auf ihren abenteuerlichen Touren oft ihr Leben aufs Spiel setzten, so der Sennfelder.

Dieser Gefahr ist sich Wolf voll bewusst. Schließlich hat er einen Freund verloren, der vor Wintereinbruch noch eine Kluft in ausgesetzter Lage in einer Steilwand ausräumen wollte. Dabei stürzte er tödlich ab. "Seine Leiche konnte erst im Frühjahr nach der Schneeschmelze geborgen werden", berichtet Wolf, der eines der letzten Fundstücke seine Freundes in seiner Sammlung in Ehren hält.

Während das Risiko und die Strapazen bei der Jagd nach den Mineralien oft hoch sind, ist es der Ertrag meistens nicht. "Oft ist das Plagen umsonst gewesen, weil die Kluft nur Steinbruch enthielt oder ganz leer war", berichtet Helmut Wolf.

"Wir schauen in Felsen nach Verwerfungen", erklärt der Mineraliensammler. Unter anderem mit Hammer, Meisel und einer Eisenstange bewaffnet, suchen sie nach Klüften mit Mineralien. "Da kann es auch schon einmal vorkommen, dass man stundenlang hämmert." Bis – wenn ihnen das Glück hold ist – sie auf einen Kristall stoßen. Diese sind allerdings nicht gleich auf den ersten Blick ersichtlich. "Man braucht viel Erfahrung und muss lange seinen Blick schulen."

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Drei bis vier Mal im Jahr war Wolf früher auf der Suche nach den verborgenen Schätzen in den Bergen unterwegs. "Im Alpenraum ist das Sammeln sehr wetterabhängig", so der 86-Jährige. Das wird – wie eingangs beschrieben – dann problematisch, wenn man mitten am Berg übernachten muss. "Man nimmt oft abends den Aufstieg auf sich, damit man den ganzen nächsten Tag zum Suchen der Mineralien vor sich hat."

Diese werden in neun Klassen eingeteilt, wie Wolf informiert. "Ich habe mich für die Klasse vier, die Oxide und Hydroxide beinhaltet, entschieden."

Doch auch Minerale aus anderen Klassen haben es ihm angetan. Wie zum Beispiel Aragonit-Kristalle. Ein Freund erzählte ihm einst, dass solche bei Saalfelden in Österreich in einem alten Stollen zu finden seien. Dieser sei aber gesperrt und lebensgefährlich.

"Auf mein Drängen beschlossen wir, trotzdem den Einstieg zu wagen", erinnert sich Wolf. "Mit Karbidlampe, Taschenlampe und Kerzen bewaffnet, standen wir dann vor dem nicht einmal mannshohen Eingang. Bäuchlings krochen wir eine lange Strecke in den Berg, während wir ihn auf unseren Rücken spürten." Dann ging es über Jahrhunderte alte morsche Leitern in die Tiefe. "Es war gut, dass ich durch die schlechte Beleuchtung nicht sah, über welch tiefen Schächte wir stiegen, sonst hätte ich den Mut verloren", so der Sennfelder, der eigentlich Höhenangst hat.

"Schließlich habe ich auch einen schönen Kristall gefunden, der mir aber beim Herauskriechen aus der Hand fiel und den ich dann nicht mehr ertasten konnte." Und wieder einmal war eine strapaziöse Tour umsonst. Wie gefährlich der Stollen war, erfuhr Wolf erst später. "Mein Freund erzählte mir erst im Nachhinein, dass erst kurz zuvor ein Vater und sein Sohn im Stollen von Gestein erschlagen wurden."

Doch trotz aller Misserfolge kann Helmut Wolf inzwischen eine beeindruckende Sammlung vorzeigen. Darunter sind auch Prachtexemplare mit zum Beispiel Urwasser, also Wasser, das bei der Kristallbildung eingeschlossen wurde. Oder einem Bergkristall aus dem Ural.

Foto: Andreas Hanel

Der größte in seiner Sammlung ist rund 50 Kilogramm schwer und hat einen Wert von etwa 4000 Euro, wie der Sammler erklärt.

Helmut Wolf ist – auch in seiner Funktion als Chorleiter – viel in der Welt herumgekommen, "von Mexiko bis nach Sri Lanka". Doch inzwischen hat er seine aktive Sammeltätigkeit – zumindest am Berg – eingestellt. "Aufwand und Ergebnis standen in letzter Zeit nicht mehr dafür."

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