Brauereichef Jochen Hardt hält die Woinemer Hausbrauerei auf Kurs. Repro: D
Von Max Rieser
Weinheim. Es ist ein Horrorszenario. Zigtausend Liter Gerstensaft müssen vernichtet werden, weil das Verfallsdatum abgelaufen ist. Die Meldungen über diese Vorgänge nehmen zu. Besonders betroffen sind kleine Brauereien, die ihr Bier vor allem im eigenen Ausschank und nur begrenzt abgefüllt regional verkaufen. Da die Gastronomie nach wie vor geschlossen bleiben muss und auch größere Veranstaltungen und Feste ausfallen, bleibt viel Bier im Tank. Zu den kleineren Erzeugern gehört auch die Woinemer Hausbrauerei.
Selbst wenn die Umsätze durch die Pandemie massiv eingebrochen sind, gibt es hier noch Hoffnung. Inhaber und Braumeister Jochen Hardt erklärt die Situation des Betriebes so: "Wenn man auf einem Schiff ist, ist es bei einem Riesenkahn viel schwerer, die Richtung zu wechseln." Durch einen Zufall war der leichtere Richtungswechsel möglich.
Im November 2019 hatten sich die Weinheimer eine kleine Abfüllanlage zugelegt. Das machte vieles einfacher. Schon vorher wurde das Bier zu einem anderen Unternehmen gefahren, das es in Flaschen füllte. Bei kleineren Mengen von Spezialsorten war dies allerdings nicht möglich, da es eine Mindestmenge für die Abfüllungen gibt. Eine Nachfrage für diese Sorten wie zum Beispiel den "Maibock" oder Craftbeer-Sorten, die sonst nur in der Brauerei ausgeschenkt werden, war aber da.
Der neue Abfüller ermöglichte ihnen im ersten Lockdown, die bereits gebrauten Biere in Flaschen zu füllen und nach und nach abzuverkaufen. So konnte viel gerettet werden. "Das heißt nicht, dass wir nichts weggeschüttet haben. Gerade diese Woche haben wir Weizenbier aus dem Spätsommer vernichten müssen", berichtet Hardt. Das liegt auch daran, dass das Geschäft im Sommer wieder angelaufen war und die Hoffnung bestand, nicht erneut schließen zu müssen. Aus diesem Grund wurden Teile des Biergartens zu einem Wintergarten umgebaut, um in den sowieso schon großzügigen Räumlichkeiten die Abstände zu garantieren. Da aus den Plänen für den Winter durch den zweiten Lockdown nichts wurde, gibt es einen Überschuss, der es nicht in die Flasche schaffen wird.
Doch auch den Gastronomiebetrieb halten die Woinemer weiter hoch. Der Betreiber des von ihnen genutzten Kassensystems bietet seit einigen Monaten eine App an, um Essen online bestellen zu können. Da sich diese noch in der Entwicklung befindet, konnte die Hausbrauerei und allen voran Christiane Hardt auch noch Pionierarbeit leisten: "Am Anfang wurde sehr viel per Telefon bestellt, aber das hat dann nachgelassen. Jetzt geht viel mehr über die App. Und das musste auch sein, alles andere ist nicht mehr modern."
Mittlerweile werden über 85 Prozent der Bestellungen über die App abgewickelt. Die Besucher können sich das Angebot auf dem Handy anschauen und dann per PayPal bezahlen. Und das lohnt sich: "Es hat kurz gedauert, bis die Leute das mitbekommen haben, aber seit Januar ist die Hölle los. Am Wochenende steht die Küche teilweise da wie im Normalbetrieb", berichtet der rührige Brauer.
In diesem Zuge können die Gäste auch das beliebte Bier abholen, da zu den Abholzeiten auch die Schenke geöffnet ist. Viele Stammgäste schätzen das frische, unbehandelte und nun im Haus abgefüllte Bier.
Über die große Nachfrage ist Hardt auch wegen seiner Belegschaft glücklich. Trinkgelder fielen weg, und auch die Kurzarbeit machte vielen zu schaffen. Jetzt kann er nach und nach seine Angestellten wieder in den Betrieb einbinden. Das dynamische Verhalten der Hausbrauerei hat auch etwas mit ihrer Verfasstheit zu tun. Seit 2015 gehört das Brauereigebäude den Betreibern, die hohe Summen in die Modernisierung der Technik investiert haben. Die Firma ist als offene Handelsgesellschaft (OHG) eingetragen. Somit haftet Hardt für alle Verbindlichkeiten persönlich. Auch deshalb sind die fehlenden Umsätze nicht so leicht zu ertragen.
Die Hausbrauerei beliefert sonst auch Veranstaltungen wie das "Maifeld Derby" und Konzerte in der Mannheimer Maimarkthalle oder im Café Central, die vorerst alle ausfallen. Und auch die von ihnen selbst organisierten Veranstaltungen wie der jährliche "Celtic Circle", sind abgesagt. "Wir sind froh, dass alles so gut angenommen wird, und das klingt jetzt auch sehr positiv. Aber man muss sehen, dass wir momentan gerade einmal 18 Prozent vom Normalumsatz haben, und das schmerzt schon sehr", gibt Jochen Hardt zu bedenken.