Der Saal des Alten Rathauses war so voll, dass mehrere Zuhörer stehen mussten, als Hauptredner Joachim Schneider die Umsetzung der "Energiewende" scharf kritisierte. Foto: Dorn
Von Philipp Weber
Weinheim. Der Saal war voll beim fünften Forum "Gegenwind", die Stimmung kämpferisch: Nach dem Scheitern des Weinheimer Teilflächennutzungsplans Windenergie hat die Bürgerinitiative (BI) Gegenwind am Donnerstag im Alten Rathaus ein Moratorium für die lokale Flächenplanung zum Thema gefordert - und ihre Kritik am Land, am Grünen-Landtagsabgeordneten Uli Sckerl und an der Stadt erneuert.
Ehe die Aktiven auf die Lage vor Ort zu sprechen kamen, referierte Joachim Schneider über das Thema "Die deutsche Energiewende - Irrweg staatlicher Planwirtschaft?". In seinem Fazit schloss er sich Kay Scheller an, dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Dieser hatte der Bundesregierung vorgeworfen, bei der Energiewende zu versagen. Angesichts enormer Kosten und einer Vielzahl an Fördermechanismen bleibe der Beitrag zum Klimaschutz dürftig.
Auch bei der Frage, worin die Alternative besteht, teilte Referent Schneider die Meinung der Rechnungsprüfer: Er forderte eine Bepreisung von Kohlendioxid. Einfacher ausgedrückt: Wer Treibhausgas in die Luft bläst, muss zahlen - oder diese einsparen beziehungsweise auf andere Technologien umsteigen. Ihm gehe es nicht darum, Windkraft zu verteufeln, so Schneider. Die Probleme aber seien offensichtlich: Weil die Windräder den Strom nicht unbedingt erzeugen, wenn er benötigt wird, braucht es Speicher. "Bisher ist keine Speicher-Technologie so weit, dass sie so große Energiemengen halten kann", sagte er.
Auch die Netzstruktur in Deutschland sei noch lange nicht darauf ausgerichtet, große Strommengen vom Norden in den Süden zu schaffen: "Es gibt zwar überregionale Trassen, aber diese dienten bislang dazu, einander zu helfen, bei Engpässen." Schneiders Mängelliste ließe sich fortsetzen. Sein Fazit aber war klar: Eine große Solar- und Windkraftlobby, planwirtschaftliche Vorstellungen und der Glaube an klimapolitischen Ablasshandel verhinderten eine rationale Auseinandersetzung.
Andreas Sindlinger von der BI Gegenwind skizzierte das landes- und regionalpolitische Spannungsfeld, in dem sich Weinheim befindet: Seit 1997 gelten Windenergieanlagen in Außenbereichen als privilegierte Bauvorhaben. Es sei denn, es werden Konzentrationszonen ausgewiesen, um "der Windenergie substanziell Raum zu verschaffen". Das betraf Weinheim bis 2012 nicht, weil dese Planung auf regionaler Ebene stattfand und die Stadt in einer Ausschlusszone lag. 2012 übertrug die damalige grün-rote Landesregierung die Flächenplanung den Kommunen, 2015 wurden die Regionalpläne "kassiert".
Aus Sicht der BI-Aktiven eine klare Nötigung: "Die Konsequenz ist, bei der nächsten Landtagswahl entsprechend abzustimmen", so BI-Aktiver Matthias Kraus. Allerdings gilt der alte Regionalplan für die Metropolregion Rhein-Neckar bis heute: Die Nachfolgeplanung ist bislang nicht beschlossen. Heißt: Noch können in Weinheim keine Windräder in die Höhe wachsen. Ein weiteres wichtiges Detail: Während man den Abstand zwischen Windrädern und Wohngebieten im kommunalen Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim auf 1000 Meter festgelegt hat, blieb es auf Weinheims (kleinerer) Gemarkung bei 700 Metern.
Dass die Stadt schon 2012 ins Verfahren einstieg, war aus Sicht von Sindlinger und Kraus falsch: "Man ist den Rufen Stuttgarts voreilig gefolgt." Zwar seien Windenergieanlagen grundsätzlich überall möglich, wenn kein Teilflächennutzungsplan vorliegt. "Doch wer sagt denn, dass sie auch genehmigt werden?", verwies Kraus auf Natur- und Artenschutz. Apropos Naturschutz: Die BI-Aktiven ziehen aktuell ein Gutachten in Zweifel, das die Stadt 2013 beauftragt hatte. Naturschützer Jürgen Herrmann zitierte aus einem Gegengutachten, das die BI veranlasst hatte. Dabei hätten die Experten Hinweise auf zum Teil streng geschützte Fledermausarten gefunden. Fakt ist, dass sich die Weinheimer Behörden 2014 auf das nun abgelehnte Goldkopf-Areal einigten.
Als die Untere Naturschutzbehörde 2016 signalisierte, dass sie der dort notwendigen Aufhebung des Landschaftsschutzes nicht zustimmt, "machte man den Bock zum Gärtner", so Kraus. Grünen-Abgeordneter Sckerl hatte vermittelt - und eine Überprüfung durch übergeordnete Behörden angeregt. Die Aktiven wollen nun ein Planungs-Moratorium, bis der neue Regionalplan da ist. Zumal sich auch bundesweit die Frage stelle, ob Windräder privilegierte Vorhaben bleiben.