Wildschweinplage in Weinheim

"Die oberen Gärten gleichen Schlachtfeldern"

Anwohner beklagen Wildschweinplage, die von Wachenberg ausgehe - Gegen die Tiere helfen nur massive Zäune - Keine Entschädigungen

08.10.2018 UPDATE: 09.10.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden

Unliebsame Eindringlinge: Wildschweine haben unter anderem den Garten des Ehepaares Hahne verwüstet. Fotos: Privat/dpa

Von Günther Grosch

Weinheim. "Wenn wir abends nach Hause kommen, rechnen wir immer damit, nicht ins Haus zu gelangen, weil eine Rotte Wildschweine dazwischen steht": Von einer "Riesenschweinerei" sprechen nicht nur Günther und Bettina Hahne. Auch FDP- Altstadtrat Günter Breiling und die übrigen Anwohner rund um die Hegel- und Kantstraße leben "seit Jahren" mit einer vom Wachenberg ausgehenden und immer gravierender werdenden Plage durch Wildschweine, die ihre Gärten "ungerufen umgraben". Die drei haben sich stellvertretend an die RNZ gewandt.

Dieses Jahr habe bisher "alles übertroffen", erzählt das Ehepaar Hahne und legt aktuelle "Beweisfotos" ihres verwüsteten Vorgartens vor: "Und das ist nicht nur einmal geschehen. Die Schweine kommen regelmäßig den Wachenberg herunter und laufen sogar die Straße entlang." Der städtische Hausmeister Thomas Neitzel bestätigt auch "ständige Einbrüche ganzer Wildschweinrotten" in den Gärten der waldnahen Wohngebiete am Hirschkopf und Geiersberg, in Lützelsachsen sowie in der Nähe des "Kriegerdenkmals Höhe 304", wo er selbst ein Gartengrundstück bewirtschaftet.

"Die oberen Gärten gleichen Schlachtfeldern!", berichtet er. Was an einen Vorfall vom Februar 2017 erinnert, als eine sieben Wildschweine zählende Rotte sogar auf dem Marktplatz "spazieren" ging und zwei Tiere im Kleinen Schlosshof und auf dem Minigolfplatz Stadtluft schnupperten (die RNZ berichtete). Für eine sechs Monate alte Bache endete der Ausflug seinerzeit tödlich. Bei ihrem Fluchtversuch in Richtung Rote Turmstraße brach sie sich einen Vorderlauf und blieb vor dem Bistro "Montmartre" liegen.

Der herbeigerufene Jagdpächter Johannes Roth erschoss daraufhin das Tier, nachdem er zuvor vom Polizeipräsidium Mannheim dafür die erforderliche Schussfreigabe erhalten hatte.

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Letzteres zeigt auch das Dilemma, in dem die Jagdpächter stecken. "In bewohnten Gebieten dürfen die Wildschweine nicht einfach gejagt und geschossen werden, weil die Gefahr für die hier wohnenden Menschen zu groß wäre", weist Stadtsprecher Roland Kern Anschuldigen zurück, die immer wieder auf das Wildschweinproblem angesprochene Verwaltung würde "in Untätigkeit verharren". "Uns sind in diesem Fall die Hände gebunden", sagt Kern. Ausnahmeregelungen zum Abschuss in Wohngebieten könne nur das Kreisjagdamt erteilen. Wie Weinheim seien auch andere Städte und Gemeinden von der Plage massiv betroffen, verweist der Stadtsprecher unter anderem auf "dramatische Vorfälle" in Berlin. Man habe mittlerweile reagiert und den am Wachenberg gelegenen Alten Friedhof als beliebtes Ziel von Spaziergängern weitläufig eingezäunt.

Ein Zaun sei wohl auch der einzige Schutz, den die Anwohner um ihre Grundstücke und Gärten anbringen könnten. Allerdings, und auch das bestätigen Anwohner: Ist der Zaun nicht zu massiv oder tief genug im Erdreich verankert, würden ihn die Wildschweine "untergraben" und dennoch auf das Grundstück gelangen.

Und wie soll man sich verhalten, wenn man einem ausgewachsenen Schwarzkittel begegnet? "Nicht wegrennen, aber möglichst Deckung suchen", rät in einem solchen Fall der Jagdpächter. Dies könne auch schon eine Mülltonne sein. "Wildschweine können nach oben hin nur schlecht sehen und noch schlechter zubeißen". Die Wildschweinplage sei ein europaweites Problem, bestätigt auch der für den Wachenberg zuständige Jagdpächter Dietmar Fischer. Der Klimawandel erschwere es den Jägern im Winter, den Tieren nachzustellen, weil sich ohne Schnee deren Spuren schlecht verfolgen lassen.

Eine mögliche Antwort auf die Frage, warum die Wildschweine das Wohngebiet so stark heimsuchen, weiß Günter Breiling. Die zunehmende Verwilderung der oberhalb der Bebauung liegenden ehemaligen Schrebergärten nennt er hierfür als Hauptgrund. "Sie bieten den Tieren tagsüber Sichtschutz und Unterschlupf und stellen in der Nacht die ideale Ausgangsbasis für ihre nächtlichen Beutetouren dar".

So bleibt auch dem Ehepaar Hahne wie den anderen "von der Sauerei" Betroffenen nichts weiter übrig, als ihre Grundstücke mit einem massiven Zaun zu sichern. "Bestellt ist er bereits", so Günther Hahne: "Aber vor November kann er wohl nicht geliefert werden". Bis dahin hofft er, vor weiteren Wildschweinattacken verschont zu bleiben. Die Hoffnung auf Entschädigungszahlungen oder Zuschüsse beim Bau von Schutzzäunen hegt unter den Betroffenen niemand mehr. Diese würden nur bei Wildschäden in landwirtschaftlichen Kulturen geleistet, hieß es von amtlicher Seite.

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