Mit 18 Weinbaubetrieben, -gütern, Genossenschaften und Weinfachgeschäften war die "süffigste aller Meilen" rekordverdächtig bestückt. Fotos: Kreutzer
Von Günther Grosch
Weinheim. Irgendwie muss Petrus ein schlechtes Gewissen gehabt haben, nachdem er am vorvergangenen Wochenende den Umzug des 72. Bergsträßer Winzerfests ins Wasser hatte fallen lassen. Nach sieben Tagen Regenwetter strahlte am vergangenen Wochenende jedenfalls goldener Oktober-Sonnenschein über der Bergstraßenregion, in der schon die Römer Wein angebaut hatten. Ideale Voraussetzungen für die Weinheimer Weinmeile, die erstmals von OB Manuel Just und gleich zehn Weinhoheiten mit einem "Fake"-Korkenschnitt eröffnet wurde.
"Fake" ("Fälschung") deshalb, weil City-Managerin Maria Zimmermann, des alljährlichen Neu-Auffädelns der annähernd mehr als 100 Korken leid, seit einigen Jahren mit Argusaugen darüber wacht, dass die Schere nicht wirklich das Band zerschneidet. "Kennst du einen Winzer und der hat gute Weine, dann halt dich gut mit ihm, sonst trinkt er sie alleine", reimte Hessens Gebietsweinkönigin Jana I., während die Badische Weinprinzessin Sandra Etsch die Besonderheit der Weinheimer Weinmeile unterstrich. Nirgendwo sonst im "Reben-Universum" sei es üblich, dass sich benachbarte Weingüter über Ländergrenzen hinweg gemeinsam präsentierten, so die Weinhoheit. Zwar seien Hessen und Baden landespolitisch gesehen getrennt, "aber in jahrhundertelanger Weintradition zusammengewachsen und im Herzen eine große Weinfamilie".
Schönster Goldener Oktober-Sonnenschein herrschte über der Weinheimer Weinmeile. Da kamen die Gäste in Scharen. Fotos: Kreutzer
Über den Wein werde das gelebt, was auf politischer Ebene noch besser werden könnte, spann OB Just den Faden weiter. Er sei zwar ein überzeugter Demokrat, ordne sich an einem "Festtag des Weines" aber gern der Monarchie der Weinhoheiten aus Schriesheim, Lützelsachsen und Hemsbach unter.
Mit 18 Weinbaubetrieben, Weingütern, Genossenschaften und Weinfachgeschäften zeigte sich die "süffigste aller Meilen" zwischen der noch immer eingehausten "Reiterin" und der Grabengasse rekordverdächtig bestückt. Premiere feierten das Weingut Kühnert aus Alsbach-Hähnlein, die Odenwälder Winzergenossenschaft Vinum Autmundis (Groß-Umstadt) und die Weingenusschaft Mundkingen aus Seeheim-Jugenheim.
Zu den seit Jahren bewährten Gästen zählen die Weingüter Clauer (Heidelberg), Mohr (Bensheim), Schröder (Heddesheim-Muckensturm), Teutsch (Hirschberg-Leutershausen), Jäck (Schriesheim), Raffl (Hohensachsen), Simon-Bürkle (Zwingenberg), Freiberger (Heppenheim) und Bielig (Schriesheim). Abgerundet wurde das Defilee der Weinbaubetriebe durch die Weinkellerei Rothweiler (Bensheim), die Weinmanufaktur Dossenheim, die Winzergenossenschaften Heppenheim, Hemsbach und Schriesheim, die Domäne Bergstraße sowie die Odenwälder Winzergenossenschaft. Genug Auswahl also an trockenem Silvaner und Gewürztraminer, halbtrockenem Müller-Thurgau, lieblichem Ruländer sowie süffigen Rosé- und Rotweinen.
Für Johannes Teutsch "gelten Gespräche übers Wetter normalerweise als nicht besonders geistreich". Zur Beschreibung des 2018er-Jahrgangs müsse er jedoch eine Ausnahme machen, so der Winzer, der in seinem Verkaufsprospekt aus einer Tageszeitung zitierte. Die Natur habe es mit den deutschen Winzern im Jahr 2018 und dem wohl üppigsten und vielleicht sogar besten Jahrgang seit 1999 besonders gut gemeint, heißt es da. "Dies herauszufinden liegt jetzt aber wie immer bei uns allen", so Teutsch. Was die Qualität und Gesamtmenge des 2019er betrifft, habe der Regen den Reben zuletzt doch noch etwas zugesetzt, so Stefanie Berg vom Vinum Autmundis. Dennoch ist man auch hier mit den eingefahrenen Leseergebnissen zufrieden.
Bensheimer "Wine-e-motions" servierten die Weingüter Freiberger und Mohr sowie die Weingenussschaft Mundklingen mit Riesling-, Rotwein-, Speck-Käse-Zwiebel- und Früchtekuchen aus der Dose. Mit seinem "Genuss-Cargo-E-Bike" war Wolfgang Bund aus Bensheim angeradelt, während Annette, Günter und Paul Berg mit "Bergsträßer Krachern" auf sich aufmerksam machten: "Handgemachter und mit verschiedenen Füllungen angereicherter Strudelteig" als ideale Zutat zu den Weinen.