Von Philipp Weber
Weinheim. Sie hat zum "Jetset" gehört: Sonja Kreye (41) hat kein Problem damit, das zu sagen. Von 1997 bis 2014 hat sie weltweit Motorsportprojekte betreut - und dabei mit Menschen wie Patrick Dempsey, Bernie Ecclestone oder Timo Glock zusammengearbeitet. Dann kam eine Krise - aus der ein neues, noch erfolgreicheres Geschäftsmodell hervorging. Die RNZ traf die zweifache Mutter in ihrem Haus oberhalb der Gorxheimer Talstraße, wo Weinheim nur aus kleinen Häuschen, Gärten und Wald zu bestehen scheint.
Frau Kreye, man hört den Begriff "Jetset" häufiger. Was bedeutet er für Sie?
Zunächst geht es darum, dass man viel mit dem Flugzeug unterwegs ist. Auch ich hatte als Vielfliegerin eine Senator-Card. Der Begriff meint aber auch, dass man nah dran ist an Stars und Sternchen - sowie Menschen, die viel Geld haben. Und ja, da gehörten auch Flüge im Privatjet und entsprechende VIP-Partys dazu.
Sie sind in Wahlen aufgewachsen. Was hat Sie in diese Welt verschlagen?
Ein Praktikum. Ich habe mit Anfang Zwanzig in Heidelberg eine berufsbegleitende Ausbildung gemacht. Als eine Praktikumsphase begann, habe ich mich in Hockenheim an der Rennstrecke beworben, bei einem Unternehmen, das damals dort ansässig war. Hauptgesellschafter war Bernie Ecclestone (bis 2017 Geschäftsführer der Formel-1, Anm. d. Red.). Zunächst war ich dort angestellt, dann habe ich mich selbstständig gemacht.
Der Anfang einer langen Reise durch die Welt des Motorsports.
Zunächst habe ich für das Joest Racing Team unter anderem die Marketingarbeit gemacht sowie PR- und Sponsoringaufgaben übernommen. Von 2003 bis 2005 habe ich den Aufbau der internationalen Rennstrecke von Schanghai begleitet. 2004 kam noch die Betreuung des Großen Preises von Frankreich (Magny Cours) dazu, wo ich den Betrieb und die Organisation des Pressezentrums übernommen habe. Von 2005 bis 2010 habe ich für die Motorsport-Sparte von Porsche gearbeitet. Hier lag der Schwerpunkt darauf, den Porsche-Rennstall in den USA zu etablieren. Von 2011 bis 2014 habe ich noch Aufträge für "BMW Motorrad Motorsport" angenommen.
Das klingt, als ginge im Motorsport ohne Geld und Marketing gar nichts.
Das stimmt heute mehr denn je. Sebastian Vettel war wohl einer der letzten Formel-1-Sportler, die es aus einem normalen Haushalt nach oben geschafft haben. Heute braucht jeder Fahrer sein eigenes Marketing- und Sponsoringkonzept. Auch einflussreiche Verwandte sind hilfreich. Das liegt auch daran, dass das ganz große Interesse am Motorsport abgenommen hat.
Sie haben den Formel-1- und späteren DTM-Star Timo Glock beraten, aber auch viele andere Sportler und Unternehmer kennengelernt. Gab es jemanden, der Sie besonders fasziniert hat?
Mich haben die Unternehmer mehr beeindruckt als die Sportler. Was daran liegt, dass ich selbst keine Motorsportlerin bin und unternehmerisch denke. Im Nachhinein fand ich Richard Branson (britischer Unternehmer und damals Teilhaber eines Formel-1-Rennstalls, Anm. d. Red.) sehr faszinierend. Er war sehr nahbar, hat den Kontakt zur Basis gesucht. Eines Tages saß er plötzlich bei mir am Tisch und fragte: "What are you working on?" Auch Roger Penske (US-Geschäftsmann) ist ein nahbarer Typ. Allgemein pflegen angloamerikanische Unternehmer einen lockereren Umgang als deutsche.
Was sagen Sie zu Bernie Ecclestone?
Natürlich, seine Management-Methoden waren umstritten. Er war aber auch extrem loyal. Wer einmal zur "Familie" gehörte, wurde nicht fallen gelassen. Übrigens tragen die Unternehmer in diesem Geschäft genauso hohe persönliche Risiken wie die Sportler: Ecclestone hätte mit seinem Formel-1-Konzept auch leicht scheitern können. Und die Leistungssportler haben das Risiko, dass ihre Karriere nicht so funktioniert wie erhofft.
Wie geht es Michael Schumacher?
Ich habe ihn sehr früh in meiner Karriere kurz kenngelernt, 1999. Ich hatte kürzlich Kontakt zu seiner Managerin. Aber die lässt nichts raus, niemandem gegenüber.
Die Formel-1 gilt als ähnlich männerdominiert wie der Profifußball. Wie haben Sie sich durchgesetzt?
Ich bin im Odenwald aufgewachsen und fand das schön. Der Umgangston dort ist rau, ohne dass man böse aufeinander ist. Ich kann gut zwischen Sache und Person unterscheiden. Und ich denke, ich bringe Eigenschaften mit, die die Gesellschaft als "männlich" definiert. Ich konnte schon mal losgelegen und sagen, was mir nicht passt. Bei einem Mann hätte es vielleicht sogar geheißen: "Wow, der gibt Gas." Natürlich gab es im Rennsport aber auch mal blöde Sprüche. So wollten mich einige zu den Grid-Girls stecken- die es heute zum Glück nicht mehr gibt.
Wann wollten Sie aussteigen?
Ein einzelner Moment war es nicht. Zum einen verlor das Ganze seinen Reiz. Von vielen Orten, die ich bereist hatte, habe ich nur die Rennstrecke gesehen. Andererseits wurde der Wunsch größer, eine Familie zu gründen. Den Mann dazu hatte ich auf einer Flugreise kennengelernt (lacht). Letztlich wollte ich mich neu definieren. Ich hatte meine Expertise aus Motorsport und Marketing mitgenommen und mir ein Konzept überlegt. Ziel war es, ein orts- und zeitunabhängiges Geschäft zu führen. Inzwischen vertreibe ich online Trainingsprodukte für Coaches, Experten und Dienstleister, die Kunden gewinnen wollen. Ich biete dabei Selbstlernversionen oder Betreuung an. Es ist also ein skalierbares Konzept.
Hatten Sie nie Zweifel, ob das klappt?
Oh ja, die hatte ich. Ich habe noch einmal bei Null angefangen, bei großer Konkurrenz. Für mich wäre so etwas wie ein Halbtagsjob als Angestellte aber nicht infrage gekommen. Was ich tue, ist meine absolute Leidenschaft. Mein Hauptanliegen und der Grund, warum die meisten meiner Kunden zu mir kommen, ist, anderen Unternehmern zu zeigen, dass es möglich ist, ein weitgehend orts- und zeitunabhängiges Business zu führen.
Was zog Sie nach Weinheim?
Mein Mann arbeitet für eine Unternehmensgruppe mit einem der Standorte in Affolterbach. Ganz in den Odenwald ziehen wollten wir aber nicht, auch wenn meine Eltern dort leben. Hier im Osten Weinheims ist es wie in einem Dorf. Die Leute grüßen einen auf der Straße, man ist mit den Kindern gut eingebunden. Andererseits kann man zu Fuß auf den Marktplatz gehen und von den vielen Veranstaltungsangeboten profitieren. Eine tolle Mischung!