Susanne Tröscher. Foto: Dorn
Von Philipp Weber
Weinheim. Der Abschluss der Erklärung hatte es in sich: Seit der Verhinderung eines Großbordells auf dem Gelände der Hildebrand’schen Mühle und einer gewerblichen Entwicklung der Breitwiesen wüssten die Wähler, wofür sie steht, sagte Susanne Tröscher am Mittwoch im Gemeinderat.
Trotzdem oder gerade deswegen habe sie ein hohes Stimmenergebnis erzielt: "Es scheint aber in der Partei üblich zu sein, dass man sich lieber von jenen Frauen verabschiedet, die ihre eigene Meinung vertreten, statt von jenen Mitgliedern, die eher am rechten Rand fischen gehen." Verabschiedet hat sich nun auch Tröscher. Bevor der Gemeinderat in die Tagesordnung eintrat, erklärte die seit 2004 amtierende Stadträtin ihren Austritt aus der CDU-Fraktion. Sie will ihr Mandat nun als Einzelstadträtin ohne Bindung an eine Fraktion ausüben.
Tröscher wirkte danach weder wütend noch deprimiert. Im Gegenteil: Es schien, als habe sie sich von einer Zentnerlast befreit. Ihre nunmehr ehemaligen Fraktionskollegen würdigten sie keines Blickes. Ihr Nebenmann Thomas Ott drehte ihr fast die ganze Sitzung über den Rücken zu – was selbstredend auch Zufall gewesen sein kann.
Anders verhielt es sich bei den Vertretern der übrigen Fraktionen: Im Verlauf der von vielen Auszählvorgängen unterbrochenen Sitzung traten einige an Tröschers Tisch, um ein paar Worte mit ihr zu wechseln. Dass Christina Eitenmüller (heute: Freie Wähler) darunter war, überrascht kaum. Schließlich hatte Tröscher in ihrer Erklärung den Bogen ins Jahr 2014 gespannt: Im Vorfeld der damaligen Kommunalwahlen hatte sich die CDU Weinheim mehrheitlich geweigert, Eitenmüller und Elke König als Ratskandidatinnen aufzustellen.
Auf ihrer eigenen Meinung hatte Tröscher vor allem beim Thema Gewerbeentwicklung beharrt: Sie sei nicht grundsätzlich gegen Impulse für Industrie und Gewerbe, sagte sie in ihrer Erklärung. Aber so lange es in Deutschland Brachflächen gibt, dürfe "kein weiterer Acker vernichtet werden". Aus Sicht der Agraringenieurin sprechen grundlegende Argumente gegen eine weitere Umwidmung von Ackerland: Nach Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) blieben der Menschheit im besten Falle noch um die 60 Ernten, "dann reicht es nicht mehr für die Weltbevölkerung", so Tröscher.
Ein Umdenken sei angezeigt, besonders was die Wertigkeit von Gütern aus der Region betrifft. Christdemokratin Tröscher sieht in ihrer Position keinen Widerspruch zum Wahlprogramm der Bundes-CDU. Was an der Basis geschieht, stehe dagegen nicht nur bei der CDU unter dem Motto "Was die da oben sagen, ist uns hier unten egal!". Es würden einfach weiter Gewerbeflächen ausgewiesen, sagte Tröscher. Folglich setze sie sich unter anderem bei dieser Thematik für Bürgerentscheide ein.
Dieses Engagement – auch in der Nachbarkommune Hirschberg – ist ihr nicht bekommen, jedenfalls nicht in der CDU Weinheim. Ihrer eigenen Darstellung zufolge entzog ihr die Fraktion zunächst ihre Rolle als Mitvertreterin der CDU im 2021 startenden Projekt "Zukunftswerkstatt". Dann wurde Tröscher im Verlauf einer Fraktionssitzung auch noch aus dem Ausschuss für Technik, Umwelt und Stadtentwicklung (ATUS) gewählt. Gleiches widerfuhr Helge Eidt, wobei sich die Fraktion beeilte, diesen "Kollateralschaden" rasch wieder gut zu machten: Eidt darf seinen Sitz im Ausschuss behalten. Für Tröscher kommt nun der stellvertretende Fraktionschef Ott. Er und Fraktionsvorsitzender Heiko Fändrich verzichteten auf sofortige Gegenrede. Stattdessen verteilten sie eine Presseerklärung. Darin nehmen sie den Austritt Tröschers "mit Bedauern" zur Kenntnis und danken ihr für ihr bisheriges Engagement.
Der Rest der Mitteilung lässt erahnen, dass der Eklat eine Vorgeschichte hat: Basis für erfolgreiche politische Arbeit sei, dass man sich auf ein Wahl- bzw. Arbeitsprogramm verständige, verweist die Fraktion auf die Weinheimer CDU-Agenda "Lust auf Zukunft". Darin heißt es: "Wir werden uns weiter für die Entwicklung eines verkehrsgünstig gelegenen Gewerbegebietes einsetzen, um ein attraktiver Standort für heimische und ansiedlungswillige Unternehmen zu bleiben." Gemeint sind damit nicht die (Klein-)Gebiete Hintere Mult oder Langmaasweg, sondern großflächigere Entwicklungen. Im Gespräch sind die Gebiete Breitwiesen, Hammelsbrunnen und Tiefgewann.
"Nachdem diese Basis im Verlauf der letzten Monate mehrfach infrage gestellt beziehungsweise durch aktives Handeln konterkariert wurde", sei Tröschers Austritt folgerichtig, so die Fraktion.