Von Philipp Weber
Weinheim. Es hat rund achteinhalb Millionen Euro gekostet, ist seit Ende des vergangenen Jahres in Betrieb - und soll angehende Mitarbeiter von Freudenberg und 30 weiteren Firmen fit machen für die digitale Zukunft: das neue Bildungszentrum im Weinheimer Industriepark. Während sich in der Glasfassade des Neubaus das benachbarte, ebenfalls moderne Freudenberg-Verwaltungshaus spiegelt, sind die Tage der früheren, 53 Jahre alten Lehrwerkstatt längst gezählt.
Als Freudenberg-Ausbildungsleiter Rainer Kuntz unlängst zum Presserundgang bittet, stehen im Bürotrakt des Bildungszentrums noch viele Kartons herum. Auch für die 15 Festangestellten, die unter anderem Bewerbungsunterlagen sichten und 70 Ausbildungsplätze pro Jahr auf 1000 Bewerber verteilen, ist der Umzug vom alten ins neue Ausbildungsgebäude eine Zäsur.
Der 2300 Quadratmeter große, zweistöckige Neubau ist indessen nur einer von mehreren Schritten in die Zukunft. "Vor einigen Jahren haben wir unser gesamtes Portfolio auf den Prüfstand gestellt", erläutert Ausbildungschef Kuntz. Tatsächlich hat es in einigen Berufsbildern Änderungen gegeben. Insgesamt bedeutet für Kuntz das Thema Digitalisierung aber keineswegs, dass "alte" Berufe verschwinden und "neue" Jobs entstehen. Er sieht eher eine Transformation vorhandener Berufsbilder auf die Arbeitswelt zukommen.
Für die Ausbildung bedeutet dies unter anderem, dass es endgültig nicht mehr darauf ankommt, einige wenige Fähigkeiten zu beherrschen. Vielmehr als früher zählen nun Eigeninitiative und der Überblick über Prozesse. Das wird auch beim Gang durch das neue Bildungszentrum deutlich. In der Mediathek im Obergeschoss können sich die Auszubildenden interaktive Lerninhalte selbst aneignen. Einige Schritte weiter, im Gruppenraum wird im Team gelernt. Noch einen Raum weiter, im PC-Schulungsraum kommen unter anderem 65 Zoll große Bildschirme mit Touchscreen zum Einsatz. Und an den Arbeitsplätzen der angehenden Elektroniker zeigt sich beispielhaft, wie ernst aktuelle Sicherheitsstandards genommen werden. Die Energiezufuhr kommt von oben, jeder Platz hat einen Notknopf, der Kabelsalat auf dem Boden ist passé.
So richtig greifbar wird die Zukunft aber erst im Erdgeschoss: Student Lev Löwen stellt gemeinsam mit Ausbildungsleiter Kuntz die Miniatur- und Lernversion einer Fabrik 4.0 vor. Der junge Mann kontrolliert am Großbildschirm, wie chipgesteuerte Produktionsteile - vollkommen realitätsgetreu - vom Hochregallager in die Produktionsstraße fahren, dort Bohrstation und Montageroboter erreichen.
Von dem neuen Bildungszentrum profitiert indessen nicht nur Weinheim: Rund 220 Auszubildende lernen hier, junge Menschen aus der ganzen Region. Darunter zum Beispiel auch Azubis aus der Mannheimer Dependance von Coca Cola. Die Kooperationen greifen nicht nur bei der Ausbildung selbst, so Rainer Kuntz: "Wenn wir Freudenberger einem talentierten Bewerber absagen müssen, leiten wir ihn unter Umständen an unsere Verbundpartner weiter." Wenn die Auszubildenden nicht da sind, wird das Gebäude auch für Fort- und Weiterbildungen genutzt. Daher der neue Name Bildungszentrum.
Stolz ist man bei Freudenberg auch auf die neuen Arbeitsplätze für Schweißer, wo Sicherheit ebenfalls an erster Stelle steht. Auch die Spinde sind hochmodern, eine Art Lüftung lässt verschwitzte Kleider trocknen, ehe der nächste Arbeitstag beginnt.
Kuntz’ Fazit: "Unsere Ausbildung ist schon immer sehr stark bewertet worden. Aber die alte Lehrwerkstatt war zuletzt immer ein kleiner Schwachpunkt." Unter anderem, weil die einzelnen Lernbereiche kaum voneinander separiert waren. Jetzt kann man das Ausbildungsgebäude herzeigen - und will dies auch tun. Vom 3. bis zum 5. Mai laufen die Tage der offenen Tür.