Von Günther Grosch
Weinheim. Wenn es um die Stadtgeschichte geht oder es sich um Fragen zu anderen historischen Wissensgebieten und Ereignissen handelt, ist Weinheims Stadtführer Franz Piva ein wandelndes Lexikon. Auch zum RNZ-Tagesthema kann er zahlreiche Details beisteuern. "Vor rund 50 Millionen Jahren, zu Beginn des Tertiär-Zeitalters, setzte die Bildung des Oberrheingrabens mit einer Ausdehnung von Basel im Süden bis Mainz im Norden ein", erklärt er. "Seine Länge beträgt etwa 300 Kilometer, seine Breite rund 35 Kilometer." Entstanden ist das Ganze durch eine Abwärtsbewegung der Grabensohle und eine Aufwärtsbewegung der Grabenschultern im Lauf von Jahrmillionen. Tatsächlich zeigt sich die Rheinebene bei Weinheim weitgehend eben.
Am Ausgang der "Bach"-Täler von Sulzbach, Hemsbach und Laudenbach liegen mehr oder weniger mächtige Schwemmfächer (Lössboden), die aus dem Geschiebe der Odenwaldbäche bestehen. Besonders groß zeige sich dabei der "Weschnitz-Schwemmfächer", so Piva. Er reicht von der Weinheimer Weststadt bis Hemsbach und Hüttenfeld.
Auch der Neckar floss Ende der letzten Eiszeit noch bis Bensheim an der Bergstraße entlang (siehe weiteren Bericht auf unserer Seite Metropolregion). Vom heutigen Bensheim aus ging es weiter in nordwestlicher Richtung, wo sich der Neckar bei Trebur mit dem Main vereinigte. Vor dort mündeten beide Flüsse nach kurzer Strecke in den Rhein. "Vor etwa 8900 bis 10.800 Jahren gelang dem Neckar der Durchbruch durch die Dünenkette zwischen Seckenheim und Feudenheim, die ihm bis dahin den direkten Weg zum Rhein versperrt hatte."
Entlang der Bergstraße blieben alte Neckarschlingen zurück, die im Laufe der folgenden Jahrtausende verlandeten. In einigen von ihnen entstand dabei Torf. An den ehemals hier vorkommenden Sumpf- und Moorpflanzen ist nur noch ein Rest dieser Flora vorhanden, sagt Piva und nennt als Beispiele den "Sumpf-Haarstrang" und die "Sumpf-Wolfsmilch" im Naturschutzgebiet Neuzenlache sowie in den Rohr- und Gänswiesen zwischen Hemsbach und Laudenbach.
Die alten Neckarläufe seien bis heute zu erkennen, so Piva. Im Süden ragt der riesige Schwemmfächer des früheren Neckars bis in die Höhe von Großsachsen. Piva: "Im Westen schließt sich ein Flugsandsteingebiet an, bei Muckensturm in Richtung Viernheimer Wald." Dieser Sand wurde wie der Löss Ende der letzten Eiszeit aus den Rheinsedimenten vom Wind ausgeblasen. Da er jedoch schwerer als Löss ist, wurde er noch in der Rheinebene wieder in mehrere Meter mächtigen Schichten abgelagert. "Im Lauf der Jahrtausende bildeten sich die Dünen."
Ein anderer alter Neckarlauf befindet sich im Bezirk Waid. "Wobei der Hammerweg genau auf der Oberkante des ehemaligen Ufers verläuft", erläutert Piva. Die Ofling dagegen liegt vollständig in einem alten Neckarbett. Wovon die etwa 1200, in Waid und Ofling lebenden Bewohner nicht nur bei Starkregenfällen ein Lied zu singen wissen. Zu ihnen gehören auch Margarete Wacker und Marianne Schneider. Als Wackers Eltern Mitte der 1950er-Jahre dort ihr Haus bauten, hätten sie von den auf sie zukommenden Problemen mit dem Lehmboden sowie den verschiedenen, mal schon ab 1,50 Meter bis erst in fünf Meter Tiefe anzutreffenden Kiesebenen nichts geahnt. Bis in diese Tiefe mussten die ab den 1960er-Jahren vorgeschriebenen Pfahlgründungen reichen, damit die Fundamente der Häuser auf festem Grund stehen. Zuvor gebaute und mehr oder weniger schief stehende Häuser legen davon Zeugnis ab.
Ob in Allmend-, Berliner-, Erfurter- oder Sudetenstraße: Wegen des dortigen hohen Grundwasserspiegels wurden in der Zwischenzeit in viele der Häuser Hebeanlagen eingebaut. Bis zu einem Meter hoch habe immer wieder einmal das Wasser in der ehemaligen Grundschule und im Turnsaal des heutigen Kindergartens Waid gestanden, weiß Wacker. Wegen ihrer unter Wasser stehenden Keller "weggezogen" sei ihres Wissens nach aber niemand. "Die Menschen auf der Waid bilden eine verschworene Gemeinschaft", ergänzt Marianne Schneider mit Galgenhumor. Wer könne schon von sich behaupten, er habe hin und wieder ein Schwimmbad im Keller, dessen Bau ihn nichts gekostet hat.
Ähnliches gilt es von der Ofling zu sagen. Auch hier handelt es sich um ehemaliges Neckar-Schwemmland, wovon ein bis heute vorhandener Teich Zeugnis ablegt. Sogar eine Erhöhung des hier befindlichen, etwa 1,50 Meter hohen Damms werde immer wieder gefordert, weiß Wacker. Auch die Stadtverwaltung kann Probleme mit dem Untergrund nicht leugnen. Der immer wieder ins Spiel gebrachte Vorschlag, im Wechsel oder alternativ zu den Sommernachtskonzerten im Schlosspark auf dem Waidsee-Gelände jeweils eine tonnenschwere Bühne aufzubauen, scheiterten an der wenig tragfähigen Beschaffenheit des Untergrunds, der erst unter hohem finanziellen Kostenaufwand stabilisiert werden müsste.
In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass der städtische Eigenbetrieb Stadtentwässerung den Neubau eines Regenrückhaltebeckens sowie eines Pumpwerks in der Waidallee vornimmt. Im November 2018 und Juli dieses Jahres bereits beschlossen wurden die Vergaben und die Ausführung von Stahlbeton- und Kanalbauarbeiten sowie die Arbeiten für die Maschinen- und Elektrotechnik für die Errichtung des Erdbeckens.
Im Ausschuss für Technik, Umwelt und Stadtentwicklung am Mittwoch, 2. Oktober, um 17.30 Uhr, sollen nun auch Erdarbeiten, Drainage und Abdichtungsarbeiten zum Neubau des Erdbeckens mit Anbindung an das Pumpwerk vergeben werden. Kostenpunkt: rund 587.000 Euro.
Franz Piva. Foto: Dorn