Mehr grün und weniger Steine in Weinheim
Naturschützer übergaben Liste für "Blühende Städte und Dörfer an der Bergstraße" an Oberbürgermeister Just

Von Günther Grosch
Weinheim. Ob vor oder hinter dem Haus: In Deutschlands Gärten machen sich mehr und mehr die Steine breit. "Aus ökologischer Sicht ist diese Entwicklung eine Katastrophe", warnen Jörg Steinbrenner und Siegfried Gross vom BUND Weinheim sowie ihr Kollege Egon Müller vom BUND Hirschberg.
Erfahrungen zeigen, dass die "Steinwüsten", zusätzlich verstärkt in Verbindung mit sogenannten Gabionenwänden, nicht nur zu einer Verarmung der Tier- und Pflanzenwelt beitragen: "Sie wirken sich auch schädlich auf das Kleinklima im Wohnumfeld aus."

Um das Insektensterben und den Klimawandel aufzuhalten, braucht es auch in den Städten und Dörfern mehr Natur, so das Trio gegenüber Oberbürgermeister Manuel Just. Heimische Kräuter, Sträucher und Bäume in privaten und öffentlichen Gärten könnten einen wichtigen Beitrag leisten - und Zierrasen und Steinwüsten ersetzen.
Wo es Geld kostet, trennt sich Spreu vom Weizen
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Grund für den Besuch von Steinbrenner, Gross und Müller waren 300 Unterschriften, welche die Mitglieder der beiden BUND-Ortsgruppen während des im April gefeierten vierten Blütenwegfestes und der darin integrierten Blütenweg-Wanderung gesammelt hatten.
Darin werden der Oberbürgermeister und der Bürgermeister sowie die Gemeinderäte von Weinheim und Hirschberg aufgefordert, sich stärker für blühende und naturnähere Gärten in den Städten und Gemeinden an der "Blühenden Bergstraße" einzusetzen. "Dies könnten Fördermaßnahmen, Auflagen in Bebauungsplänen oder eine Baumschutzsatzung sein", erläuterte der stellvertretende Vorsitzende des BUND Weinheim, Jörg Steinbrenner.
Wobei alle drei BUND-Vertreter mit ihrer Forderung bei Just, Vorsitzender des Vereins Blühende Bergstraße, offene Türen einrannten. Dabei reiche es nicht aus, sich nur um die Stadt und den Wald zu kümmern, so Just: "Es geht auch um den Erhalt der Artenvielfalt."

Dass entsprechende, in Bebauungsplänen enthaltene Vorgaben oft nicht eingehalten würden, sei auch ihm ein Dorn im Auge, sagte Just: "Nach ein bis zwei Jahren sehen die Gärten und Anlagen meist ganz anders aus." Obwohl auch die Landesbauordnung für Baden-Württemberg in ihrem Paragraf neun ausdrücklich Auflagen für nichtüberbaute Flächen der bebauten Grundstücke und Kinderspielplätze ausweist. Vorbildcharakter attestierten Oberbürgermeister und BUND-Vertreter der Stadt Bensheim, die seit dem vergangenen Jahr über eine Baumschutzsatzung verfügt.
Doch warum werden immer mehr Vorgärten in Steinbeete umgewandelt oder bei Neubauten von Beginn an als Steinbeete angelegt? Beobachtungen verstärken den Eindruck, dass dieser Trend nicht nur auf Privatgrund, sondern auch auf öffentlichen Flächen um sich greift. "Modern", "unkrautfrei" und "pflegeleicht". Dies seien die Schlagworte, mit denen für einen Steingarten im Vorgarten geworben wird, sagt Müller.
Hinzu geselle sich Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit. Fein säuberlich angeordnet bedecken Kieselsteine und Steinplatten nicht nur viele Vorgärten. Auch Plätze in den Innenstädten bieten oftmals nur graue Ödnis statt öffentlichem Grün: "Große Parkplatzflächen werden nur von Straßenlaternen unterbrochen." Einzelne Bäume oder Heckenpflanzen sollen den Eindruck von Naturnähe vermitteln.
In allen Fällen treten dabei gleich mehrere Probleme auf: neben der Verarmung der Biovielfalt und der Versiegelung des Bodens auch eine Verschlechterung des Stadtklimas. Die Böden heizen sich im Sommer schnell auf, speichern die Hitze und strahlen sie wieder ab. Dies wiederum befördert Klimaveränderungen in der Stadt, weil durch die Versiegelungen Kaltluftschneisen wegfallen.
"Und das in einer Zeit, in der die Themen Insekten- und Vogelsterben ganz weit oben auf der Agenda stehen", ärgern sich die Naturschützer. Wildkräutern und heimischen Pflanzen als Nährboden für Insekten oder Vögeln würden damit kaum noch Chancen eingeräumt. Vorschlag von Siegfried Gross und Egon Müller: "Geführte Spaziergänge für Bürger einführen, die zeigen, was wächst, was man damit machen kann und welche historischen Zusammenhänge bestehen."
Die Stadt solle ihre Vorgaben allerdings nicht nur als gesetzlicher Mahner, sondern auch als "Influencer in positivem Sinne" wahrnehmen. Sprich: "Schöne oder naturnahe Vorgärten prämieren und Landschaftsgärtner als Berater einbeziehen."
Die Verwaltung habe die Problematik auch "als Input" an den Gemeinderat "auf dem Schirm und im Blick", so Just. Bei den Bürgern wie bei den Städten trenne sich die Spreu vom Weizen dort, wo es Geld kostet. In Weinheim allerdings habe er das Gefühl, mit der Thematik den Zeitgeist zu treffen. Nicht nur mit ihrer Teilnahme an den jährlichen Blütenwegfesten und -Wanderungen artikulierten viele Menschen, dass umweltpolitische und ökologische Themen immer wichtiger werden.