Bei ihren Einsätzen als Seelsorgerin hat Svenja Voigt einen Rucksack mit kleinen Helfern dabei. Dazu gehört unter anderem auch ein Teddybär für Kinder. Foto: Dorn
Von Florian Busch
Weinheim. Kürzlich verabschiedete das Seelsorgeteam der Feuerwehren des Rhein-Neckar-Kreises mit einem Gottesdienst sechs neue Kräfte in ihren Dienst. Mit dabei war auch Svenja Voigt, die gleichzeitig als Feuerwehrfrau für den Bezirk Lützelsachsen-Hohensachsen im Einsatz ist. Die Aufgabe eines Seelsorgers besteht darin, bei Einsätzen aller Art mit Angehörigen oder Betroffenen zu interagieren. Nach einer Notfallsituation sollen sie Menschen unter anderem dabei helfen, wieder klare Gedanken fassen zu können.
Für die 28-Jährige ging mit dem Gottesdienst eine zweijährige Ausbildung zu Ende. Im ersten Jahr durchlief Voigt verschiedene Module und lernte zum Beispiel, wie sich ein Seelsorger verhalten soll und worin während den Einsätzen seine Aufgabe besteht. Auch die Praxis kam nicht zu kurz, durch Rollenspiele konnte Voigt etwa verschiedene Situationen aus unterschiedlichen Perspektiven heraus betrachten. Neben all den Übungsstunden durfte Voigt schon von Beginn an zu richtigen Einsätzen mit: "Im ersten Jahr wurde ich als dritte Person mitgenommen, im zweiten Jahr war ich dann schon die zweite Seelsorgerin", erzählt Voigt.
Im zweiten Jahr bekam sie auch ihren Piepser. Das ist ein Mitteilungsgerät, dass sie über kommende Einsätze informiert. Bis dahin wurde sie noch jedes Mal per Handy dazu gerufen. Allerdings sei ein Piepser praktischer, da die Nachricht auch sicher ankomme, so Voigt. Inzwischen liegen etwa 40 Einsätze hinter ihr. Ob ein Bahnunfall oder eine dreitägige Vermisstensuche am Neckar, die Einsatzgebiete können sehr unterschiedlich sein. Auch die Menge variiere zum Teil stark: "Mal können es mehrere pro Tag sein, mal ist über zwei Wochen nichts", erzählt Voigt.
Trotzdem müsse man "24/7" in Bereitschaft sein. Wenn irgendwo etwas passiert, werden alle Seelsorger, aktuell sind es 34 im Rhein-Neckar-Kreis, über den Piepser informiert und gleichzeitig gefragt, ob sie den Einsatz übernehmen können. Nach der Rückmeldung an die Zentrale bleiben sie in Bereitstellung, während der Hintergrunddienst entscheidet, wer den Einsatz übernimmt. Das hänge von mehreren Kriterien ab, zum Beispiel davon, ob jemand erst vor Kurzem im Einsatz war oder ob vielleicht ein Mann und eine Frau benötigt werden, so Voigt. Nach der endgültigen Entscheidung erhalten alle Seelsorger auf ihrem Piepser eine Nachricht, entweder lautet diese "Einsatz übernehmen" oder "Einsatz entfällt".
Im Fall, dass einem der Einsatz zugeteilt wird, muss der Seelsorger einen Fahrer finden. Manchmal sammeln sich alle gemeinsam an der Feuerwache und fahren zur Einsatzstelle, erzählt die 28-Jährige. "Meistens fährt mich aber mein Mann", sagt Voigt und lacht.
Sie versuche zwar immer, eine professionelle Distanz zu den Einsätzen zu bewahren. Es könnten aber immer Momente auftreten, die einen nachhaltig beschäftigten. Einer dieser Momente sei auch mit entscheidend dafür, warum sich Voigt entschloss, Seelsorgerin zu werden: Früher fuhr sie ihren Vater, der auch Seelsorger war, häufig zu Einsätzen. Bei einem Unfall musste sie dann kurzfristig als Dolmetscherin einspringen und einer Mutter die Todesnachricht ihres Kindes überliefern. Zwischen den beiden Frauen sei ein guter Draht entstanden und Voigt merkte, dass sie sich die Arbeit als Seelsorgerin zutraue: "Das war ein Schlüsselmoment."
Drei bis vier Stunden müsse ein Seelsorger für seine Einsatzzeit im Schnitt einplanen. Die Reaktionen der Betroffenen können dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Es gehe nicht immer nur um die Gespräche. "Oft sitzt man auch nur nebendran und es herrscht absolute Stille", sagt Voigt. Ob die Betroffenen ihr Bilder auf dem Smartphone zeigen oder ihr die Schuldfrage stellen: "Es kann in alle Richtungen gehen." Voigt nehme das auf, was die Leute ihr geben würden, denn in erster Linie gehe es darum, ihnen in diesem Moment Sicherheit und Stabilität zu geben.
Als Unterstützung hat Voigt einen Rucksack mit kleinen Helfern parat. Neben der "Grundausstattung Taschentücher" hat sie einen Hygienebeutel, Süßigkeiten, Getränke, Zigaretten und sogar einen Teddybär für Kinder dabei. Dies seien alles Dinge, die den beteiligten Personen in ihren jeweiligen Situationen helfen könnten.
Wer Seelsorger werden möchte, der sollte einige Eigenschaften mitbringen, so die Feuerwehrfrau. Man sollte eine gefestigte Persönlichkeit haben, eine gewisse Reife aufweisen und Empathie besitzen. "Auch Offenheit und Toleranz sind wichtig, da man auf Menschen aus allen Kulturen in Notsituationen trifft", meint Voigt. Und auch wenn es nicht immer den Anschein macht: "Die Leute sind prinzipiell immer dankbar, dass jemand da ist."