Von Micha Hörnle
Schriesheim. Die Stadt hat ihr "Winterloch"-Thema gefunden: Auslöser ist ein Bild, das Georg Berg am Freitag in die Facebook-Gruppe "Schriesheim – Historische Bilder" eingestellt hatte – und von dem er annahm, es zeige die Talstraße. Daraufhin entwickelte sich eine sehr muntere Diskussion mit mehr als 80 Kommentaren (RNZ vom Montag). Da nicht jeder Leser im Internet mitdebattiert, rief gestern Werner Merkel an, der selbst seit 80 Jahren in der Talstraße gegenüber vom Besucherbergwerk wohnt. Er ist als Ur-Schriesheimer der felsenfesten Überzeugung: "Das ist nie und nimmer die Talstraße." Seine Begründung ähnelt der der Zweifler: "Das Ewald-Haus (Anm. d. Red.: das letzte Haus auf der rechten Straßenseite) sah ganz anders aus, es gab hier nie einen Rundbogen. Und auch einen Friseursalon an dieser Stelle (Anm. d. Red.: das Schild am rechten Bildrand) hat es hier nie gegeben."
Reiner Frank Hornig schrieb an die RNZ: "Also ich persönlich finde es höchst erfreulich, wenn sich die Schriesheimer in diesen Zeiten der Pandemie wieder mehr für die Belange ihrer Heimatstadt zu interessieren beginnen, als nur gelangweilt vor der Glotze zu sitzen. Erst kürzlich die Debatte um das große Ladengeschäftssterben, jetzt um ein historisches Foto." Das hatten auch schon andere Kommentatoren im Internet an der Debatte besonders angenehm empfunden: Endlich geht es mal nicht nur um Corona. Gerhard Zittel schrieb auf Facebook: "Was ich richtig toll finde, ist, dass hier so eine angeregte Diskussion stattfindet. Auch, dass die Blickwinkel so unterschiedlich sein können."
Hornig, dessen vollständige Zuschrift die RNZ in Kürze abdruckt, fiel etwas anderes auf: "Das Bild zeigt uns vor allem, dass die Parkplatzsituation in der Talstraße damals weitaus weniger entspannt war als heute, wo man zum Einkaufen darauf angewiesen ist, einen freien Platz auf dem Festplatz zu suchen. Auf dem kleinen Talstraßen-Abschnitt, den das Foto uns zeigt, gab es damals dort noch zwei Geschäfte! Einen ,Spar’-Laden und einen Frisör! Und trotz allem, das ist deutlich zu erkennen, ging es mit der Talstraße offensichtlich immer mehr bergab." Und eine Wirtschaft, den "Grünen Baum", nicht zu vergessen.
Die offene Frage ist: Wenn es nicht die Talstraße ist, welche Ansicht zeigt Georg Bergs Foto dann? Es gibt ein paar Anhaltspunkte: Die Straße ist recht gut frequentiert – es läuft im Hintergrund sogar eine richtige Gruppe –, also muss es sich um eine Touristendestination handeln; wahrscheinlich führt die steile Straße zu einer "Attraktion", also einer Burg oder ähnlichem; es ist zumindest ein Fachwerkhaus (zumindest eines mit einen Aufsatz) zuerkennen, an dem sich Reben ranken; ein Haus hat eine Sandsteineinfassung. Das deutet auf eine Weingegend in der Region hin, möglicherweise die Pfalz – wogegen aber die Laubbäume in der Bildmitte sprechen, denn in der Pfalz dominieren Kiefern.
Die RNZ hat am Montag unzählige Ortsansichten von steilen Straßen in Weinbauorten – von Miltenberg und Klingenberg am Main bis hin zur gesamten Pfalz – durchforstet. Bisher leider ohne Ergebnis.
Update: Montag, 8. Februar 2021, 20.58 Uhr
Ist das nun die Talstraße oder nicht?
Von Micha Hörnle
Schriesheim. Oft sind Diskussionen in Sozialen Netzwerken ermüdend, endlos – und bringen niemanden so richtig weiter. Doch in der Facebook-Gruppe "Schriesheim – Historische Bilder" entspann sich übers Wochenende eine sehr muntere Diskussion um ein Schwarz-Weiß-Bild, das Georg Berg am Freitagmorgen eingestellt hatte. Es zeigt seiner Meinung nach eine Ansicht der Talstraße; das Foto ist undatiert, es könnte aus den Fünfzigerjahren stammen.
Das animierte viele (Exil-)Schriesheimer zu mittlerweile über 60 Kommentaren – und die Ansichten sind geteilt: Die einen sind der Meinung, dies könne nie und nimmer die Talstraße sein, sie sei viel zu steil und die Bebauung passe auch nicht. Die anderen sind wiederum felsenfest davon überzeugt, dass das Bild die Talstraße zeigt. Um genauer zu sein: oberhalb der Schotterersbrücke, im Bereich des ehemaligen "Grünen Baum", wie Andrea Fießer vermutet. Thorsten Walther meint: "Der Knick kann nur an der Schotterersbrücke sein, aber ich würde sagen, da ist die Talstraße flacher. Ich glaube, ich laufe gleich mal hin." Heide Minkler ist sich sicher: "Das ist die Talstraße! Damals war sie so steil!"
Dieses alte Foto von Hans Schmitt soll beweisen, dass die Ansicht Bergs nicht die Talstraße zeigt. Der Beweis: Das „Ewald-Haus“ (linker Bildrand) hat keine Rundbögen. Repro: pdDer Nutzer "Schorsch Nnamkram" weiß zu berichten: "Als ehemaliger ,Talbu’ behaupte ich auch, dass das die ,Talstrooß’ ist. Ich kann mich auch an mindestens zwei Talstraßensanierungen erinnern, die eventuell auch dafür Sorge trugen, dass das zu sehende Teilstück nicht mehr so steil ist. Abgesehen davon ist schon eine gewisse Steigung an dieser Stelle vorhanden." Sogar das Schriesheimer Urgestein Rudi Kling wurde um Rat gefragt, und seine Tochter Beate Kling postete: "Er ist zu 100 Prozent sicher", das ist die Talstraße.
Besonders heiß diskutiert sind die Details der nicht allzu scharfen Aufnahme: die Gestalt der Fenster und Einfahrten – vor allem die des letzten erkennbaren Gebäudes auf der rechten Straßenseite, des sogenannten Ewald-Hauses – und vor allem die Frage, wer das Friseurgeschäft (linker Bildrand) betrieben haben soll. Wenn es der Friseur Wawschinek gewesen sein sollte, dann befand sich das Geschäft weiter oben, unterhalb vom Haus Edelstein.
So sieht die Talstraße heute aus – in etwa die gleiche Perspektive wie das linke Bild: Auffällig ist: Die Straße ist deutlich flacher und die Bebauung passt nicht. Foto: DornIm Moment sind die Zweifler in der Mehrheit: "Ich glaube nicht, dass das die Talstraße oder überhaupt in Schriesheim ist", schreibt Feuerwehrkommandant Oliver Scherer. Inge Boetsch ist dieser Meinung: "Das ist nicht die Talstraße. Das Haus von Familie Ewald hatte keinen Rundbogen." Adam Jakob Frohn, der in der Schmalen Seite aufgewachsen ist und darüber auch ein Buch geschrieben hat (RNZ vom 28. August) kontert im Dialekt: "Noo, liewe Schriesema, dess iss net unsa Dåålstrååß. Auf der linken Seite war die Hermanns Marie mit ihrem ,Spar’-Geschäft und kleinem Schaufenster, darunter Stammlers mit dem offenen Misthaufen. Rechts der ,Grüne Baum’, in dem war kein Friseur ansässig; dieser war viel weiter oben, noch oberhalb vom Bergwerk, und wie Inge, die ja dort aufwuchs, schreibt, hatte das Haus Ewald eine andere Front."
Andrea Fießer ist vor allem über eins froh, wie sie an Georg Berg schrieb: "Eins muss man Dir lassen: Viele Schriesemer denken mal an was anderes als das derzeit alles beherrschende Thema."