Schriesheim

Der lange und steinige Weg zu einem Bestattungswald (Update)

In Schriesheim dauerte es sechs Jahre. Es gab viel Streit, Kampfabstimmungen und widersprüchliche Gutachten.

03.06.2021 UPDATE: 24.06.2021 06:00 Uhr 21 Minuten, 30 Sekunden
Aus diesem recht ursprünglichen Forst unweit des Schriesheimer Ortsteils Altenbach soll ein Bestattungswald werden. Doch das Projekt hat nicht nur Befürworter. Foto: Kreutzer

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Das Herz der Metropolregion könnte bald einen Bestattungswald bekommen. Zwar gibt es ähnliche Einrichtungen schon in Bad Dürkheim und in Michelstadt, aber die liegen eher am Rande, zumindest von Heidelberg oder von Mannheim aus gesehen. Deswegen plant die Stadt Schriesheim einen Bestattungswald im Ortsteil Altenbach, also noch nicht mal 20 Kilometer vom Heidelberger Bismarckplatz entfernt. Die Fläche auf dem Bergplateau namens "Kipp" – verkehrsmäßig eigentlich näher an Wilhelmsfeld gelegen – gehört der Kommune. An sich ist für die notorisch finanzklamme Stadt solch ein Bestattungswald eine feine Sache. Denn die Einnahmen aus der Verpachtung des Waldes sind in jedem Fall höher als der Ertrag aus der Holzernte. Und Altenbach – hier gibt es kaum mehr Läden und seit fast zwei Jahren keine Gaststätte mehr – könnte vom Zustrom der Trauernden profitieren.

Was alles so einfach klingt, ist aber ein schwieriges und dazu noch höchst umstrittenes Unterfangen. Das fängt schon mal in der Kommunalpolitik an: Die ursprüngliche Idee kam vor sechs Jahren von Heinz Waegner, einem ehemaligen Stadtrat der Grünen Liste. Mit ihr liegen die "bürgerlichen" Parteien, die CDU und Freien Wähler, in einem Dauerclinch. Während die Schriesheimer Grünen für eine Vielfalt der Bestattungsformen, insbesondere der naturnahen, plädieren, argumentierte die Gegenseite mit den jetzt schon defizitären zwei kommunalen Friedhöfen, die dann noch weniger belegt werden würden. Außerdem seien grundsätzliche Fragen nicht geklärt: Was passiert mit dem Gelände, wenn der Bestattungswald-Betreiber insolvent wird oder die 99-jährige Pacht ausläuft? Wer hält den Wald in Ordnung, und wer haftet, wenn einem Besucher ein Ast auf den Kopf fällt?

Doch in einer Kampfabstimmung vor eineinhalb Jahren setzten sich die Befürworter durch, die entscheidende Stimme kam von Bürgermeister Hansjörg Höfer, einem Grünen. Dabei hatte es bereits Anfang 2017 ein Bodengutachten gegeben, das eigentlich das Aus für dieses Projekt bedeutet hätte: Gutachter nahmen auf dem 30 Hektar großen Gelände 203 Bodenproben. Lediglich an 73 Stellen ließ sich der Bohrstock bis in eine Tiefe von 80 Zentimetern einschlagen – so viel brauchen die Urnen mindestens. Kurz: Das Areal war zu felsig. Aber dann machte einer der Interessenten, die Firma "Friedwald" – neben "Ruheforst" der Marktführer in Sachen Bestattungswald –, eigene Proben: "Wenn ich mal auf einen Stein stoße, dann heißt das nicht automatisch, dass man dort kein Urnengrab von 25 Zentimetern Durchmesser und 80 Zentimetern Tiefe vergraben kann", sagte Ende Mai 2020 Stephan Martini von "Friedwald" der RNZ.

Belastet die Asche der Toten das Grundwasser?

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Die Steine seien "locker im Boden verteilt". Und außerdem liege ja das Risiko beim Betreiber. "Friedwald" wurde es aber nicht, stattdessen der Konkurrent "Ruheforst", mit dessen Geschäftsführer Jost Arnold Bürgermeister Höfer vor einem Jahr den Vertrag schloss. Bei dieser Gelegenheit versuchten Höfer und Arnold, die Bedenken gegen das Projekt zu zerstreuen: Das mache kaum den herkömmlichen Friedhöfen Konkurrenz, mit acht Prozent aller Bestattungen sei das doch eher ein "Nischenprodukt". Auch die Herstellung der Wege, den Unterhalt des Waldes und alle Haftungsfragen übernahm "Ruheforst".

Eine Zeit lang sah es so aus, als sei alles in trockenen Tüchern, da meldete sich vor einem halben Jahr Andreas Morgenroth vom Dachverband der Friedhofsvereine – sozusagen der natürlichen Konkurrenz der Bestattungswälder – zu Wort. Er warf insbesondere Bürgermeister Höfer vor, "die boden- und wasserrechtlichen Hausaufgaben nicht gemacht" zu haben. Denn entgegen der Vorstellung, dass die Asche der Toten in Boden und Baum aufgehen werde, sei die doch durch den Verbrennungsprozess durch Schwermetalle hoch belastet, also quasi Sondermüll. Am gefährlichsten ist eine Chromverbindung, Chrom(VI), die das Grundwasser belasten kann. Morgenroth rechnete sogar vor, dass hier 3,6 Tonnen Asche pro Hektar begraben werden könnten (wenn man drei Kilogramm Asche pro Urne, zwölf Urnen pro Baum und 100 Bäume pro Hektar rechnet). Denn das ist einer der großen Vorteile von Bestattungswäldern – neben den überschaubaren Bestattungskosten für die Hinterbliebenen und dem Wegfall der Grabpflege: Sie haben riesige Kapazitäten; theoretisch könnten allein in Altenbach 20.000 Urnen beigesetzt werden.

Tatsächlich existieren in Deutschland aber kaum Vorschriften, wo und wie ein Bestattungswald angelegt werden kann. Es gibt nur zwei Ausschlusskriterien (Natur- und Wasserschutzgebiet, beides ist in Altenbach nicht der Fall), ansonsten aber nur eine Empfehlung des Bundesumweltamtes. Demnach sind Bestattungswälder mit einem sehr sauren oder basischen Boden ungeeignet, denn in ihnen sickert Chrom(VI) am leichtesten ins Grundwasser – also ist der pH-Wert entscheidend, empfohlen werden Werte von 4,0 bis 6,5.

Das Landesamt für Geologie, Bergbau und Rohstoffe rät zudem, dass man in den Boden 80 Zentimeter tief graben sollte – was im Altenbacher Fall nicht durchgängig gegeben ist. Ein Bodengutachten vom Juni kam zu diesem Ergebnis: Der Waldboden ist bisher kaum belastet, und nennenswert höhere Schadstoffe werden auch durch die Urnen nicht dazukommen. Die pH-Werte der sechs Proben reichen von 4,0 bis 4,4, liegen also im Rahmen der Empfehlungen des Bundesumweltamts.

Und wie geht es jetzt weiter? Eigentlich wollte "Ruheforst" noch in diesem Jahr seinen Bestattungswald eröffnen. Aber dann kamen die Gutachten dazwischen, die momentan beim Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises liegen. "Ich sehe keine Gründe, warum man uns die Genehmigung nicht erteilen sollte. Sobald wir die haben, können wir loslegen", sagt Matthias Budde von "Ruheforst".

Aber wird dann der Wald genauso aussehen wie heute? Davon ist Budde überzeugt: "Das Bild wird das gleiche bleiben, das wird ja kein Park, auch wenn wir Wege anlegen müssen. Da wird dann auch schon mal ein abgestorbener Ast herumliegen." Allerdings werde es "durchaus Eingriffe" geben, beispielsweise wenn um die Bestattungsbäume herum gerodet werde, "aber in deutlich geringerem Umfang, als wenn ein Förster den Wald bewirtschaften würde". Zumal ja auch nicht die ganzen 33 Hektar auf einen Schlag Bestattungswald werden. Auf drei Hektar wird erst einmal, wohl zu Beginn des nächsten Jahres, der Anfang gemacht, "dann schauen wir mal, wie das angenommen wird". Und auch der Rest wird nicht komplett genutzt, sondern zu etwa 60 Prozent.

Nun ist die "Kipp" in Altenbach kein stiller Bergrücken, sondern auch ein Freizeitgelände mit einem Fitnessstudio, einem Sportplatz, einer Kart-Anlage und sogar einem Schützenhaus. Ist das denn der richtige Ort für die Trauer? "Das Areal ist heute schon ein Erholungswald mit Wanderwegen", sagt Budde. "Außerdem wird ja nicht rund um die Uhr geschossen."

Update: Freitag, 19. November 2021, 18.43 Uhr


Gutachten gibt grünes Licht für den Bestattungswald 

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Das Bodengutachten für den geplanten Bestattungswald liegt vor – und gibt dem umstrittenen Vorhaben grünes Licht. Das Bremer "Ingenieurbüro für Altlasten und Bodenschutz" von Jörn Pesel hatte im Auftrag des Betreibers "Ruheforst" am 10. Juni an sechs Stellen im Schleichwald – so die Gewannbezeichnung an der Kipp – sechs Bodenproben in einer Tiefe von 80 Zentimetern gezogen und chemisch untersuchen lassen. Besonders wichtig war Pesel, die bisherige Schadstoffkonzentration im Waldboden zu bestimmen, zu prognostizieren, wie sich darauf die Asche der Urnen auswirkt, und auch, ob der Untergrund vom pH-Wert her geeignet ist: Das Bundesumweltamt hatte empfohlen, dass der Boden in Bestattungswäldern nicht zu sauer und nicht zu laugenhaltig sein darf.

Auf der Kipp soll noch in diesem Jahr ein Bestattungswald entstehen – das Foto zeigt einen „Ruheforst“ im mittelhessischen Hohenstein. Doch nun belebt sich die Debatte wieder. Foto: zg/Repro: bk

Die Ergebnisse Pesels sind eindeutig: Der Waldboden ist bisher kaum belastet, und nennenswerte höhere Schadstoffe werden auch durch die Urnen nicht dazukommen. Alle Werte, die jetzigen wie auch die zukünftigen, liegen weit unter den sogenannten Hintergrundwerten (also dem, was normalerweise an Konzentrationen im Boden gemessen wird), den Prüfwerten (also eine Art Signalwert, ab dem eine weitere Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann und weitere Untersuchungen angestellt werden müssen) und natürlich auch unter den Vorsorgewerten (einer Art "Grenzwert" im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes).

Für die Bestimmung des pH-Wertes grub Pesel sogar bis zu einem Meter tief. Auch hier gab es Entwarnung: Der Boden weist im Mittel Werte von 4,2 aus – und liegt damit innerhalb der Empfehlungen des Bundesumweltamtes. Pesel bilanziert: "Somit kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die vom Umweltbundesamtes empfohlenen Kriterien zur unproblematischen Bewirtschaftung eines Bestattungswaldes im Bereich des Ruheforstes Schriesheim uneingeschränkt erfüllt werden." Für den Bremer Experten ist außerdem in seiner Gesamtbetrachtung wichtig, dass der Bestattungswald nicht mehr bewirtschaftet wird. Damit reichere sich der Waldboden zusätzlich mit Humus an – was dem wiederum guttue.

Die Ergebnisse des Bodengutachtens blieben nicht unwidersprochen: Andreas Morgenroth, als Geschäftsführer des Dachverbands der Friedhofsvereine einer der schärfsten Kritiker von Bestattungswäldern, meldet Zweifel an: Während vor viereinhalb Jahren des Freiburger Institut "Unique" noch 203 Bodenproben entnommen hatte, waren es bei Pesel nur sechs. "Unique" ging es aber weniger um eine chemische Analyse des Bodens, sondern darum, ob hier überhaupt die Urnen eingegraben werden können – mit dem Ergebnis, dass an nur 73 Stellen sich der Bohrstock in die erforderlichen 80 Zentimeter Tiefe einschlagen ließ, weil der Untergrund voller Steine war. Morgenroth ist auch nicht klar, wie und wo Pesel die Proben gezogen hat: Gab es ein bestimmtes Raster? Oder war das willkürlich?

Und nicht zuletzt: Pesel hat nur 80 Zentimeter tief gegraben – was der Bestattungstiefe entspricht – , das Umweltbundesamt empfiehlt aber einen Meter – "möglicherweise ein methodischer Fehler", so Morgenroth: "Damit könnte das gesamte Gutachten vollends entwertet sein." Auch der pH-Wert, den Pesel gemessen hat, ist für Morgenroth eher besorgniserregend: Der liege am unteren Ende der Empfehlungen des Umweltbundesamtes, der Boden im Schleichwald ist also relativ sauer – was es wiederum für die schädlichen Schwermetalle einfacher macht, ins Grundwasser zu gelangen.

Auch wenn der Bestattungswald in keinem Wasserschutzgebiet liegt, hält Morgenroth eine Gefährdung des Grundwassers für nicht ausgeschlossen. Denn sollte das Gestein im Boden besonders porös sein, dann könnte die Asche der Urnen doch ins Grundwasser gelangen – weswegen Morgenroth keine kompostierbaren Urnen, sondern welche aus Edelstahl fordert.

Update: Freitag, 30. Juli2021, 20.40 Uhr


Ist die Kipp für den Ruheforst geeignet?

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Eigentlich ist, zumindest kommunalpolitisch, der Bestattungswald in trockenen Tüchern. Aber es mehren sich auch kritische Stimmen, nicht nur die von Andreas Morgenroth vom Dachverband der Friedhofsvereine. Auch Andrea und Klaus Hartmann haben schwere Bedenken gegen das Vorhaben. Beide kennen den Wald auf der Kipp gut, denn sie gehen dort seit 21 Jahren jagen, seit zwölf Jahren sind sie hier Jagdpächter. Das mag ihnen den Vorwurf eintragen, dass sie aus reinem Eigennutz den Bestattungswald verhindern wollen. Denn schließlich dürfte der als befriedeter Bezirk nicht mehr bejagt werden – einmal abgesehen davon, dass sie offiziell darüber noch gar nicht informiert wurden. Ihre Eigeninteressen als Jäger geben sie auch offen zu, aber sie verweisen auch auf die ökologischen Folgen, sollte das Areal auf der Kipp – der Flurname ist Schleichwald – einmal sein Gesicht verändern.

Andrea Hartmann verweist auf das viele Totholz, das als Rückzugsraum für viele Tierarten wie zum Beispiel Feuersalamander und zusammen mit dem Moos als Wasserspeicher dient – und das dann wahrscheinlich komplett weichen müsste. Und was wird aus den Nadelbäumen? Erstens haben sie eine kürzere Lebensdauer und sind in Ruheforsten angeblich nicht so gern gesehen. Und zweitens würde durch die Urnenbestattungen ihr bodennahes Wurzelwerk beschädigt. Andernorts würden in Bestattungswäldern schon die Bäume sterben, wie beispielsweise in Gießen. Allerdings litten diese Bäume unter der Trockenheit, wie auch der Rest des Waldes. Bedenklicher könnte der Zustand der Eichen sein, die als Bestattungsbäume besonders beliebt sind. Zumindest die, die direkt am Wanderweg auf der Kipp stehen, machen keinen sehr vitalen Eindruck mehr.

Fragt man Revierförster Walter Pfefferle nach dem Zustand des Schleichwaldes, sagt der, dass es praktisch kaum Unterschiede zu anderen Flächen gebe: "Eigentlich wie überall. Die Trockenheit schädigt die Vitalität der Bäume." Durch die Höhenlage regne es allerdings auf der Kipp eher mehr als in Richtung Ebene. Für die Forstwirte wirkt sich ein Bestattungswald am ehesten dadurch aus, dass er nicht mehr bewirtschaftet wird, also kein Holz mehr eingeschlagen wird. "Wirtschaftlich ist das kein Schaden", sagt Pfefferle, "die Pacht eines Bestattungswaldes ist höher als der Holzerlös." Einen größeren Eingriff in den jetzigen Waldbestand erwartet der Förster nicht: "Es soll ja möglichst naturbelassen bleiben." Einen besonderen Schutzstatus, also etwa als Wasser-, Vogelschutz- oder Biotopgebiet, gebe es auf der Kipp nicht.

Und doch sehen die Hartmanns die Einrichtung eines Bestattungswaldes als schweren Eingriff in das Gefüge der Natur. Zumal die Wälder und das Wild gerade seit Pandemiezeiten einen Ansturm erleben und nicht mehr richtig zur Ruhe kommen. Da seien die geplanten 150 Bestattungen im Ruheforst auch nicht gerade hilfreich, sagt Andrea Hartmann.

Einmal abgesehen davon: So viele Beerdigungen bedeute auch mehr Verkehr in Altenbach – was angesichts der neuerlichen Debatte "Tempo 30 in der Hauptstraße" gar nicht bedacht worden sei. Apropos Lärm: Wer garantiert, so fragt Hartmann, eine halbwegs stille, würdevolle Beisetzung in unmittelbarer Nähe des Schützenhauses und des Motorsportclubs?

Kurz, für die Hartmanns ist das Gelände generell ungeeignet: "Laut, ökologisch sensibel, steinig, steil und ungünstig gelegen." Andrea Hartmann wundert sich, weswegen die Naturschutzverbände Nabu und BUND nicht ihre Stimme gegen Bestattungswälder erheben und wieso auch die Grünen auf einmal dafür sind. Klaus Hartmann, der Vorsitzende der Freien Wähler ist, aber in dieser Angelegenheit als reiner Privatmann spricht, meint sarkastisch: "Es gibt eine politische Gruppierung, die die Natur mit Füßen tritt."

Update: Donnerstag, 24. Juni 2021, 08.29 Uhr


Bisher lief beim Bestattungswald alles korrekt ab

Schriesheim. (hö) In Sachen Bestattungswald lichtet sich der Pulverdampf. Nach den heftigen Vorwürfen vom Dachverband der Friedhofsvereine, wonach das Wasserrechtsamt bei den Planungen nicht angehört wurde – weswegen dessen Vorsitzender Andreas Morgenroth eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Bürgermeister Hansjörg Höfer angedroht hatte –, ergab eine RNZ-Recherche bei der Stadt, dem Landratsamt und dem Landesamt für Geologie, Bergbau und Rohstoffe ein eindeutiges Ergebnis: Das Wasserrechtsamt musste nicht hinzugezogen werden. Allerdings gibt es von Seiten des Landesamtes Empfehlungen, die der Anlage eines Bestattungswaldes auf der Kipp widersprechen.

Wer ist die Genehmigungsbehörde für einen Bestattungswald? Prinzipiell das Landratsamt – in diesem Fall das Wasserrechtsamt, denn es werden nur wasserrechtliche Aspekte geprüft. Die liegen im Fall der Kipp nicht vor, weil es sich hier nicht um ein Wasserschutz- oder Überschwemmungsgebiet handelt, wie sowohl Stadt und Landratsamt und Landesamt bestätigen.

Welche rechtlichen Regelungen gibt es für den Boden des Bestattungswaldes? Mit Schwermetallen belastete menschliche Asche, die in kompostierbaren Urnen gelagert wird, kann bei einem zu sauren oder basischen Waldboden das Grundwasser belasten – was im Falle der wasserarmen Kipp unwahrscheinlich ist. Für den bei einem Bestattungswald (un-)geeigneten Boden gibt es momentan keine rechtlichen Grundlagen oder Kriterien, also auch keine Genehmigungsbehörde. Allerdings kann das Landesamt für Geologie hinzugezogen werden.

Welche Empfehlungen für Bestattungswälder macht das Landesamt für Geologie? Basierend auf einem Empfehlungskatalog, nennt das Amt diese Kriterien: Lage inner- oder außerhalb eines Wasserschutzgebietes, Grund- und Stauwasserverhältnisse, das Abfragen der Hochwassergefahrenkarte und die Grabbarkeit des Bodens auf mindestens 80 Zentimeter Tiefe, damit mindestens 50 Zentimeter Erde über den Urnen liegt. Das wiederum widerspricht den Verhältnissen auf der Kipp: Eine Untersuchung von Anfang 2017 kam zu dem Ergebnis, dass sich von 203 Bodenproben an nur an 73 Stellen der Bohrstock in die erforderlichen 80 Zentimeter Tiefe einschlagen ließ, weil der Untergrund voller Steine war. Von der Behörde heißt es: "Es wird bei unklaren Standortverhältnissen empfohlen, die Standorteignung mit einem bodenkundlichen Friedhofsgutachten für Urnenbestattungen im Wald nachzuweisen."

Gibt es bald ein Bodengutachten? Ja, die Stadtverwaltung und auch der Bestattungswaldbetreiber "Ruheforst" haben eines angekündigt, das gerade erstellt wird. Stadtsprecherin Larissa Wagner sagte auf RNZ-Anfrage: "Selbstverständlich werden hier die Empfehlungen des Umweltbundesamtes berücksichtigt. Darüber hinaus wird das für die bodenkundliche Begutachtung zuständige Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau miteinbezogen. Eine geologisch-chemische Untersuchung des Bodens ist zudem ebenso Bestandteil des weiteren Prozesses."

Wie geht die Stadt mit der angekündigten Dienstaufsichtsbeschwerde um? Gelassen, denn bisher ist sich das Rathaus sicher, nichts falsch gemacht zu haben. Zumal das Verfahren für den Bestattungswald noch läuft: "Da der Genehmigungsprozess noch nicht abgeschlossen, der Vertrag nicht ausgeführt und der Bestattungswald nicht eröffnet ist, können wir den Vorwurf an die Stadtverwaltung, ,die wasser- und bodenrechtlichen Hausaufgaben nicht gemacht zu haben’, zurückweisen."

Update: Freitag, 11. Juni 2021, 19.07 Uhr


Metalle in Totenasche doch kein Problem?

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Die Betreiber des geplanten Bestattungswaldes auf der Altenbacher Kipp wehren sich: Matthias Budde von der Erbacher Firma "Ruheforst" weist die Vorwürfe von Andreas Morgenroth (siehe unten) zurück – auch und gerade, was eine mögliche Belastung des Waldbodens durch die Asche der Beigesetzten angeht. Für Budde ist Morgenroth vom Dachverband der Friedhofsvereine "kein Unbekannter": Er sei Lobbyist der Steinmetze und Friedhofsgärtner, die durch die Einrichtung von immer mehr Bestattungswäldern ihr Geschäft bedroht sehen. Für Budde steht fest: "Morgenroth wird bezahlt, um Bestattungswälder zu verhindern."

Aber könnte nicht doch etwas dran sein, dass der Kipp-Boden für die Totenasche ungeeignet sein könnte? Der "Ruheforst"-Mitarbeiter erklärte gegenüber der RNZ, dass seine Firma bereits ein Gutachten in Auftrag gegeben habe, um den Untergrund zu untersuchen – und so Sicherheit zu erhalten. Zumindest hält Budde es nicht für ausgeschlossen, dass das Wasserrechtsamt ein solches anfordern könnte. Denn: "Wir sind ja noch immer im Genehmigungsverfahren, noch wird der ,Ruheforst’ ja nicht eröffnet." Nach Angaben seines Kontrahenten Morgenroth war die Kreisbehörde im Planungsverfahren für den Bestattungswald bisher nicht angehört worden. Ob dem so ist, konnte eine Kreissprecherin wegen des langen Wochenendes der RNZ nicht bestätigen. Und doch glaubt Budde nicht, dass ein solches Gutachten den Schriesheimer Ruheforst stoppen wird. Zumal die bisher einzige Analyse vor viereinhalb Jahren zwar ergeben habe, dass der Kipp-Boden sehr steinreich ist, allerdings das Grundwasser ganz tief liegt. Für Budde ist Letzteres entscheidend: "Wir sind ja nicht in den Rheinauen, wo man in einem halben Meter auf Wasser stößt, sondern am Hang." Zudem handele es sich hier um kein Wasser- oder Naturschutzgebiet.

Dabei verweist Budde auf zwei Studien, die sich mit der Frage, wie sich die Totenasche auf die Böden auswirkt, beschäftigt haben. Schwermetalle nehmen Menschen im Laufe ihres Lebens auf, zudem kommen neue bei der Einäscherung – vor allem durch Prozesse in den Krematoriumsöfen – hinzu. Wie stark die Totenasche tatsächlich "verseucht" ist, kann man nicht analysieren, das ist wegen der Störung der Totenruhe nicht möglich. Zudem finden sich im Waldboden durch Verwitterungsprozesse ebenfalls Schwermetalle. Besonders wichtig war den Freiburger Bodenkundlern die Konzentration von Chrom(VI). Diese hochgiftige chemische Verbindung entsteht bei der Verbrennung in den Öfen und kann das Grundwasser gefährden, wenn sich die kompostierbare Urne langsam zersetzt. Vom Gesetzgeber her gibt es keine Grenz-, sondern nur Vorsorgewerte, die eher Empfehlungscharakter haben.

Die Empfehlung der Geologen übernahm auch das Bundesumweltamt: Bestattungswälder mit einem sehr sauren oder basischen Boden sind ungeeignet, denn in ihnen sickert Chrom(VI) am leichtesten ins Grundwasser – also ist der pH-Wert entscheidend, den man allerdings im Falle der Kipp noch nicht kennt. Für Budde ist zudem entscheidend, wie hoch die Asche-Konzentration ist: "Wir belegen jeden Platz nur einmal auf 99 Jahre, die Forscher haben eine höhere Last im Boden angenommen."

In einer anderen Studie hat der "Ruheforst"-Konkurrent "Friedwald", der sich auch um den Schriesheimer Bestattungswald beworben hatte, selbst einmal nachgemessen, wie sich die Totenasche auf den Waldboden auswirkt: Dazu wurden Proben direkt unter der Urne entnommen. Als Fazit heißt es: "Dauerhafte Änderungen der Bodeneigenschaften durch Kremationsasche aus biologisch abbaubaren Urnen sind jedoch auszuschließen."

Für Budde deuten diese Ergebnisse in eine Richtung: "Humanasche, selbst in höherer Konzentration, überschreitet die Vorsorgewerte nicht." Und wie sieht es mit den Empfehlungen des Bundesumweltamtes für die Bestattungswälder aus? Budde meint: "Die Genehmigungsbehörden nehmen sie ernst. Aber sie sind keine Vorschriften, sondern bleiben Empfehlungen."

Update: Freitag, 4. Juni 2021, 19.01 Uhr


Gegenwind für den Bestattungswald

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Der Bestattungswald des Betreibers "Ruheforst" auf der Altenbacher Kipp ist eigentlich in trockenen Tüchern: Erst auf der letzten Gemeinderatssitzung wurde eine Friedhofsordnung beschlossen, die Bauarbeiten sollen noch im dritten Quartal starten – und auch anfängliche Kritiker des Vorhabens, wie die CDU, haben ihren Frieden gemacht. Doch nun meldete sich Andreas Morgenroth vom Dachverband der Friedhofsvereine – sozusagen der natürlichen Konkurrenz der Bestattungswälder – bei Bürgermeister Hansjörg Höfer und legte ihm vier Fragen vor. Sollten die nicht beantwortet werden, dann droht er mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Der für den Verfechter der traditionellen Bestattungskultur wichtigste Punkt: Lief die Genehmigung des Ruheforstes nach Recht und Gesetz ab?

Vom Bestattungswaldboden auf der Altenbacher Kipp weiß man relativ wenig – außer dass er im Grunde für Urnenbeisetzungen zu steinig ist. Von seiner chemischen Qualität, insbesondere Belastungen von Schwermetallen, ist nichts bekannt. Foto: Kreutzer

Denn Morgenroth fiel auf, dass das Wasserrechtsamt des Rhein-Neckar-Kreises bei den Planungen nicht angehört wurde. Er habe mit dessen Leiterin, Margarete Schuh, telefoniert: "Sie zeigte sich verwundert, dass sie als Trägerin öffentlicher Belange bislang nicht am Verfahren ,Ruheforst Schriesheim’ beteiligt war. Dazu wäre die Stadt Schriesheim verpflichtet gewesen. Ich erwäge daher eine Dienstaufsichtsbeschwerde", so Morgenroth.

Hintergrund ist, dass die Asche Verstorbener längst nicht so unproblematisch ist, wie viele denken. Denn durch die Einäscherung kann sie durch verschiedene Schadstoffe – vor allem aus den Verbrennungsöfen – belastet werden, am gefährlichsten ist eine Chromverbindung (Chrom VI), die das Grundwasser belasten kann. Das heißt nicht, dass die Urnenasche auf einmal gefährlicher Sondermüll wäre und dass Bestattungswälder allesamt untersagt werden müssen. Es geht Morgenroth eher darum, dass die Belastung des Waldbodens auf der Kipp untersucht werden sollte, um herauszufinden, wie viel er von der zusätzlichen Last noch schultern kann (oder überhaupt dafür geeignet ist). Vom Schriesheimer und Altenbacher Waldboden weiß man, dass in ihm Arsen und Sulfat stecken – weswegen der Schlamm aus dem Regenrückhaltebecken als Sondermüll entsorgt werden musste. Allein um das abschätzen zu können, meint Morgenroth, hätte man das Wasserrechtsamt, das auch für den Boden zuständig ist, einbinden müssen.

Zusätzlich ist für ihn auch noch offen, ob in Schriesheim die Empfehlungen des Bundesumweltamtes für Bestattungswälder umgesetzt wurden – auch so eine Frage von ihm an den Bürgermeister. Denn diese Behörde legt ebenfalls nahe, den Boden genauer zu analysieren, ob er für Urnenbeisetzungen überhaupt geeignet ist. Zu saure und zu vorbelastete Böden – und auch die mit hohem Grundwasserspiegel – fielen da durchs Raster. Und so weit man weiß, gibt es keine chemischen Analysen, was den Boden auf der Kipp angeht. Als vor viereinhalb Jahren das Freiburger Institut "Unique" 203 Bodenproben entnahm, ging es eher um die Frage, ob hier überhaupt die Urnen eingegraben werden können – mit dem Ergebnis, dass an nur 73 Stellen sich der Bohrstock in die erforderlichen 80 Zentimeter Tiefe einschlagen ließ, weil der Untergrund voller Steine war. Immerhin fand "Unique" auch heraus, dass es auf der Kipp weder eine Stau- noch eine Grundwasserproblematik gibt.

Alles in allem wurde ein Großteil des Areals für nicht geeignet erklärt – woran sich Morgenroth erinnert: "Da wurden die eindeutigen Empfehlungen einfach ausgehebelt." Er fürchtet, dass sich wegen des steinigen Untergrunds nun die Asche auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche konzentriert – mit entsprechenden Folgen für die Bäume: "Dies ermöglicht theoretisch bei Zugrundelegung von drei Kilogramm Asche pro Urne, zwölf Urnen pro Baum und 100 Bäumen pro Hektar einen Ascheeintrag von 3,6 Tonnen – alle 15 Jahre!" Denn die Ruhefrist liegt bei 15 Jahren.

Aber schießt Morgenroth nicht eher deswegen quer, um einen lästigen Konkurrenten loszuwerden? "Nein, gegen einen Bestattungswald ist nichts zu sagen, wenn Recht und Gesetz beachtet werden. In Schriesheim wurden aber die wasser- und bodenrechtlichen Hausaufgaben nicht gemacht. Und mehr noch: Es wurde auch gegen gutachterliche Auflagen verstoßen." Auf seine E-Mails der letzten fünf Jahre hat der Bürgermeister nicht reagiert – und wahrscheinlich wurden über seine Bedenken die Stadträte nicht informiert, die nach Morgenroths Auffassung zu blauäugig in dieses Projekt gegangen seien. Auf die Stadt sieht er ungeahnte Folgen zukommen, wenn nicht jetzt das Wasserrechtsamt angehört werde: "Ich bezweifle, ob unter diesen Umständen es überhaupt eine Eröffnung gibt."

Update: Freitag, 4. Juni 2021, 6 Uhr


Bestattungswald kommt noch dieses Jahr

Schriesheim-Altenbach. (hö) Mit der Einrichtung des Bestattungswalds auf der Kipp soll noch in diesem Jahr, wahrscheinlich im dritten Quartal, begonnen werden. Das erklärte Matthias Budde von der Erbacher Betreiberfirma "Ruheforst" auf der letzten Gemeinderatssitzung – ursprünglich war das zweite Quartal für den Start der Arbeiten anvisiert worden. Bereits vor gut einem Jahr war im Gemeinderat der Grundsatzbeschluss für diese in der Region bisher einmalige Bestattungsform gefallen. Bereits 2016 hatte der ehemalige Grüne-Liste-Stadtrat Heinz Waegner – er saß bei der jüngsten Ratssitzung im Publikum – für diese Idee geworben. Im letzten Dezember unterschrieb "Ruheforst" den Pachtvertrag – er läuft über 99 Jahre – mit der Stadt, nachdem diese Firma den Zuschlag vor dem direkten und etwa gleichgroßen Konkurrenten "Friedwald" erhalten hatte.

Dieses Mal sollte es im Gemeinderat eigentlich nur um die an sich unstrittige Friedhofsordnung für das Waldgebiet gehen, doch einige Punkte der "Ruheforst"-Planungen stießen den Räten dann doch auf: Muss es wirklich einen zweiten Parkplatz im Wald geben? Den hatte Budde neben dem angestammten Kipp-Parkplatz vorgesehen, damit es manche nicht mehr ganz so mobilen Besucher nicht mehr ganz so weit haben. Christian Wolf (Grüne Liste), an sich durchaus ein Freund des Bestattungswaldes, bat Budde, auf diesen zweiten Parkplatz zu verzichten: "Wir wollen eigentlich keine Fahrzeuge im Wald haben." Auch Michael Mittelstädt (CDU) hatte "gegen den zweiten Parkplatz Bedenken", zumal er auf den schmalen Waldwegen Begegnungsverkehr befürchtete.

Das sahen auch Ulrike von Eicke (FDP) und Liselore Breitenreicher (Bürgergemeinschaft) so – und sie fragten, wie es denn nun mit der Toilette aussieht, die ja auch mal geplant war. Tatsächlich soll es sie auch geben, so Budde – allerdings nur für die Ruheforst-Besucher, aber "nicht für jedermann". Der "Ruheforst"-Mitarbeiter war durchaus von der Kritik am zweiten Parkplatz beeindruckt – und ruderte dann zurück: "Wir können den gerne jetzt herausnehmen, wir brauchen ihn nicht unbedingt." Zumal dieser Parkplatz auch für weitere Vergrößerungsschritte des Areals vorgesehen war. Denn die insgesamt 21 Hektar werden erst nach und nach erschlossen, zunächst sind erst einmal fünf Hektar an der Reihe.

Andere Fragen der Räte betrafen die Räumpflicht, die nicht an der Stadt hängen bleiben soll, und ob der Hauptparkplatz öffentlich bleibt. Die gesamte Verkehrssicherungspflicht im Bestattungswald, so Budde, liege bei seinem Unternehmen. Und ein Parkplatz auf städtischem Grund sei immer öffentlich, erklärte Ordnungsamtsleiter Achim Weitz.

Sebastian Cuny (SPD) begrüßt es, "dass es bald losgeht", auch wenn "einiges noch unrund ist", erinnerte aber an die "emotionalen Diskussionen" der letzten Jahre. Tatsächlich haben nicht alle ihren Frieden mit dem Bestattungswald gemacht: "Wir sind nach wie vor dagegen, unsere Bedenken wurden nicht ausgeräumt", sagte Jutta Becker. Die Freien Wähler lehnten – bis auf Matthias Meffert, der sich enthielt –, wie auch Thomas Kröber (AfD) nicht nur die Satzung, sondern das ganze Projekt ab. Die große Mehrheit, inklusive der einst bestattungswaldkritischen CDU, stimmte dafür.

Update: Dienstag, 25. Mai 2021, 16.31 Uhr


Der Schriesheimer Bestattungswald kommt 2021

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Fünf Jahre ist es her, dass der ehemalige Grüne-Liste-Stadtrat Heinz Waegner die Idee eines Bestattungswaldes ins Spiel brachte. Nun, nach kontroversen Diskussionen, ist es so weit: Bürgermeister Hansjörg Höfer und "Ruheforst"-Geschäftsführer Jost Arnold unterzeichneten am Montag den Vertrag: Die Firma pachtet auf 99 Jahre das 30-Hektar-Grundstück unterhalb der Kipp in Altenbach an. Vor einem halben Jahr hatte der Gemeinderat nach denkbar knapper Abstimmung sein Plazet gegeben.

Damals war es noch unklar, welche Firma den Zuschlag erhalten sollte, denn es gab zwei Anbieter: "Friedwald" aus Griesheim bei Darmstadt, 2001 gegründet, und "Ruheforst" aus Erbach im Odenwald, 2003 gegründet. Beide sind in etwa gleich groß: "Friedwald" hat bundesweit 74 Standorte, "Ruheforst" 69. Beide Firmen, so Höfer, hätten vergleichbare Angebote vorgelegt, am Ende hätten sich die Stadträte für "Ruheforst" entschieden – auch wegen der geografischen Nähe. Der nächstgelegene "Ruheforst"-Standort ist Bad Dürkheim.

Schon im nächsten Jahr will Arnold loslegen. Zentraler Eingang (und Parkplatz) wird auf der Kipp sein; hier soll auch eine Bio-Toilette – also ohne Wasser- und Abwasseranschluss – gebaut werden. An dem Waldgebiet mit seinem Buchen- und Eichenbestand will "Ruheforst" nicht viel ändern: Die meisten Wege gebe es bereits, vielleicht werden ein paar Pfade zu den Bäumen, an denen die Urnen vergraben werden, angelegt. Eine klassische Trauerhalle ist nicht vorgesehen, sondern nur ein Kreuz mit ein paar Bänken drum herum – es soll ja möglichst naturnah zugehen. Deswegen wird es auch keine Mauer und keinen Zaun geben – aber eine Friedhofssatzung und -ordnung. Wanderer können also wie gewohnt durch den Wald spazieren. Die bekommen im besten Fall nur durch die Hinweistafeln mit, dass sie in einem Bestattungswald unterwegs sind, denn die Nummern und Namensplaketten sind vom Weg abgewandt. Die angeblichen Probleme mit dem steinreichen Boden hält Arnold für nicht so gravierend: "Der Untergrund ist eher lehmig, die Urnen müssen ja nur 80 Zentimeter tief gegraben werden."

In Bestattungswäldern gibt es nur eine Form der Bestattung: mit der Urne, die aber biologisch abbaubar ist. Im Gegensatz zu den Friedhöfen können sich die "Kunden" ihren Baum selbst aussuchen. Und sie liegen hier auch länger als anderswo, nämlich 99 Jahre (und nicht, wie auf Friedhöfen nur 20 Jahre). Relativ günstig ist es zudem noch: Ein Platz an einem Gemeinschaftsbaum – in etwa vergleichbar mit einem Reihengrab – kostet zwischen 500 und 1500 Euro, hinzu kommt ein Beisetzungsentgelt von etwa 3000 Euro. Totgeborene Kinder werden hier kostenlos bestattet. Und nicht zuletzt: Die Bestattungswälder haben eine viel größere Kapazität als Friedhöfe. Von den insgesamt 30 Hektar an der Kipp sind vielleicht 60 Prozent, also 18 Hektar, nutzbar. Pro Hektar gibt es etwa 100 Bestattungsbäume, unter denen jeweils bis zu 15 Personen beigesetzt werden können – das wären rechnerisch über 20.000 Urnen alleine hier. Aber zunächst will das Unternehmen "mit zwei oder drei Hektar" (Arnold) beginnen.

Aber wieso Schriesheim? "Wir wollen dort hin, wo viele Menschen leben", begründete Arnold die Standortwahl. "Im Rhein-Neckar-Gebiet ist die Situation ideal, Menschen und Natur sind hier nah beieinander." Das Einzugsgebiet der in einem Ruheforst Bestatteten liege in einem Umkreis von 30 bis 50 Kilometern, so Arnold. Man habe auch mit vier anderen Kommunen in der Umgebung verhandelt, aber am überzeugendsten sei der Altenbacher Standort gewesen.

Der immer wieder geäußerten Befürchtung, die Stadt habe nichts vom Bestattungswald, traten Höfer und Arnold entgegen: Die gesamte Verkehrssicherungspflicht im Wald – also den Schutz der Besucher vor herabfallenden Ästen – trage "Ruheforst"; die Firma ist auch für den Unterhalt der Toiletten verantwortlich. Zudem erhalte die Stadt Pacht für den Bestattungswald – man hört von 6000 Euro im Jahr –, deutlich mehr, als bisher seine Bewirtschaftung einbringt: "Die Holzpreise sind momentan im Keller", so Höfer. Er betonte, dass "auf die Stadt keine Folgekosten zukommen". Und Arnold erinnerte an die "Umwegrendite" für Schriesheim und Altenbach: "Die Besucher wollen ja etwas essen und trinken, vielleicht auch übernachten." Insofern habe diese Einrichtung auch einen touristischen Effekt.

Aber macht solch ein Bestattungswald den städtischen Friedhöfen, die alle defizitär sind, nicht doch Konkurrenz? Arnold meint nein: "Die einen wollen auf den Friedhof mit seinen vielen Bestattungsformen; die anderen wollen in die Natur – da gibt es keine Schnittmengen. Kurz: Da wird den Friedhöfen nichts weggenommen." Zumal Bestattungswälder im Moment eher eine Nische sind: 19 Prozent der Deutschen können sich solch eine Form der letzten Ruhe vorstellen, acht Prozent werden auch tatsächlich in einem Wald bestattet.

Update: Montag 14. Dezemberg 2020, 18.16 Uhr


Der Bestattungswald kommt jetzt doch

Von Micha Hörnle

Schriesheim. "Totgesagte leben länger", sagte DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker 1989 zum 40. (und letzten) Geburtstag seines Staates. Mit weniger historischer Dramatik gilt das auch für das Dauerprojekt "Bestattungswald". Bürgermeister Hansjörg Höfer hatte einmal gesagt, dass es den wohl in seiner Amtszeit nicht mehr geben wird. Wie man sich irren kann: Am Ende stimmte er selbst für den Bestattungswald – wie auch eine knappe Mehrheit des Gemeinderates. Die RNZ fasst die Geschichte des Projekts zusammen.

> Anfang und erstes Ende: Schon 2016 hatte der einstige Grüne-Liste-Gemeinderat Heinz Wagner die Idee eines Bestattungswaldes, seine Liste zog mit, schließlich fanden sich mit der SPD und der FDP weitere Unterstützer. Das wichtigste Argument, so Wolfgang Fremgen (GL) in der Sitzung vom Mittwoch: "Die Nachfrage nach naturnahen Bestattungsformen hat zugenommen. Und die individuelle Grabpflege wird schwieriger." CDU und Freie Wähler waren schon von Anfang an skeptisch: "Wir brauchen keine Konkurrenz zu unserem Friedhof. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass da Bedarf besteht", so beispielhaft vorgestern Bernd Hegmann (Freie Wähler). Und nicht zu vergessen: Welche Kosten kommen auf die Stadt zu – angefangen von der Verkehrssicherungspflicht über einen Parkplatz bis hin zu Toiletten. Auch die Bürger sind sich nicht ganz einig – so äußerten sich in der Fragestunde zwei Besucher, und zwar genau gegenteilig: ein lebhaftes Plädoyer dagegen ("Verschandelt unseren Wald") wie dafür ("Wir wünschen uns eine solche Bestattungsform").

Als geeignetes Gelände dafür wurde eine 25-Hektar-Fläche Wald an der Altenbacher Kipp ausgemacht: einerseits recht verkehrsgünstig gelegen, weitgehend erschlossen, in einem nicht allzu steilen Gelände mit einem gesunden Mischwald, aber auch relativ laut (wegen der Schützen und der Kartbahn). Hier wurde später der Boden untersucht – mit dem Ergebnis: zu steinig. Damit schien das Projekt "Bestattungswald", wenn es nicht zu pietätlos klingt, gestorben.

> Neuanfang: Die Grünen ließen sich dadurch nicht entmutigen, zumal die Firma "Friedwald" weiter an der Kipp sehr interessiert war. Auf eigene Kappe und Kosten ließ sie dort noch einmal den Boden untersuchen, berichtet Stephan Martini von "Friedwald" auf RNZ-Anfrage. Die Ergebnisse widersprachen alten Erkenntnissen über den Waldboden: "Wenn ich mal auf einen Stein soße, dann heißt das nicht automatisch, dass man dort kein Urnengrab von 25 Zentimetern Durchmesser und 80 Zentimetern Tiefe vergraben kann." Die Steine seien "locker im Boden verteilt", wie sein Dutzend eigener Bodenproben ergeben hätte. Da nun "Friedwald" das alleinige Risiko tragen wolle, gab es für Grüne Liste, SPD und FDP keinen Grund mehr, das Projekt zu aufzuschieben.

> Die Debatte: Im Grunde sind dir Fronten seit den letzten fünf Jahren die alten, vielleicht noch eine Spur härter: CDU und Freie Wähler waren davon ausgegangen, dass sich der Bestattungswald durch das Bodengutachten erledigt hätte. Und nun soll er doch durchgedrückt werden, "dabei sind wir kein Stück weiter", so Michael Mittelstädt (CDU). Nadja Lamprecht (Freie Wähler) meinte: "Andere Gemeinden warnen uns eindringlich davor. Wieso sollen ausgerechnet wir der Vorreiter an der Bergstraße werden?" Sebastian Cuny (SPD) versuchte, mit einem Schuss philosophischer Anwandlung die Wogen zu glätten ("Die Trauer ist so individuell wie das Leben"), und als Liberale hatte Ulrike von Eicke sowieso etwas dagegen, den Bürgern vorzuschreiben, wie sie sich beerdigen lassen.

> Die Überraschung: Obwohl sich Bürgermeister Höfer lange aus der Debatte herausgehalten hatte, wurde er am Mittwoch überraschenderweise zum Fürsprecher des Bestattungswaldes und bügelte die Gegenargumente ab: Der Stadt entstünden keine Kosten, der Wald sei dort "nicht sehr ertragreich", und auf dem Friedhof sei es schließlich auch laut. Er fand, es sei "nun ein Punkt erreicht, an dem wir eine prinzipielle Entscheidung fällen und dann direkt in Vertragsverhandlungen gehen sollen". Am Ende gab sein Votum den Ausschlag – bei 15 Stimmen dafür (Grüne Liste, SPD, FDP und Höfer) und 13 dagegen (CDU, Freie Wähler, AfD und Bürgergemeinschaft).

Update: Donnerstag, 28. Mai 2020, 18.58 Uhr

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