Mit dem Gebäude in der Goldbeckstraße habe man eine gute Wahl getroffen, findet der ASB. Trotzdem hätte er gerne noch einen Standort in Schriesheim. Foto: Kreutzer
Von Marco Partner
Hirschberg. Man hat sich eingelebt in der Rettungswache in Hirschberg. Gut und gerne 15 ASB-Mitarbeiter gehören zum Stammpersonal des im Oktober 2019 eröffneten Standortes. Und man wird dringend gebraucht. Ganze 2930 Mal wurde die neue Rettungsdienst-"Filiale" des Arbeiter-Samariter-Bundes im ersten Jahr schon zum Einsatz gerufen. "Alles Fahrten, die sonst von Weinheim, Heidelberg oder Mannheim übernommen werden", weiß Rettungsdienstleiter Hendrik Maier. Mit dem Gebäude in der Goldbeckstraße habe man eine gute Wahl getroffen. Und dennoch könnte es sich bei der Hirschberger Wache mit Blick auf Branichtunnel und den Odenwald um eine Interimslösung handeln.
"Der Einzug verlief vom Start weg reibungslos. Es ist ein schöner Standort, aus zwei Gesichtspunkten", bilanziert Maier. Zum einen herrschten in dem angemieteten Gebäude gute Arbeits- und auch Erholungs- und Aufenthaltsbedingungen. "Es braucht Rückzugsmöglichkeiten, um Einsatzberichte zu schreiben, um Fälle nachzubesprechen. Oder auch für die Ausbildung und Übungen", betont der Leiter des ASB Rhein-Neckar. Zwei bis vier Rettungssanitäter sowie zwei Notärzte des Universitätsklinikums Heidelberg sind täglich in der neuen Einrichtung untergebracht und in stetiger Einsatzbereitschaft.
"Der zweite positive Faktor ist die Standortlage, die verkehrliche Anbindung" verrät Maier. Von der Golbeckstraße in Großsachsen sind die Sanitäter schnell auf der Autobahn, und können somit auch rasch nach Schriesheim, Weinheim oder Heddesheim ausrücken. Die Notärzte wurden im ersten Jahr ganze 966 Mal gerufen. Wie die fast 3000 Fahrten des Rettungsdienstes handele es sich dabei um eine erwartbare Größe.
Die Hilfsfrist liegt bei 15 Minuten. Das bedeutet, in 95 Prozent aller Fälle muss der Einsatzort in unter einer Viertelstunde erreicht werden. Deutschlandweit seien die Einsätze steigend. "Daher ist die neue Wache auch eine Entlastung für die anderen Rettungswachen der Region", so Maier. Im Ernstfall geht es schließlich um wertvolle Minuten, die Leben retten können.
"Daher war Hirschberg ein überfälliger Standort. Zuvor klaffte in der Bergstraße eine Lücke", weiß Maier, und bezeichnet Schriesheim immer noch als Idealfall. Durch den Branichtunnel könnte man schnell den Vorderen Odenwald erreichen. Dort ist in Schönau-Altneudorf bereits ein Rettungsdienst vorhanden. Vor allem aber die notärztliche Versorgung könnte im Norden Schriesheims, oder auch im Süden von Leutershausen stationiert sein. Gespräche mit der Stadt Schriesheim wurden schon geführt. Nun müsse man abwarten, ob ein geeignetes Gebäude beziehungsweise eine Fläche gefunden wird. Seitens des ASB wird bekanntlich der "Park&Ride"-Platz an der Landstraße favorisiert.
Letztlich müsse es auch nicht unbedingt auf eine Entweder-oder-Entscheidung hinauslaufen. "Die Rettungswache in Hirschberg hat sich jetzt schon bewährt, das eine muss nicht abhängig vom anderen sein", sieht Maier für die Rettungswache in Großsachsen Zukunftspotenzial. Und blickt noch mal auf das allmählich ablaufende, aber immer noch kuriose Jahr 2020 zurück: "Abläufe und Routinen, die man sich über Jahrzehnte in der Branche angeeignet hat, waren auf einmal durcheinandergewirbelt. Positiv gesagt, es war eine spannende Erfahrung", sagt er mit Blick auf die große Corona-Herausforderung.
Vor allem im Frühjahr wurden die Sanitätsdienste auf eine harte Probe gestellt. "Wir wurden mit einer völlig neuen Situation konfrontiert", sagt Maier und meint dabei weniger den Umgang mit infektiösen Patienten oder Verdachtsfällen, sondern primär die Lieferketten, der plötzliche Engpass bei Schutzausrüstung und Versorgungsartikeln. Auch der ASB bekam wie andere Rettungsdienste den exorbitant steigenden Bedarf an Mund- und Nasenschutz zu spüren. "Wir hatten immer genug Vorrat, mussten aber viel mehr Zeit und mehr Geld investieren."
Für gewöhnlich genügte ein kurzer Blick ins Lager oder in die Vorratskammer. "Dann ein Fax oder eine E-Mail, und am nächsten Tag war ein Paket mit Mundschutz da", so Maier. Nicht in Corona-Zeiten. "Wir haben zwei Mitarbeiter in Vollzeit auf die Logistik abgestellt, und es gab eine Preisexplosion. Die gängigen OP-Masken waren zwischendurch 50 mal teurer als gewohnt", verrät er. Auch bei Beatmungsschläuchen kam es zu Lieferverzögerungen, aktuell seien Hygienehandschuhe schwieriger zu beschaffen. Insgesamt aber habe sich "alles wieder ein bisschen eingependelt".
Inzwischen ist für die ASB-Mitarbeiter auch die Ausnahme zur Routine geworden. "Den Umgang mit infektiösen Patienten sind wir gewohnt, das ist Bestandteil des Berufs. Dennoch bedeutet es einen zeitlichen Mehraufwand", erklärt Maier. Denn nach jeder Fahrt muss das Fahrzeug gründlich desinfiziert werden, und steht solange nicht für die nächste Rettung zur Verfügung.
Im April habe es eine Delle bei den Einsätzen gegeben. "Es war ein gravierender Einbruch, ein Rückgang um fast 50 Prozent", schildert Maier. Der Grund: Zum einen wurden in den Krankenhäusern Operationen verschoben. "Aber viele Leute haben sich gar nicht mehr getraut, Leistungen des Gesundheitssystems in Anspruch zu nehmen. Bei Schwindelanfällen sind manche einfach zuhause geblieben", betont der Rettungsdienstleiter. Inzwischen bewegten sich die Fahrten auf einem ähnlichen Niveau wie in den Vorjahren. Und der ASB stellt sich auf ein weiteres Problem ein: die mögliche Kapazitätsknappheit von Intensivbetten. Im Notfall müssen die Rettungsdienste genau wissen, welches Krankenhaus angesteuert werden kann. Egal, ob man aus Heidelberg, Weinheim oder Hirschberg anrückt.