Trotz gelegentlicher Aussetzer: Lernen über die Plattform Moodle funktioniert eigentlich ganz gut – auch in Ladenburg. Symbolbild: dpa
Von Katharina Schröder
Ladenburg. Überlastete Server und Hackerangriffe: Damit machte Moodle zuletzt von sich reden. Aber wenn erst einmal alles funktioniert, sieht der Fernunterricht gar nicht so schlecht aus. Die RNZ traf sich mit neun Schülerinnen und Schülern vom Ladenburger Carl-Benz-Gymnasium (CBG) samt Lehrer im digitalen Klassenzimmer BigBlueButton.
"Horror ist es auf keinen Fall", findet Lehrer Hannes Koderisch. Der Unterricht über die Lernplattform Moodle und das Videokonferenztool BigBlueButton ermögliche in Baden-Württemberg, dass Schulen unabhängig von Daten sammelnden Firmen sind, sagt Koderisch.
Er lobt die Struktur dahinter. "Es gibt zwei sehr kompetente, aber kleine Teams von Lehrkräften, die sich um Moodle und BigBlueButton kümmern." Dieser pädagogische Blick auf die Technik sei bei Problemen viel wert. Perfekt ist es trotzdem nicht. "Das Geld ist meist nur für die Technik da, nicht für das Personal", kritisiert Koderisch.
In welchem Rahmen der Fernunterricht abläuft, demonstriert der Lehrer mit neun Schülerinnen und Schülern. Nach und nach schalten sie sich in BigBlueButton dazu, Kameras und Mikrofone bleiben aus. Das sei auch so ein Punkt. "Ich kann nicht von den Schülern verlangen, dass sie ihre Kameras einschalten", sagt Koderisch. "Zum einen, weil das einen Eingriff in die Privatsphäre ist, zum andern, weil es eine große Belastung für das Netz ist, und einige dann aus der Konferenz fliegen." Das offenbart das wohl größte Problem am Fernunterricht: die Internetverbindung. "Wir können Schülern, die zu Hause keinen Platz haben, in der Notbetreuung der Schule Räume zur Verfügung stellen. Wir können Endgeräte beschaffen, aber wir können nicht für eine bessere Internetverbindung sorgen", schildert Koderisch.
An dieser Stelle würde im physischen Klassenraum wohl zustimmendes Murmeln einsetzen, in der BigBlueButton-Konferenz bleibt es dagegen still. Aber per Klick signalisieren einige Schüler, dass sie etwas sagen wollen.
Koderisch ruft die 16-jährige Caroline auf, sie schaltet ihr Mikro an. Das Problem mit dem Internet kenne sie gut. "Eine Freundin von meiner Schwester kommt sogar bei uns vorbei, weil das W-lan bei ihr zu Hause nicht ausreicht." Die 15-jährige Joela erzählt, dass sie drei Geschwister hat und dass ihr Vater auch im Homeoffice arbeitet. Wenn sie alle vier gleichzeitig ihre Videokonferenzen hätten, dann breche regelmäßig alles zusammen. Das Problem betreffe auch Lehrkräfte, diese hätten schließlich auch oft Kinder, die am Fernunterricht teilnehmen, merkt der 16-jährige Arif an. Die IT-Probleme fasst der 16-jährige Konstantinos zusammen: "Manchmal geht Moodle eben unter. Aber unsere Schule hat sich gut vorbereitet, da ist dann niemand komplett planlos."
Viele stellen sich das Fernlernen als stundenlange Videokonferenz vor. So ist es aber nicht. "Wir lernen hier, vom synchronen Unterricht wegzukommen", erzählt Koderisch. "Das können wir auch in Zukunft nutzen." Die Lernkurve auch bei Lehrkräften sei sehr hoch. Immer wieder gibt es Stillarbeitsphasen. In Unterräumen können sich Schüler bei BigBlueButton in kleinen Gruppen zusammentun.
Dafür haben die CBG’ler zum Teil ganz eigene Strategien entwickelt. "In einer Arbeitsphase habe ich auch schon mit einer Freundin telefoniert, bei der Besprechung in der Gruppe haben wir dann aufgelegt", schildert die 15-jährige Laila. Konstantinos erzählt, dass während des Unterrichts stets parallel in der WhatsApp-Klassengruppe diskutiert werde. "Wir müssen ja nicht alle Fragen im BigBueButton-Chat stellen, manchmal klären wir das einfach unter uns." Den ganzen Tag vor dem Bildschirm zu sitzen, finden die meisten Schüler anstrengend. "Man trifft sich ja auch in der Freizeit nur digital", sagt der 15-jährige Marius. "Manchmal ist das echt ein bisschen viel." Schon nach den ersten fünf Tagen im Fernunterricht habe er abends Kopfschmerzen gehabt – und mit dieser Erfahrung ist er nicht allein in der Gruppe. Trotzdem sehen alle auch etwas Positives. So findet Lukas: "Wir haben wahrscheinlich mehr digitale Kompetenz als Jahrgänge vor uns." Gleichzeitig fürchtet er, dass soziale Kompetenzen verloren gehen könnten. Caroline mag, dass sie Pausen jetzt flexibler nutzen kann.
Koderisch sieht Chancen im digitalen Unterricht. "Man kann schnell Live-Umfragen machen, das ist ein schöner Einstieg in ein Thema", sagt er. Auch anonyme Evaluation gestalte sich einfacher. "Und wir können kleine Wettbewerbe zu Unterrichtsthemen machen." Für all das müsste man in der Schule erst in einen Computerraum gehen, was Zeit koste.
Problematisch sei aber, dass er die Klasse nicht sieht. Normalerweise sehe er Schülern an, wenn sie etwas nicht verstehen. Im Fernunterricht warten sie dagegen, bis sie aufgerufen werden. "Dann ist der Lehrer manchmal schon drei Themen weiter", sagt Konstantinos. Koderisch stimmt zu: "Manche Lehrer träumen ja davon, dass die Schüler immer ruhig sind, aber in der Praxis ist das gar nicht so gut."
Insgesamt bleibt Koderisch positiv: "Ich glaube nicht, dass wir wegen ein paar Wochen Fernunterricht eine ganze Generation verlieren." Er findet es gut, dass der Präsenzunterricht für einige Wochen ausgesetzt ist. Denn er hat die Hoffnung, dass die Infektionszahlen dadurch so stark sinken, dass Unterricht in der Schule wieder stabil möglich ist. "Ohne, dass jede Woche neu abgewogen werden muss."