Ladenburg

Das war los beim Rundgang von "Wir gegen Rechts"

Muss Kasper mit Weinflasche entfernt werden? - Broschüre zu jüdischem Leben wird neu aufgelegt

11.11.2019 UPDATE: 12.11.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden

Nass, kalt und windig war es, als der Stolperstein-Rundgang losging. Davon ließen sich die Teilnehmer aber nicht abhalten. Foto: Sturm

Von Axel Sturm

Ladenburg. Es war nass, kalt und windig als die Sprecherin des Arbeitskreises Jüdische Geschichte, Ingrid Wagner, den Stolperstein-Rundgang begann. Eingeladen dazu hatte das Bündnis "Wir gegen Rechts", dessen Sprecherin Wiebke Hünermann-Neuert die Veranstaltung wegen des Wetters eigentlich absagen wollte. "Die jüdischen Menschen mussten mit solchen Bedingungen aber monatelang zurechtkommen. In den Baracken der Lager gab es nicht mal eine Heizung, der Boden war schlammig und die hygienischen Bedingungen waren katastrophal", sagte Hünermann-Neuert. Und so machten sich die Teilnehmer auf den Weg.

Hünermann-Neuert pflegt die Kontakte zu den Nachkommen der jüdischen Ladenburger, die am 22. Oktober 1940 in das südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert wurden. Mahnen und an die unmenschlichen Geschehnisse immer wieder zu erinnern, das ist eine der Aufgaben des Arbeitskreises. Im Lobdengau-Museum wurde mit Unterstützung der Mitglieder eine Abteilung zur Jüdischen Geschichte eingerichtet, die Dokumentation über die Geschehnisse in der Nazi-Zeit ist vorbildlich.

In der Chronik wurde das dunkelste Kapitel der Stadtgeschichte wissenschaftlich aufgearbeitet und die Publikation "Die jüdischen Ladenburger" ist ein Buch, das angesichts der aktuellen Geschehnisse in Deutschland aus den Regalen geholt werden sollte. "Wem nicht bekannt war, welch wichtige Rolle Juden in Ladenburg übernommen haben, dem wird mit dem Buch verdeutlicht, welche hervorragenden Leistungen in religiösen, sozialen, kommunalen und wirtschaftlichen Bereichen erbracht wurden", hatte der langjährige Vorsitzende des Heimatbundes, Egon Lackner, bei der Vorstellung des Werks gesagt.

In Ladenburg wurden 36 Stolpersteine verlegt, die regelmäßig von Heike Pfisterer, Julike Bauhus und Linda Selig poliert werden. Foto: Sturm

Um zu erinnern, dass derartige Verbrechen an der Menschlichkeit nie wieder geschehen dürfen, riefen Ingrid Wagner und Jürgen Zieher dazu auf, die Aktion "Stolpersteine" des Künstlers Gunter Demnig auch in Ladenburg umzusetzen. 44 000 Stolpersteine aus Messing hat der Künstler mittlerweile hauptsächlich in Deutschland verlegt, sie wurden am letzten frei gewählten Wohnsitz der Deportierten in das Pflaster des Gehwegs eingelassen. 36 Steine wurden zwischen Mai 2007 und März 2009 in Ladenburg verlegt. Der Gemeinderat beschloss die Verlegung ohne Gegenstimme, drei von 22 Ratsmitgliedern enthielten sich bei der Abstimmung. Bei der Verlegung ihrer Stolpersteine vor dem Haus in der Weinheimer Straße 20 waren die Geschwister Ruth Steinfeld und Lea Weems dabei. Sie wurden 1940 nach Gurs deportiert und überlebten, weil sie von einer Organisation der Quäker freigekauft wurden. Sie wurden von französischen Bauern versteckt, wuchsen in einem Waisenhaus auf und gingen schließlich nach Amerika.

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"Für Lea und Ruth war die Verlegung der Stolpersteine sehr emotional", berichtete Wagner an der ersten Station des Rundgangs. Hier erwähnte sie auch das vorbildliche Verhalten der heutigen Hausbesitzer. Die Familie Schön-Stoll begrüßte die Verlegung der Stolpersteine und pflegt regen Kontakt zu den Nachkommen der jüdischen Familie. Die Künstlerin Gudrun Schön-Stoll setzte sogar ein Kunstprojekt zu Ehren von Lea Weems und Ruth Steinfeld um, das in Amerika viel Beachtung fand. Andere Hausbesitzer tun sich heute noch schwer mit den Stolpersteinen vor ihren Häusern. Der Versuch, die Stolpersteine entfernen zu lassen, lief allerdings in Ladenburg ins Leere.

Unvergessen: Tamara Fischer heftet eine Rose an die Tafel der Ehemaligen Synagoge. Ihr Vater ist Jude und sie hat noch viele Verwandte in Israel. Foto: Sturm

Beim Rundgang wurde erneut die "Verhöhnung der jüdischen Ladenburger" an der ehemaligen Synagoge thematisiert. So nennt Wagner den Kasper mit der Weinflasche, der über der Gedenktafel steht, die an die Reichspogromnacht und die Zerstörung der Synagoge erinnert. Der Arbeitskreis hat Kontakt zu einer jüdischen Organisation aufgenommen und um Unterstützung gebeten. Wagner berichtete, dass es das Ziel sei, den Kasper zu entfernen. Die Chancen dafür stünden gut. Die Stadt müsste aber mit dem Regierungspräsidium Kontakt aufnehmen, um diese "Verhöhnung" zu melden. Bürgermeister Stefan Schmutz, der am Rundgang teilnahm, sicherte eine rechtliche Prüfung zu. Auch er findet die Figur an der ehemaligen Synagoge unangemessen.

Dem konnte sich Tamara Fischer nur anschließen. Sie legte an der Gedenktafel an der Synagoge und am von Schülern des Carl-Benz-Gymnasiums geschaffenen Mahnmal am Marktplatz eine Rose nieder. Fischers Vater ist Jude, sie hat in Israel noch viele Verwandte. Zukünftig will sie sich im Arbeitskreis engagieren.

Nach dem Besuch von sechs Stolpesteinstationen sagte Bürgermeister Schmutz, man müsse ein Zeichen gegen die Provokationen aus dem rechten Lager setzen. Daher kündigte er die Neuauflage der Broschüre "Spuren Jüdischen Lebens in Ladenburg" an, die am 27. Januar 2020, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, unter anderem an Ladenburger Schulen verteilt werden soll.

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