Kündigung nach 51 Jahren

Die Kinzigs aus Ladenburg haben jetzt eine neue Wohnung

Die Katholische Gemeinde hatte den Bewohnern der Anliegerwohnung gekündigt. Nun zieht das Ehepaar in die Lopodunumstraße. Die Pfarrgemeinde will die Kosten tragen.

05.08.2019 UPDATE: 06.08.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden

Jahrzehnte betreuten Helmut und Anneliese Kinzig die Johannes-Kirche in der Weststadt. Den Abriss der Kirche anschauen zu müssen, hätten sie nicht ertragen. Foto: Sturm

Von Axel Sturm

Ladenburg. 51 Jahre lang wohnten die ehemalige Kindergartenleiterin Anneliese Kinzig und ihr Mann, der Hausmeister des Kindergartens Helmut Kinzig, in der Anliegerwohnung der katholischen Kindertageseinrichtung. Zwei Pfarrer hatten ihnen versprochen, dass sie hier ihren Lebensabend verbringen können - eine Kündigung der Wohnung sei ausgeschlossen. Dann kam alles anders: Anfang Juli wurde Kinzigs vom neuen Pfarrgemeinderat das Kündigungsschreiben überreicht. Wegen Eigenbedarfs sollten sie die Wohnung zum schnellstmöglichen Zeitpunkt verlassen.

Der Schock bei den tiefgläubigen Katholiken war groß, obwohl die Pfarrgemeinde versprach, ihnen beim Umzug zu helfen und auch finanzielle Nachteile im üblichen Rahmen auszugleichen. Für das Ehepaar, das sich auch viele Jahre als Kirchendiener um die Johanniskirche kümmerte, die direkt neben ihrer Wohnung steht, brach eine heile Welt zusammen.

Nachdem die RNZ über die Kündigung der Wohnung berichtete, waren das Entsetzen, aber auch die Hilfsbereitschaft groß. "Wir haben noch nie so viele aufmunternde Briefe und Hilfsangebote erhalten", sagt Helmut Kinzig beim erneuten RNZ-Besuch vor wenigen Tagen, "das war für uns eine große Hilfe. Die Anteilnahme an unserer Situation war überwältigend." Ein Heidelberger Mieterverein bot ihnen juristische Unterstützung an, einige Anrufer boten dem Ehepaar eine Wohnung zu bezahlbaren Konditionen an - in Ladenburg ist das eine Seltenheit.

Die meisten Angebote passten aber nicht zu den Bedürfnissen der über 80-Jährigen. Helmut Kinzig ist gehbehindert und besitzt einen elektrischen Roller, der untergestellt werden muss. Allein daran scheiterten schon einige Angebote. Das Ehepaar sucht zwar keine klassische barrierefreie Wohnung, aber Treppensteigen wollte die 88 Jahre alte Anneliese Kinzig möglichst nicht mehr. "Noch geht es einigermaßen, aber man wird ja nicht jünger", sagt sie.

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Obwohl Kinzigs tief enttäuscht waren vom Vorgehen der Pfarrgemeinde, schauten sie sich nach einer neuen Wohnung um. Denn es gab für sie auch durchaus gute Gründe, die Weststadt zu verlassen. Am meisten schmerzt sie die Aussicht, dass "ihre Kirche", die sie Jahrzehnte lang auf die Gottesdienste vorbereitet hatten, in wenigen Monaten abgerissen werden soll. Der Platz des entweihten Gotteshauses wird für die Erweiterung des Johannes-Kindergartens benötigt - aus diesem Grund sollten Kinzigs auch die Anliegerwohnung verlassen.

Schon als das Gotteshaus vor einigen Jahren von der Pfarrgemeinde aus Kostengründen aufgegeben wurde, waren Kinzigs erschüttert. "Wenn wir hätten zusehen müssen, wie die Abrissbirne auf die Kirche kracht, wäre das für uns kaum zu ertragen gewesen", sagt Helmut Kinzig.

Das bleibt dem Ehepaar nun erspart. Am Freitag haben sie einen Mietvertrag für eine Dreizimmer-Wohnung in der Lopodunumstraße unterschrieben. "Natürlich sind wir erleichtert. Jeder kann sich vorstellen, wie belastend die Situation für uns war", sagt der langjährige CDU-Stadtrat und Ehrenvorsitzende des Traditionsvereins Sängereinheit. Er und seine Frau hoffen nun, dass die Pfarrgemeinde nicht erneut wortbrüchig wird. "Es wurde uns versprochen, dass der Umzug von der Kirche bezahlt wird. Außerdem muss für die Übernahme einer Einbauküche eine Lösung gefunden werden."

Helmut Kinzig kehrt noch einmal in die Bütt zurück

Für das Ehepaar hat der Einzug in die neue Wohnung sogar Vorteile. Sie wohnen nun in der Nähe der Altstadt, wo ihre Kinder Barbara und Peter leben. "Jetzt sehen wir unsere Enkel öfters", freut sich Anneliese Kinzig. Auch das Umfeld gefällt dem Ehepaar sehr. Sie blicken direkt auf den Reinhold-Schulz-Waldpark und in unmittelbarer Nähe befinden sich gut ausgebaute Spazierwege. "Alles wird gut", sagte Kinzig.

Für Kinzigs nimmt eine unschöne Geschichte so ein gutes Ende. Und sogar die Ladenburger Fastnachter werden etwas davon haben: Helmut Kinzig ist ein bekannter Mundartdichter und Fastnachter in der Kurpfalz. Gerne nahm er auch als Leierkastenmann der Sängereinheit das Stadtgeschehen unter die Lupe. Seine scharfzüngigen Analysen brachten die Probleme und Geschehnisse auf den Punkt. Im vergangenen Jahr kündigte Kinzig allerdings seinen Rückzug aus der Bütt an.

Das Vorgehen der katholischen Pfarrgemeinde bei der Kündigung der Mietwohnung wird ihn im kommenden Jahr aber noch einmal zurückkehren lassen. Das Gedicht über den Vorgang sei zu 90 Prozent fertig, sagt Kinzig.

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