Benedikt Kauertz vom Heidelberger Ifeu-Institut referierte in der Stadtbücherei. F.: Dorn
Weinheim. (keke) "Wir müssen die weltweite Plastikflut stoppen." Und: "Es gibt das Szenario, dass im Jahr 2050 mehr Plastik als Fische in den Weltmeeren schwimmen." Es ist ein Menetekel, das Uli Sckerl kürzlich vor den Besuchern einer Wahlkampfveranstaltung der Grün Alternativen Liste (GAL) und der Grünen an die Wand malte. "Angst und Bange" könne einem werden angesichts von laut Statistik jährlich pro Kopf anfallenden über 220 Kilogramm Verpackungsabfall. Davon 37,6 Kilo Plastikmüll.
Selbst an den entlegensten Orten wird Plastikabfall gefunden. Dieser Müll fällt nicht zuletzt in Deutschland an. Oft wird er einfach verbrannt und eben nicht hochwertig recycelt. "Und noch öfters landet er in der Umwelt", legte Sckerl den Finger in die Wunde. Die Politik müsse die Vermüllung der Weltmeere stoppen. Deren Zustand sei katastrophal, marine Arten und Lebensräume bedroht.
Wie es um die Vermüllung des Planeten bestellt ist und wie die von Plastik ausgehende Gefahr aussieht, erläuterte Benedikt Kauertz vom Heidelberger Institut für Energie und Umweltforschung (Ifeu). Erster Bürgermeister Torsten Fetzner stellte eine darauf aufbauende Initiative der Stadt vor. Seit längerer Zeit machten sich Mitarbeiter der Verwaltung Gedanken, wie Weinheim mit dem Thema umgehen soll. Bei den Einzelhändlern und ihrem Verein "Lebendiges Weinheim" habe man mit der Idee eines "plastiktütenfreien Einkaufens" offene Türen eingerannt.
Die weiterführende Idee des "Lebendigen Weinheim" ist nun, eine gemeinsame Mehrwegtasche mit den Logos der beteiligten Betriebe zu entwickeln. Weitere Gedankenspiele drehen sich um eine "plastikbecherfreie Kerwe". Für das entsprechende Mehr an Geschirr wird ein Spülmobil benötigt. Man suche derzeit Sponsoren, so Fetzner. Sckerl verwies auf die letzten Haushaltsberatungen und den GAL-Antrag, eine Abgabe auf Wegwerfprodukte wie Plastiktüten, Coffee-to-Go-Becher oder Take-Away-Verpackungen einzuführen. Die Stadt Tübingen habe Anfang 2019 eine entsprechende Initiative gestartet. "Wir wollen uns anschließen und uns auf die Socken machen."
"Erst kam die (Plastik-)Flut, heute haben wir die Wut", forderte Kauertz eine gesamtgesellschaftliche Strömung gegen das überhandnehmende Plastik. Das "plastikfreie Weinheim" stelle indessen nur eine "halbgute Idee" dar. Das Wichtigste am Mehrwegsystem sei, dass der entsprechende Artikel tatsächlich mehrfach benutzt wird. "Einen ganzen Schrank voller Mehrwegtüten oder Kaffeebecher zuhause zu haben, schützt die Umwelt nicht."
Kauertz: "Die aktuelle Situation des Kunststoff-Recyclings in Deutschland ist unbefriedigend." Prinzipiell sei das System zwar gut. Doch leide es an zu unterschiedlichen Materialien und zu kleinteiligen Produkten. Ziel sollte weniger die energetische, sondern die stoffliche Verwertung sein. Und auch das Abdriften in andere Verpackungen und Produkte wie Spüliflaschen, Fasern oder Ähnlichem gelte es zu vermeiden.
Allein der Blick auf die Nutzung von Heißgetränkebechern verdeutlicht die Dimensionen. Ob aus der Systemgastronomie wie Kaffeeketten, Bahn und Flugzeugversorgung kommend, betrieblich in Kantinen, Heimen und Krankenhäusern verwendet oder in Bäckereien und an Tankstellen ausgegeben: Unterm Strich ergibt sich die Ausgabe von 2,8 Milliarden Stück pro Jahr.
Doch wie kann jeder dazu beitragen, die Plastikflut zu verringern? Wichtigste Regel ist, beim Einkauf die Verpackungsmengen zu reduzieren, indem man einen "Unverpackt"-Laden oder Wochenmarkt besucht. Darüber hinaus gilt es, Mehrwegtaschen und -obstnetze intensiv zu nutzen, "Gemüsekisten" zu abonnieren, Regionales und Saisonales sowie große Gebinde zu bevorzugen. Es gilt weiter, Konsumorte und -situationen zu überdenken: "Brauche ich das jetzt?", "Kann ich den Abfall vor Ort und sinnvoll entsorgen?" und "Bin ich bereit, ihn herumzutragen, bis ich das kann?" Informiert bleiben, aber keiner Hysterie folgen sowie Schwarz-weiß-Denken kritisch hinterfragen sind weitere Aspekte. Letztlich dürfe keiner hoffen, dass Andere die Probleme lösen.