Von Annette Steininger
Hirschberg. Werner Volk (Freie Wähler) ist seit gut 22 Jahren Gemeinderat. Im RNZ-Interview erzählt der Fraktionsvorsitzende, wie er damit umgeht, zugleich auch Zweiter Bürgermeister-Stellvertreter zu sein. Er äußert sich zur Gewerbeparkserweiterung, für die er keine Alternative sieht und erklärt, warum er guter Hoffnung ist, dass er den Bau der Ortsrandstraße noch in seiner Gemeinderatslaufbahn erleben wird.
Herr Volk, Sie haben ja eine Doppelfunktion als Gemeinderat und Zweiter Bürgermeister-Stellvertreter. Ist das manchmal problematisch?
Sie ist vielleicht in dem Sinne problematisch, als dass man manchmal mehr in die Neutralität gehen muss. Aber eigentlich habe ich noch keine problematische Situation erlebt. Ich habe bei mir selbst festgestellt, dass ich ein bisschen ruhiger und etwas neutraler geworden bin.
Die Freien Wähler und Sie selbst sind aber durchaus dafür bekannt, dass sie auch mal poltern können. War das 2020 besonders oft erforderlich?
Nein, 2020 gar nicht. Das hat sich durch die Situation gar nicht ergeben. Beim Haushalt hatten wir ja kaum Spielräume und mussten sogar einen Nachtragshaushalt verabschieden. Vor dem Hintergrund hatte ich nur kein Verständnis für so manchen Kosten bringenden Vorschlag von GLH oder SPD wie den Bürgerpass oder die Sozialstaffelung der Kindergartenbeiträge. 2020 sind wir finanziell noch mit einem blauen Auge davongekommen, aber die nächsten zwei, drei Jahre werden hart. Wir haben schließlich einiges an Investitionen verschoben, was wir dennoch irgendwann angehen müssen.
Noch bevor der Wahlkampf für den Bürgerentscheid so richtig Fahrt aufgenommen hat, kochen jetzt aber schon die Emotionen hoch. Dabei schien es doch mal Einigkeit zu geben hinsichtlich einer Erweiterung des Gewerbeparks um nur fünf Hektar. Warum hat sich das geändert?
Die fünf Hektar wurden in einem Gespräch bei der Klausurtagung 2019 genannt, aber es gab keine Abstimmung darüber. Damals ging es nur darum, den Unternehmen an der südlichen Grenze des Gewerbegebiets die Möglichkeit zu geben, ihre Firmenfläche zu vergrößern. Aber die Situation hat sich geändert: Firmen wie Goldbeck Solar und Rifcon, die ja beide hier in Hirschberg ansässig sind, wollen auf der Erweiterungsfläche bauen. Dafür reichen die fünf Hektar nicht. Wenn sie hier keine Fläche bekommen, ziehen sie nachher um. Und wir wollen unsere Unternehmen am Ort halten. Außerdem haben wir jetzt die Chance, dass wie bei der ersten Entwicklung des Gewerbeparks die Gemeinde keine Kosten hat, sondern der Projektentwickler die Kosten übernimmt und später auf die Eigentümer umlegt.
Würden wir jetzt nur fünf Hektar entwickeln und später merken, dass wir doch noch weitere fünf brauchen, dann kämen vielleicht Kosten auf die Gemeinde zu, weil Leitungen nicht mehr passen oder weitere Straße gebaut werden müssen. Jetzt haben wir auch die Chance, den lang gewünschten Radweg zwischen Gewerbegebiet und Heddesheimer Straße zu realisieren, zusammen mit der Notzufahrt in diesem Bereich. Es wird definitiv keine Erschließung über die Heddesheimer Straße geben, wie mancher behauptet.
Hat Sie es denn geärgert, dass die Bürgerinitiative "Bürgerbegehren Hirschberg" von einigen "Prestigeprojekten" gesprochen hat, für die die Gemeinde viel Geld ausgegeben würde?
Ja, und wie. Wenn wir das Hilfeleistungszentrum nicht gebaut hätten, wären die Feuerwehren nicht fusioniert. Es hätte kein Ärztehaus in Großsachsen und kein Betreutes Wohnen in Leutershausen gegeben. Der Bauhof müsste immer noch zwischen drei Standorten hin- und herpendeln. Ich glaube, manchmal sind der Bürgerinitiative die Auswirkungen nicht klar. Daher: Das Hilfeleistungszentrum ist definitiv kein Prestigeprojekt, sondern es war notwendig.
Die Freien Wähler haben bei einem Thema ihre Meinung geändert: Plötzlich hat Ihre Fraktion von einer vierten Halle gesprochen. Warum?
Wir wollten eine vierte Halle vor allem deshalb, weil sie die Sportgemeinde Leutershausen wollte. Nachdem aber der Zweite Vorsitzende deutlich gemacht hat, dass sie gar keinen Wert mehr auf eine Halle auf der grünen Wiese legen, haben wir auch unsere Meinung geändert. Es würde jetzt auch gar nicht mehr in den Zeitplan passen, eine solche Halle zu bauen. Es hat sich herausgestellt, dass uns sonst eine Spielfläche fehlen würde, während wir die beiden bestehenden Sporthallen sanieren. Daher lösen wir das Ganze durch den Anbau an die Sachsenhalle. Was allerdings bei den Hallen im Ort nicht vernachlässigt werden darf, sind die Parkplatzprobleme und die Lärmbelästigung für die Anwohner.
Jetzt kommt also der Anbau an die Sachsenhalle und perspektivisch ein Bürgerhaus. Aus Ihrer Sicht die beste Lösung?
Wir mussten eine rote Linie finden. Das Bürgerhaus ist letztlich noch ganz weit weg. Klar ist aber auch, dass wir vor allem in Leutershausen dringend eine Veranstaltungsfläche brauchen, auch durch die inzwischen eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten der Aula der Martin-Stöhr-Schule. Allerdings sind das Zukunftsvisionen. Es gibt jetzt einen Planungsvorschlag, aber wie dann das Bürgerhaus in fünf oder vielleicht auch erst in zehn Jahren aussieht, hängt letztlich auch von den finanziellen Ressourcen ab. Ich bin mir recht sicher, dass wir kein Haus in der Größenordnung, wie es jetzt geplant ist, mit gut 450 Sitzplätzen und mehreren Nebenräumen bauen können. Ein Standort an der Heinrich-Beck-Halle hätte Charme, aber auch das ist nicht in Stein gemeißelt. Klar ist: Ein Bürgerhaus gehört mitten in den Ort.
Hirschberg hat für solche Großprojekte ja eigentlich kein Geld. Sind Steuererhöhungen unumgänglich?
Wir haben in der Tat momentan ganz andere Probleme als ein Bürgerhaus: Im aktuellen Haushaltsentwurf sind allein 8,2 Millionen Euro an Investitionen möglich, 2022 werden es wohl noch mal 6,7 Millionen Euro. Für den evangelischen Kindergarten müssen wir noch mal 4,4 Millionen Euro in die Hand nehmen, Dach- und Innensanierung der Grundschule Großsachsen stehen ebenso an wie die Sanierung des katholischen Kindergartens Leutershausen. Und dann haben wir ja auch noch laufende Kosten wie die Ausgaben für die Kinderbetreuung, die mit fünf Millionen Euro zu Buche schlagen. Zum Vergleich: Als ich 1999 als Gemeinderat angefangen habe, waren es 600.000 Deutsche Mark. Kurzum: Wenn wir die Gewerbeparkserweiterung nicht realisieren können, werden Steuererhöhungen unumgänglich sein. Irgendwann ist der "große Topf" eben leer.
Geld könnte auch für eine Ortsrandstraße benötigt werden. Glauben Sie, dass Sie deren Bau in Ihrer Gemeinderatslaufbahn noch erleben werden?
(lacht) Es kommt darauf an, wie lange ich das mit dem Gemeinderat noch mache. Ich bin jetzt seit knapp 22 Jahren Gemeinderat, davor war ich fünf Jahre lang beratendes Mitglied im Ausschuss für Technik und Umwelt. Und genauso lange begleitet mich schon das Thema. Ich glaube aber, wir waren noch nie so nah dran an der Ortsrandstraße wie jetzt, weil die Mehrheit der Bürger und des Gemeinderats jetzt sehen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, um das Verkehrsproblem in der Ortsdurchfahrt von Großsachsen zu lösen. Jetzt müssen wir abwarten, wie die Fördertöpfe gefüllt sind und wie wir da drankommen. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ich den Bau in meiner Gemeinderatslaufbahn noch erleben werde.
Auch etwas langsam geht es mit einem eventuellen Neubaugebiet voran. Warum wollen die Freien Wähler denn jetzt vor allem preisreduzierten und keinen sozialen Wohnungsbau mehr?
Wir möchten eben erreichen, dass die Mieten bezahlbar sind und dass wir junge Familien hier am Ort halten können und sie nicht wegziehen müssen. Für sozialen Wohnraum braucht man Platz, und bei uns geht es ja nur um ein kleines Neubaugebiet von vielleicht ein bis drei Hektar. Auf den Konversionsflächen beispielsweise ist für solche Konzepte genügend Raum.
Was würden Sie denn der Fraktionsarbeit der Hirschberger Freien Wähler 2020 für eine Note geben? Und warum?
Ich würde uns mindestens eine 2 plus geben, weil wir auf alle Probleme eine Antwort haben. Unsere Fraktionszusammenstellung ist auch einfach gut: Wir haben für alle diffizilen Sachen jemanden, der sich auskennt – vom Handwerker, über den Architekten, den BWLer bis hin zum Obstbauer. Außerdem gibt es nicht viele Fraktionen, die das Ohr so nah an der breiten Bevölkerung haben, wie wir.
Worauf sind Sie denn besonders stolz?
Ich möchte da gar nichts hervorheben. Wir versuchen immer, unser Bestes für die Bürger zu geben. Ich bin am 14. März stolz auf meine Fraktion und die Bürger, wenn die Mehrheit beim Bürgerentscheid mit Nein stimmt und wir die Gewerbeparkserweiterung realisieren können.
Was hat sich Ihre Fraktion für 2021 vorgenommen?
Wir wollen unsere Arbeit weiterhin bodenständig und realistisch gestalten. Und wir wollen verantwortungsvoll mit der schwierigen Situation, die uns 2021 bevorsteht, umgehen. Wir müssen uns um sehr viele Projekte kümmern. Unser großes Ziel ist es, dass wir den Bürgerentscheid erfolgreich hinter uns bringen. Damit wir für die Zukunft finanziell und nachhaltig gerüstet sind und den Standard, den wir den Schulen, Kindergärten und Vereinen jetzt bieten, aufrechterhalten können.