Die Hausrotschwanz-Eltern kümmerten sich aufopferungsvoll um den Nachwuchs im Nest auf dem Schrank. Foto: privat
Von Annette Steininger
Hirschberg-Leutershausen. "Eine lustige Geschichte" hat Ragna Heinecke, Leiterin der Katholischen Öffentlichen Bücherei und erfolgreiche Doppelkopf-Spielerin vom Verein "Sprücheklopfer" zu erzählen. Nach dem Auszug von Sohn Tobias renovierte die Familie das einstige Kinderzimmer und machte ein Gästezimmer daraus. "In Zeiten von Corona stand dieses natürlich leer, allerdings war das Fenster zum Lüften auf Kipp", erzählt Heinecke.
Sie und ihr Mann Thomas wurden stutzig, als sie eines Tages Moos auf dem Boden fanden. Schließlich entdeckten sie oben auf dem Schrank in der äußersten Ecke ein Nest. Dies schien zunächst ziemlich verlassen, und so holte Thomas Heinecke eine Leiter und wollte das Nest entfernen. "Womit er jedoch überhaupt nicht gerechnet hatte, war, dass ihn ein Hausrotschwanz erbost aus dem Nest heraus anspähte", erzählt Ragna Heinecke schmunzelnd. So standen die Zwei eine Zeit lang Auge in Auge, und das Ehepaar entschloss spontan: "Frisch renoviertes Zimmer hin oder her – das Nest bleibt.
Der Hausrotschwanz-Nachcwuchs frisch geschlüpft. Foto: privatUrsprünglich in den Bergen und steinigen Hängen beheimatet, zieht es den Hausrotschwanz immer häufiger auch in menschliche Besiedelungen, so der Naturschutzbund. Dort brütet er gerne in Mauernischen oder Halbhöhlen. Oder eben bei Heineckes auf dem Schrank.
Die beiden Hausrotsschwanz-Eltern flogen abwechselnd durch das gekippte Fenster ein. Sie brüteten "drei Musketiere" aus, wie sie die Heineckes nannten. Bis sich herausstellte, als sie etwas größer wurden, dass sich auch noch ein "d’Artagnan" dazugesellt hatte.
Beide Elternteile brachten Würmer und anderes Getier, und die Kleinen wuchsen innerhalb von zwei Wochen zu "Teenagern" heran. Die Überraschung bei Heineckes war groß, als die Jungvögel das erste Mal das Nest verließen. Sie entdeckten tatsächlich noch ein "Nesthäkchen", etwas kleiner als die anderen, aber ebenso munter. Ihm gaben die Leutershausener den Namen "Puttiputt", nach einem Bilderbuchklassiker. "Äußerst interessant war, dass die Eltern zwar Abstand zu uns hielten, aber akzeptierten, dass wir ab und an einen Blick in das Nest warfen", erzählt Ragna Heinecke. Sie sahen aus einiger Entfernung zu, gaben das ein oder andere Piepsen von sich, flogen aber nicht weg und warteten, bis die Menschen das Zimmer verließen und fütterten dann ihre Jungen weiter.
Ragna Heinecke. Foto: KreutzerWenn die Heineckes das Fenster von außen beobachteten, sahen sie, dass beide Hausrotschwanzeltern nach dem Füttern auf der Fensterbank saßen und auf den jeweiligen Partner warteten, bis er mit Füttern fertig war. Danach gingen die Vögel dann gemeinsam wieder auf die Jagd und kamen meistens auch gemeinsam wieder zurück. "Ein interessantes Sozialverhalten", findet die KÖB-Leiterin.
Zeitungsschnipsel, die die Heineckes auf den Schrank legten, um ihn vor Verunreinigungen zu schützen, gefielen den Hausrotschwänzen allerdings überhaupt nicht. Diese wurden auf direktem Wege wieder durch das Fenster nach draußen gebracht und in Einfahrt und Garten verteilt. Die Folien aber, die die Leutershausener über die Möbel gelegt hatten, und die Zeitungen auf dem Boden blieben aber "Gott sei Dank", so Heinecke, an Ort und Stelle.
"Leider", sagt sie bedauernd, wuchsen die Kleinen so schnell heran, dass nach gut zwei Wochen vier der kleinen Hausrotschwänze flügge waren und von den Eltern nach draußen gelockt wurden. Lediglich das kleinste Vögelchen, "Puttiputt", lebte noch bis Dienstag bei Heineckes in der Goethestraße, da es bis dahin noch nicht fliegen konnte.
Fasziniert beobachten die Heineckes, wie es von Tag zu Tag immer sicherer wurde. Und bis zuletzt kümmerten sich die Eltern hingebungsvoll um ihren Nachwuchs.
Die Hausrotschwanz-Eltern (oben ein Elternteil) beäugten die Familie Heinecke immer neugierig, wenn sie ins Zimmer kam, flogen aber nicht weg. Foto: privat"Unsere Befürchtung, dass das Zimmer stark verunreinigt ist, hat sich übrigens nicht bestätigt. Es scheint sich um sehr reinliche Tiere zu handeln", berichtetet Ragna Heinecke begeistert. Sie hätten noch nicht einmal die Eischalen finden können. Jetzt sind auch die Vögel weg, aber eine tolle Erinnerung bleibt.