Von Annette Steininger
Hirschberg. FDP und SPD sind mit jeweils zwei Mann die kleinsten Fraktionen im Hirschberger Gemeinderat. Im RNZ-Interview spricht FDP-Fraktionsvorsitzender Oliver Reisig darüber, warum liberale Ideen trotzdem erfolgreich sind. Er äußert sich auch über die kommunalpolitischen Herausforderungen in der Corona-Zeit und warum eine dritte Halle und ein Bürgerhaus trotz der angespannten Haushaltslage auf der Agenda der FDP sind.
Herr Reisig, ein turbulentes Corona-Jahr liegt hinter uns. Wie sehr war davon die Gemeinderats- und Fraktionsarbeit betroffen?
Die Fraktionsarbeit hat es jetzt erst in der zweiten Welle hart getroffen, weil man sich auch über die neuen Medien abstimmen muss, weil das persönliche Treffen so gar nicht mehr geht. In der ersten Welle war die politische Arbeit schon ziemlich zum Erliegen gekommen. Wir haben dann ja Sitzungen gecancelt und versucht, das Ganze über Umlaufbeschlüsse zu machen. Ich denke aber, man hat sich inzwischen ein bisschen eingegrooved, was die Situation angeht. Politisch war natürlich die zweite Haushaltssperre hintereinander das bestimmende Thema. Zum Zeitpunkt, als wir den Haushalt entworfen und verabschiedet haben, konnte keiner die Auswirkungen der Corona-Krise voraussehen.
Die FDP ist mit zwei Mann die kleinste Fraktion im Hirschberger Gemeinderat. Finden liberale Ideen dort dennoch Gehör?
Ja. Auch wenn wir die kleinste Fraktion sind, haben wir mit der Nachhaltigkeitssatzung, die wir schon seit Jahren gefordert und schließlich 2019 verabschiedet haben, eine klassische liberale Idee hineinbekommen. Auch das Thema "Haushaltsdisziplin", das ja letztlich darauf basiert, haben wir jahrelang gefordert, und immer mehr Fraktionen sind dann auch auf den Trichter gekommen. Wenn man beharrlich ist, Kompromisswillen zeigt und mit anderen Fraktionen eine politische Basis findet, dann haben auch die liberalen Ideen der kleinsten Fraktion Einfluss. Bestes Beispiel ist die Gewerbeparkserweiterung. Das ist eine Maßnahme, die die FDP schon seit Jahren gefordert hat. Und jahrelang waren wir damit allein auf weiter Flur. Jetzt war die Zeit reif, und dann haben wir es auch voranbringen können.
Ein großes Thema der Liberalen ist ja immer wieder Sparen, auch gerade angesichts der angespannten Haushaltslage. Wie steht denn die FDP-Fraktion den kostenintensiven Wünschen der Vereine nach einer dritten Halle und einem Bürgerhaus gegenüber?
Die Projekte sind zwar teuer, das ist keine Frage. Aber was das Thema "Dritte Halle" angeht, ist es alternativlos. Zum einen: In der Abstimmung mit den Sportvereinen haben sie uns deutlich machen können, dass die Hallen wirklich an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Was auch herausgekommen ist: Wenn wir beiden Sporthallen sanieren, dauert das sehr lange, und wir müssen die Hallen über Monate schließen. Also brauchen wir Ersatz. Wir werden eine dritte Halle benötigen, um die bestehenden sanieren zu können. Zum anderen: Vereine sind das, was den Ort liebenswert macht. Sie pflegen das soziale Leben, und dafür müssen die entsprechenden Räume da sein. Jeder Verein braucht eine gewisse Heimat. Uns war auch klar, dass, wenn wir etwas für die Sportvereine machen, müssen wir auch an unsere Kultur schaffenden Vereine denken. Klar ist aber auch: Beim Bürgerhaus sprechen wir nicht von drei, vier Jahre, sondern über einen deutlichen längeren Zeitraum. Doch egal ob Bürgerhaus oder Hallen: Was wir dabei nicht vergessen dürfen, ist , dass wir dadurch auch Werte für die Gemeinde schaffen.
Ihre Fraktion schlägt ja vor, an der Zukunftswerkstatt zu sparen. Warum sehen Sie ausgerechnet bei diesem Thema – es geht hier ja um sozial schwache Bürger – Einsparpotenzial?
Sparen ist das falsche Wort, wir wollten es verschieben. Wir reden hier über freiwillige Leistungen; es ist keine Pflichtaufgabe für die Gemeinde. Wir sehen es so, dass die Gemeinde mit den Pflichtaufgaben, seien es jetzt Schulen oder Kindergärten, schon so viele Projekte vor sich hat und wir überhaupt nicht wissen, wie sich 2021 finanziell entwickelt. Jetzt mit den Bürgern im Rahmen einer Zukunftswerkstatt zu reden und dann sagen zu müssen, wir haben aber momentan kein Geld dafür, fanden wir den falschen Weg. Wir hätten die Entscheidung lieber auf 2021 vertagt, dann hätten wir auch zustimmen können. Zweifelsohne ist es eine gute Geschichte, mit den Bürgern in den Dialog zu gehen und ihre Ideen abzurufen.
Aber für eine Ortsumgehung sollte die Gemeinde schon Geld in die Hand nehmen?
(lacht) Naja, da sind wir noch in der Abstimmung mit Bund und Land, welche Fördermöglichkeiten es gibt. Fakt ist, das ist ein Thema, das Hirschberg schon seit Jahrzehnten beschäftigt. Man hört es von den Bürgern immer wieder, dass da der Schuh drückt. Also muss man etwas unternehmen. Allein darauf zu hoffen, dass der Bund als Eigentümer der B 3 eine Lösung findet, reicht nicht. Daher haben wir uns aufgemacht, die verschiedenen Fördermöglichkeiten auszuloten. Klar ist, bevor wir nicht wissen, was kostet uns das Ganze und wie sieht eine Förderung aus, können wir uns nicht weiterbewegen.
Wir bleiben noch ein wenig beim Geld: In der Gewerbegebietserweiterung sieht die FDP ebenso wie CDU und Freie Wähler eine wichtige Möglichkeit, um mehr Einnahmen zu generieren. Wie gefährlich könnte den Befürwortern nun der Bürgerentscheid am 14. März darüber werden?
Gefährlich ist ein hartes Wort. Der Bürger hat es jetzt in der Hand, seine Entscheidung zu treffen: Möchte er eine Erweiterung oder nicht. Klar ist: Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Gemeinde, auch wenn natürlich ein Großteil über Umlagen aus dem Haushalt abfließt und im Kreis beziehungsweise Land verteilt wird. Die Erweiterung könnte uns also helfen, unseren Haushalt zu verbessern. Hinter dem Vorhaben stehen aber auch Betriebe, die auf ihren Grundstücken an ihre Grenzen stoßen und Erweiterungsflächen brauchen. Ihnen wollen wir eine Perspektive bieten, um Arbeitsplätze am Ort zu halten oder sogar neue zu schaffen. Es ist wichtig, die Gewerbebetriebe am Ort zu halten, denn auch das ist ein Baustein für eine lebenswerte Gemeinde. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass die Mehrheit der Bürger sich am 14. März gegen eine Erweiterung entscheidet und wir drei Jahre lang auf dem Areal nichts entwickeln können. Wie viele von den Gewerbebetrieben dann nach drei Jahren noch im Ort oder schon längt abgewandert sind, weiß keiner.
Die FDP hat der Bürgerinitiative Bürgerbegehren Hirschberg "Trumpismus" vorgeworfen, in Bezug auf angeblich fehlendes Trinkwasser. Geht schon jetzt ein Stück weit die Sachlichkeit im Wahlkampf verloren?
Ich glaube, wir versuchen, so viel Sachlichkeit wie möglich zu bieten. Mit persönlichen Angriffen oder Angriffen unter der Gürtellinie wird man nicht weit kommen. Ich hoffe, dass die Bürger auf Fakten vertrauen und nicht auf denjenigen, der am lautesten schreit. Aber wenn Fehlinformationen gestreut werden, wie in dem von Ihnen angesprochenen Fall, nach dem zig Millionen Grundwasser fehlen würden durch eine Erweiterung, kann man das nicht so stehen lassen. Es ist doch beim heutigen Gewerbegebiet schon so, dass das Regenwasser versickert werden muss und so dem Grundwasser zugeführt wird. Die Gegner gehen auch hart mit uns ins Gericht; und wenn solche Fehlinformationen gestreut werden, darf man nicht zu leise sein.
Nicht nur für ein Gewerbegebietserweiterung, auch für ein Neubaugebiet setzt sich die FDP ein. Wo sehen es die Liberalen und wie könnte es aussehen?
Für uns ist der Standort aktuell zweitrangig, weil, egal wo, der Bedarf ist gegeben. Junge Familien sollten die Möglichkeit haben, im Ort zu bleiben. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn Hirschberger, sobald sie eine eigene Familie gründen, in andere Gemeinden ziehen müssen, weil sie hier kein Grundstück oder keine Immobilie finden. Und das ist aktuell schon so: Der Wohnungsmarkt in Hirschberg ist quasi leergefegt. Und wenn dann doch mal eine Immobilie auf dem Markt ist, sind das Preise, die sich die wenigstens leisten können. Daher geht unsere Zielrichtung hier hin: ein Neubaugebiet mit bezahlbarem Wohnraum – für die klassische junge Familie, für diejenigen, die die Gesellschaft am Laufen halten. Da müssen wir überlegen, wie wir wegkommen von den 1000 Euro pro Quadratmeter, die in der Region gezahlt werden. Wir kommen sicher auch nicht umhin, eine Komponente für die sozial Schwachen im Neubaugebiet zu haben. Das ist auch richtig so, aber eben mit Maß und Ziel. Wir müssen schauen, dass die bürgerliche Mitte nicht vergessen wird.
In der letzten Zeit gab es vermehrt gemeinsame Anträge und Aktionen des bürgerlich-konservativen Lagers auf der einen und dem grün-roten Lager auf der anderen Seite. Sind die Fronten zwischen diesen verhärtet?
Verhärtet sind sie noch nicht, denn grundsätzlich sind wir immer gesprächsbereit. Man muss aber Kompromisse eingehen, wenn man Mehrheiten finden will. Und das ist auch bei den gemeinsamen Anträgen von CDU, Freien Wählern und FDP passiert. Wir haben Gespräche geführt und gemeinsame Schnittmengen entdeckt. Wenn von Seiten Grünen oder SPD ein guter Vorschlag vorkommt, dann können wir da durchaus auch mitgehen. Aber gerade von diesen beiden war in letzter Zeit wenig Kompromissbereitschaft zu sehen. Ein Beispiel war hier die Sozialstaffelung für die Kindergartengebühren. Da waren die Fronten wirklich verhärtet.
Was würden Sie denn der Fraktionsarbeit der Hirschberger Liberalen 2020 für eine Note geben? Und warum?
Man hat natürlich immer Verbesserungspotenzial, daher würde ich uns eine 2 geben. Obwohl die Voraussetzungen schwierig waren, haben wir unsere Arbeit ziemlich gut gemacht und unsere Themen vorangebracht. Wenn man sich an unser Wahlprogramm von 2019 anschaut, sieht man, wie viele Themen daraus vorangekommen sind: Neubaugebiet, Gewerbeparkserweiterung oder auch Bürgerhaus. Die Neukalkulation der Gebühren hatten wir vor zwei oder drei Jahren gefordert. Das ist nun im Bereich Friedhofsgebühren angegangen worden.
Wo sehen Sie denn Verbesserungspotenzial?
Man könnten sicher noch präsenter sein oder noch mehr Anträge einbringen. Aber da muss man auch vorsichtig sein, denn wir fordern die Verwaltung sowieso schon sehr.
Was sind denn die Ziele Ihrer Fraktion für 2021?
Das erste große Thema wird sein, einen Haushalt aufzustellen, der keine Haushaltssperre nach sich zieht. Das wird schon eine große Herausforderung sein. Auch da werden wir schauen, an welchen Projekten, an welchen freiwilligen Leistungen können wir sparen. Ansonsten wollen wir die großen Investitionsprojekte für 2021 wie die Fertigstellung des evangelischen Kindergartens Leutershausen oder auch die Sporthallen konstruktiv begleiten und darauf schauen, dass die Kosten nicht ganz aus dem Ruder laufen und trotzdem ein gutes Ergebnis erzielt wird. Der Gestaltungsspielraum ist aufgrund der finanziellen Situation derzeit gering, weshalb wir auch schöne Themen wie unsere Idee von einer Toilettenanlage bei der Markthalle ruhen lassen müssen. Wir müssen uns jetzt auf die Pflichtaufgaben konzentrieren.