Von Annette Steininger
Hirschberg. Noch nicht lange im Amt war Bürgermeister Ralf Gänshirt (53), als er schon die Herausforderungen der Corona-Krise meistern musste. Im RNZ-Jahresinterview geht er sowohl darauf ein wie auch auf die Gewerbeparkerweiterung und den Bürgerentscheid. Er äußert sich zudem zur schlechten Stimmung im Gemeinderat. Außerdem gibt er einen Ausblick auf die bevorstehenden Projekte und hält einen flammenden Appell für die Vereine.
Herr Gänshirt, Sie sind jetzt erst knapp 1,5 Jahre im Amt und mussten schon die Corona-Krise stemmen. Wie schwer war das?
Sie ist noch nicht gestemmt. Es ist eine schwierige Situation für die Gemeinde Hirschberg, auch in finanzieller Hinsicht. Vor allem am Anfang hat es gedauert, bis sich alles eingespielt hatte. Die Verwaltung hat aber ein strammes Programm abgeliefert – trotz Corona. Dafür verdient die Mannschaft meinen großen Respekt. Lob auch an den Gemeinderat für den Zusammenhalt und die mitunter pragmatischen Lösungen. Solche Situationen bedürfen besonderer Maßnahmen und besonderer Vorgehensweisen.
Wie bewerten Sie die Corona-Situation in Hirschberg?
Wir sind durch die erste Zeit bis Anfang November relativ gut durchgekommen mit relativ niedrigen Infektionszahlen, das hat sich aber inzwischen in eine andere Richtung entwickelt. Ein positiver Effekt aber von Corona: Die dörfliche Gemeinschaft hält zusammen, wenn es darauf ankommt. Das sieht man beispielsweise an der Unterstützung der Gastronomie. Ich höre immer wieder, dass es hier großen Zulauf gibt. Die Gemeinde Hirschberg hat durch Gutscheinankäufe die Gewerbetreibenden unterstützt und wird es auch weiterhin tun. Im Bereich der Vereine ist es natürlich schwierig, die Mitglieder bei der Stange zu halten. Ich kann hier nur appellieren, den Vereinen die Treue zu halten, auch wenn das Angebot derzeit vielleicht nicht dem entrichteten Beitrag entspricht. Sonst gibt es das eine oder andere Angebot irgendwann eventuell nicht mehr.
Die Pandemie hat die Gemeinde auch vor finanzielle Probleme gestellt, die zweite Haushaltssperre innerhalb von zwei Jahren wurde erforderlich. Wie wollen Sie eine weitere verhindern?
Das ist natürlich unser Ziel, aber in die Glaskugel kann keiner schauen. Wir planen sehr defensiv, was wir aber auch schon im vergangenen Jahr getan haben.
Die Gewerbeparkerweiterung stellen die Befürworter gerne als große Finanzhilfe dar. Würde sie wirklich reichen?
Als wesentlicher Beitrag, um unsere Einnahmesituation zu verbessern und den Haushalt somit auch widerstandsfähiger zu machen, ein klares Ja. Aber ausreichend alleine, um die notwendigen Ausgaben zu finanzieren, wird dies nicht sein. Wobei es mir auch zu wenig ist, die Diskussion um die Erweiterung nur auf Einnahmen zu reduzieren. Es geht ja um viel mehr: Handel und Gewerbe sind nicht nur Steuerzahler, sondern haben einen deutlich größeren gesellschaftlichen Effekt. Es geht um Ausbildungs- und Arbeitsplätze, es geht um Kooperationen mit unseren Schulen. Und es geht auch um Bürger, die sich hier ansiedeln. Es sind so viele Aspekte, die eben nicht monetärer Natur sind.
Sie sagen, es reicht nicht aus. Wie will die Gemeinde ihren Haushalt denn weiter sanieren?
Wir müssen unsere Ausgaben und vielleicht auch lieb gewonnene Standards anpassen. Das ist, zugegeben, leicht gesagt. Zumal wir einen Sanierungsstau haben. Daher müssen wir uns hier jetzt auf den Weg machen. Ich habe ja immer als Schwerpunkt ausgegeben, die kommunalen Gebäude in Ordnung zu bringen. Dazu gehören auch die Sanierungen der Sporthallen samt Neubau, für die wir am Mittwoch einen Grundsatzbeschluss gefasst haben. Wie wir das alles finanziell stemmen, kann man schwer sagen. Da sind zu viele Unwägbarkeiten drin. Wir haben zum Beispiel Zuschussanträge gestellt, von denen wir nicht wissen, ob und wie sie bewilligt werden. Eins ist klar: Was wir mittel- bis langfristig an Investitionen zu bewältigen haben, sind 20 Millionen plus X. Und das Geld fällt nicht vom Himmel. Unser Schuldenstand wird sich automatisch erhöhen, wenn wir unseren Verpflichtungen in dem Maß nachkommen wollen, in dem sich das alles gehört. Und da sind noch keine Neubauprojekte dabei. Da sieht man mal, was die Gemeinde alles vor sich hat.
GLH und SPD zeigen sich verärgert darüber, dass die Kompromisserweiterung von fünf Hektar gekippt und auf zehn Hektar erhöht wurde. War das Ihre Idee? Und hätten fünf Hektar nicht gereicht?
Ich denke, fünf Hektar würden nicht reichen. Allein die Interessenten aus dem bestehenden Gewerbepark könnten schon fünf Hektar Erweiterungsfläche füllen. Außerdem gibt es immer wieder Anfragen von Firmen, die sich hier gerne ansiedeln würden. Der Antrag, die Erweiterung nun voranzubringen, kam dann aus der Mitte des Gemeinderats. Auf meiner Agenda stand dieses Thema nicht ganz oben. Ich hätte mir diese Diskussion auch in ein bis zwei Jahren vorstellen können. Allerdings muss man schon sagen, dass die finanzielle Entwicklung 2019 und 2020 sowie der Flächennutzungsplan, der dann im Sommer 2020 rechtskräftig wurde, diese Zeitschiene wohl auch bei den antragstellenden Fraktionen beflügelt hatte. Ich habe dann in der Tat situationsbedingt die zehn Hektar in die Diskussion eingebracht. Für mich war es letztlich das Signal: Wir sollten es jetzt angehen. Auch vor dem Hintergrund, dass wir als Gemeinde finanziell unabhängiger werden müssen bei unserer Einnahmenstruktur. Es geht auch darum, eine gewisse Resilienz für den Haushalt zu erreichen.
Jetzt kommt es zum Bürgerentscheid. Wie wollen Sie die Bürger erreichen?
Es wird eine Broschüre geben, in Druckform und in einer digitalen Version, die dann über die Homepage der Gemeinde abrufbar ist. Sie erscheint am 11. Februar und wird an alle Haushalte der Kommune als Beilage zum Mitteilungsblatt verteilt. Wir stehen natürlich auch immer zur Verfügung, wenn es Fragen rund um die Erweiterung und den Bürgerentscheid gibt. Ob es eine öffentliche Veranstaltung geben wird, entscheidet der Gemeinderat. Das hängt natürlich auch davon ab, wie sich Corona entwickelt.
Wird auch eine Online-Veranstaltung in Erwägung gezogen?
Das halte ich eher für unrealistisch, Stand heute. Technisch wäre es durchaus denkbar, aber die Interaktion wäre bei einer Präsenzveranstaltung mit Plenum deutlich besser. Ob wir eine Digital-Veranstaltung anbieten, entscheidet letztlich ebenfalls der Gemeinderat.
Eine Sorge mancher Bürger ist, dass es zu einer erheblichen Verkehrsmehrbelastung, insbesondere durch eine Aus- und Zufahrt in der Heddesheimer Straße kommen könnte. Wie wollen Sie ihnen diese nehmen?
Ganz einfach: Diese Planung gibt es nicht und kann auch keine Option sein. Was tatsächlich in der Überlegung war, als damals das Gewerbegebiet erschlossen wurde, und auch noch immer ist: Ob es hier eine Notabfahrt geben kann, die als Rettungs- wie auch als Radweg dienen würde. Leider ist auch dies ein Beispiel dafür, dass aktuell gezielt Ängste und Negativszenarien in die Öffentlichkeit gegeben werden, meist als Suggestivfragen formuliert.
Die Stimmung im Gemeinderat ist nicht die beste. Führen Sie das auf die Gewerbegebietserweiterung zurück? Wollen Sie etwas daran ändern?
Ich würde gerne etwas daran ändern, und ich arbeite daran. Aber es ist schwierig, weil einfach die politischen Gräben sehr groß sind. Die Atmosphäre im Gemeinderat war schon besser, da gebe ich Ihnen Recht. Es liegt aber nicht nur an der Erweiterung; es gibt auch andere Themen, über die gestritten wird. Ich glaube, in der Nach-Corona-Zeit sind Treffen außerhalb der Tagesordnung und außerhalb der Sitzungen hilfreich, um sich zusammenzutun und Verständnis für andere Positionen zu entwickeln. Auch das fehlt in der Corona-Zeit, wie so viele Dinge, die für uns selbstverständlich waren.
Es gab in diesem Jahr viele Anträge seitens des bürgerlich-konservativen Lagers, damit Projekte mehr Fahrt aufnehmen, sei es bei der Ortsrandstraße, bei der Gewerbegebietserweiterung oder beim Neubaugebiet. Waren Sie da zu zögerlich, sie schnell anzugehen?
Zum Grund dieser Anträge müssen Sie die Antragsteller befragen. Meine Amtszeit hat im August 2019 begonnen; bis zu den Anträgen im Frühjahr 2020 sind nur ein paar Monate vergangen. Ich bin mir da keiner Schuld bewusst: Ich bin die Themen mit meiner Verwaltungsmannschaft angegangen, so schnell es ging. Mein Schwerpunkt war klar: Bei der Instandhaltung der kommunalen Gebäude einen Knopf dranmachen. Und bei den Hallen haben wir es mit dem Beschluss am Mittwoch auch hinbekommen. Es war ein jahrelanger Prozess; auf das Ergebnis können alle Beteiligten nun stolz sein. Man darf auch nicht vergessen, dass wir ein Vakuum bei der Bürgermeisterstelle hatten und Positionen in der Verwaltung neu besetzt werden mussten. Wir dürfen glücklich sein, dass wir so schnell eine Komplettierung des Teams hinbekommen haben.
Im Sommer besichtigte Bürgermeister Ralf Gänshirt mit Kindergartenkindern die Baustelle des evangelischen Kindergartens, der Ende 2021 bezugsfertig sein soll. Foto: DornApropos Ortsrandstraße. Nach RNZ-Informationen soll es diesbezüglich ein Gespräch von Ihnen mit dem Regierungspräsidium gegeben haben. Was kam dabei raus?
Wir haben in der Tat ein Gespräch mit dem Regierungspräsidium gehabt. Jetzt sind wir dabei, es verwaltungsintern aufzuarbeiten. Ich denke, wir werden im ersten Halbjahr mit dem Gemeinderat diskutieren, wie wir damit umgehen und wie die weitere Vorgehensweise seitens der Gemeinde aussehen könnte.
Auch das Neubaugebiet bleibt ein Zukunftsthema. Wann und wie will es die Gemeinde angehen?
Ich habe mich mit den Antragstellern verständigt, dass wir die Verwaltungskraft zunächst einmal bei den Themen bündeln, die wir aktuell haben. Der Gemeinderat hat dazu einen Beschluss gefasst, das heißt, das Neubaugebiet steht auf der Agenda. Aber jetzt geht es erst mal um die Hallen und die Gewerbeparkerweiterung. Wir dürfen uns nicht verzetteln. Und gerade bei dem Thema Neubaugebiet werden intensive Gespräche mit den Bürgern, den Eigentümern und dem Gemeinderat vorausgehen müssen. Das braucht Zeit. Aber wir werden das Gebiet schnellstmöglich angehen, denn der Wohnraumbedarf ist da.
Jetzt sind, wie Sie ausführen, erst einmal die Hallensanierungen und der Anbau an die Sachsenhalle dran. Ist das aus Ihrer Sicht jetzt die ideale Lösung und damit der Neubau auf der grünen Wiese endgültig vom Tisch?
Der Bedarf für ein drittes Spielfeld ist da, das ist schon seit Jahren klar. Und wir brauchen auch dieses weitere Spielfeld, um bei der Schließung einer Halle für die umfassende Sanierung darauf ausweichen zu können. Wir können jetzt noch nicht den genauen Zeitplan beschließen, weil wir ein Stück weit vom Bescheid über eventuelle Zuschüsse abhängig sind. Ich sehe jetzt einen großen Konsens hinsichtlich der Vorgehensweise und für den Anbau an die Sachsenhalle. Das war nicht immer so. Aber genau, damit ist der Neubau auf der grünen Wiese vom Tisch.
Ein Bürgerhaus ist nun perspektivisch auch angedacht. Wird sich das Hirschberg überhaupt leisten können?
Wenn die Aufgaben, wie die Sanierung der Hallen, erfüllt sind, halte ich es für wichtig, dass man den kulturschaffenden Vereinen eine Perspektive bietet, zumal wir durch ein solches Gebäude ja auch Synergien erzielen könnten. Es würde dadurch möglich, Angebote für Vereine zu bündeln und andere Immobilien freizubekommen für eine andere Nutzung. Es ist meistens unwirtschaftlich, Angebote an verschiedenen Stellen vorzuhalten, weil die Unterhaltung teurer ist. Das ist kurzfristig ein großer finanzieller Kraftakt, aber perspektivisch der bessere Weg.
Das heißt, die Gemeinde würde sich nach dem Bau eines Bürgerhauses von Immobilien trennen?
Nein, nicht zwingend, die Diskussion stellt sich erst, wenn wir uns über ein neues Gebäude unterhalten. Und das wird der Fall sein, wenn wir bei den Sanierungsmaßnahmen auf die Zielgerade kommen. Damit kann einhergehen, dass wir Gebäude nicht aufgeben, aber zum Beispiel umnutzen, die bisher den Vereinen oder der Musikschule überwiegend zur Verfügung standen. Ich denke da an die Alte Schule in Großsachsen oder die ehemalige Schillerschule in Leutershausen. Wir haben zudem das ehemalige Feuerwehrhaus, und der Schulpavillon wird frei. Da wird es sicher noch die eine oder andere Diskussion geben, aber ich halte es langfristig für den wirtschaftlichsten Weg. Über Mieteinnahmen könnten wir dauerhafte Einnahmen generieren, ohne dass man das Eigentum abgibt.
Einige Vereine wurden von den Überlegungen der Hallenkommission bezüglich eines Bürgerhauses überrascht. Muss die Gemeinde da ihre Kommunikation verbessern?
Die Hallenkommission hat sich zunächst den Hallen verschrieben. Aber ich habe schon im Wahlkampf gesagt, dass wir die Themen nicht getrennt voneinander sehen können. In die Diskussion gehört auch eine Perspektive für die kulturschaffenden Vereine. Deshalb habe ich das in die Hallenkommission eingebracht. Als es dann um den Bau einer Halle auf der grünen Wiese ging, musste bei den Vereinen abgefragt werden, ob sie sich in diesem Zusammenhang dort auch ein Bürgerhaus vorstellen könnten oder lieber eines innerorts wollen. Da mag vielleicht der eine oder andere überrascht gewesen sein, aber ich habe dann ja vor der Gemeinderatssitzung noch einmal das Gespräch mit den Vereinen gesucht und wir haben uns sehr konstruktiv ausgetauscht. Dafür danke ich allen Beteiligten ausdrücklich.
Was wollen Sie für Hirschberg im kommenden Jahr erreichen?
Dass wir endlich loslegen können mit der Hallensanierung. Und natürlich wünsche ich mir, dass wir unseren Gewerbepark erweitern dürfen und dass die Bürger uns weiter daran arbeiten lassen. Dann haben wir noch viele weitere Projekte auf der Agenda wie die offene Zukunftswerkstatt, die ich gerne im nächsten Jahr voranbringen möchte. Aber auch beim Thema Innenverdichtung mit Leerstandskataster, das wir in Auftrag gegeben haben, könnten wir vorwärtskommen. Den Bebauungsplan "Nördlich der Breitgasse" würde ich gern zu Ende bringen, um eine weitere Innenverdichtung in Großsachsen zu erreichen. Ich hoffe, dass die Gewerbeimmobilie im Sterzwinkel realisiert werden kann. Die Sanierung des Spielplatzes am Landwehrhagener Platz soll abgeschlossen werden. Wir nehmen die Straßenbeleuchtung unter die Lupe und stellen an den Stellen, wo es Sinn macht, jetzt schon auf LEDs um. Die Digitalisierung nimmt uns dauerhaft in Anspruch. Wir wollten dort eigentlich eine Stelle besetzen, aber die Personalfindung in dem Bereich gestaltet sich schwierig. Und auch an den noch offenen Anträgen werden wir natürlich arbeiten.
Weihnachten und Silvester werden Corona-bedingt für alle Bürger anders. Stellt Sie das auch persönlich vor Herausforderungen? Und wie werden Sie mit Ihrer Familie feiern?
Vor persönliche Herausforderungen stellt es mich nicht, aber ich bin betrübt. Nicht mit den Menschen in Kontakt zu kommen, tut mir mittlerweile seelisch und körperlich richtig weh. Wir wollten eigentlich als Familie an Heiligabend nachmittags den ökumenischen Gottesdienst auf dem Schulhof der Grundschule Großsachsen besuchen und am späten Abend in die Kirche gehen. Die Gottesdienste mussten nun alle abgesagt werden, sodass wir das YouTube-Angebot der Kirchen nutzen und den Gottesdienst daheim im Wohnzimmer feiern werden. Wie auch an Silvester. Wenn es möglich ist, kommt eventuell eine befreundete Familie aus der Nachbarschaft zu uns. Ich habe noch nicht entschieden, was der richtige Weg für uns ist. Ein hartes Jahr.