"Neues kommt von oben", sagte Sabine Bendiek in ihrem Vortrag in Hirschberg. Foto: Kreutzer
Hirschberg. (ze) Um die Digitalisierung in Deutschland voranzubringen, ist wesentlich mehr notwendig als der Ausbau schneller Internetverbindungen. Neugier, Kultur und Zukunftsfähigkeit sind für Sabine Bendiek die entscheidenden Voraussetzungen, um die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz für den Menschen gewinnbringend einzusetzen. "Mein Job besteht daraus, die Menschen mitzunehmen", beschrieb sie dementsprechend ihre Aufgabe als Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland beim "Hirschberger Kreis".
Erst durch die Neugier der Menschen sei die Entwicklung neuer Technologien überhaupt möglich gewesen. Diese erforderten, dass die Menschen sich verändern. Doch die Menschen verändern sich nicht gerne. "Veränderung bedeutet, dass man nicht weiß, was passiert", sagte Bendiek. In Deutschland höre man zudem oft: Warum soll ich etwas verändern, wenn es doch gut läuft? Dass sei vielleicht der Grund, weshalb Deutschland bei der "digitalen Transformation" hinterher hinke, vermutete Bendiek.
"Neues kommt von oben", sagte sie. Vor allem die Führungskräfte in den Unternehmen seien gefragt, wenn es darum geht, Neuerungen einzuführen. Dabei reiche es nicht aus, von oben herab die Veränderungen zu delegieren, es gehe vielmehr um eine Mitarbeiterkultur. "Die Führungskräfte müssen es vorleben und die Leute begeistern für Dinge, die sie bis dahin nie gemacht haben", sagte Bendiek. Ebenso reiche es nicht aus, einfach nur die besten Programmierer zu beschäftigen. "Wenn wir Maschinen helfen wollen, die Welt zu verstehen, müssen wir die Menschen, die die Maschinen bauen, so zusammensetzen, dass sie die Welt abbilden", verdeutlichte Bendiek und hatte sogleich ein griffiges Beispiel für ihre rund 100 Zuhörer parat - übrigens ein Rekordbesuch beim "Hirschberger Kreis", wie Mitorganisator Volker Langbein anmerkte. Soll ein Computerprogramm in der Lage sein, sehbehinderten Menschen zu helfen, ihren Alltag zu bewältigen, müssen Sehbehinderte an der Entwicklung des Programms mitarbeiten.
Maschinen könnten aber keineswegs den Menschen ersetzen. Durch die in den vergangenen Jahren stark gestiegene Rechenleistung sei es zwar gelungen, dass Maschinen gewisse kognitive Fähigkeiten wie Reden oder Sehen besitzen. Was ihnen aber fehle, sei Innovation, denn sie funktionierten nicht wie ein menschliches Gehirn. Ebenso könnte ein Pflegeroboter zwar die Pflege kranker Menschen übernehmen, die sozialen Kontakte könne er aber nicht leisten.
Bei all dem dürften ethische Grundsätze bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz nicht vernachlässigt werden. Denn künstliche Intelligenz könne Gutes tun, aber auch als furchtbare Waffe eingesetzt werden. So wurden etwa mit Hilfe der Gesichtserkennung viele vermisste Kinder in Indien wiedergefunden. Doch Gesichtserkennung kann auch zur Überwachung von Menschen eingesetzt werden, wie in China. Daher müsse man sich regulatorische Grundlagen überlegen. Maschinen dürften ebenso nicht vom Menschen unbeobachtet agieren, und auch Datenschutz und Transparenz seien wichtige Themen im Umgang mit der künstlichen Intelligenz.
"In Zeiten extremer Veränderung ist die eigene Erfahrung unser größter Feind", hielt abschließend Bendiek für ihre Zuhörer ein Zitat von Jean Paul Getty bereit, das die Probleme mit der Digitalisierung bestens beschreibt. Gerade für Deutschland sei das Gelingen der Digitalisierung in der Arbeitswelt der maßgebende Teil, um den Wohlstand zu erhalten.