Im nächsten Jahr verlässt der ABB-Konzern den Standort Ladenburg. Der Gemeinderat beschloss am Mittwoch die Gründung einer Stadtentwicklungs-Gesellschaft, die sich um die Konzepterarbeitung für das Areal kümmern soll. Fotos: Sturm
Von Axel Sturm
Ladenburg. Vor der geplanten Verabschiedung des Haushaltes 2021 am 27. Januar hatten Stadträte und Verwaltung noch eine Mammutaufgabe zu erledigen: Denn mit der Einbringung von 35 Änderungsanträgen wurden am Mittwochabend bis kurz vor 23 Uhr die politischen Willensbildungen zementiert. Gegen die Corona-Ausgangssperre wurde nicht verstoßen, denn die Verordnung sieht vor, dass der Besuch von Gemeinderatssitzungen ein treffender Grund ist, die Ausgangssperre zu "verletzen".
Corona war auch das einzige Thema beim "Bericht des Bürgermeisters". Die leicht sinkenden Infektionszahlen in Ladenburg seien zwar erfreulich, aber die "Wochen der Wahrheit" stünden noch bevor, meinte Bürgermeister Stefan Schmutz. Einer Lockerung der Maßnahmen kann er nichts abgewinnen. Derzeit sind zwölf Menschen in Ladenburg infiziert. Schmutz glaubt, dass der Betreuungs- und der Schulbetrieb derzeit nicht zur Normalität zurückkehren kann. Er ist zufrieden, dass die Notbetreuungsmaßnahmen nur auf einem niedrigen Niveau angenommen werden. Gut zwei Drittel der vorhandenen Notbetreuungsplätze seien nicht belegt.
Im Mittelpunkt der Vier-Stunden-Sitzung standen aber die Anträge der Fraktionen. Schmutz schickte einen Appell an die Ratsmitglieder voraus. "Wir können jeden Euro nur einmal ausgeben. Je weniger wir heute auf den Vorentwurf draufpacken, desto mehr Spielräume gibt uns der Haushalt", meinte Schmutz. Wären alle Anträge so umgesetzt worden, wie eingereicht, hätte sich das Volumen des 35-Millionen-Haushaltes um circa 2,3 Millionen Euro erhöht. Dazu kam es nicht. Lediglich 15 der 35 Anträge bekamen eine Mehrheit, so dass Stadtkämmerer Daniel Müller nur rund 400.000 Euro Zusatzinvestitionen einplanen muss.
Der Bahnhofsvorplatz ist kein Brennpunkt – trotzdem setzte sich die Gemeinderatsmehrheit für die Installation von Überwachungskameras ein, was die Fraktion der Grünen erzürnte.Skaterplatz: Das Gremium bewilligte dem Jugendgemeinderat Mittel in Höhe von 15.000 Euro. Mit dem Geld soll der Skaterplatz beim Römerstadion attraktiver gestaltet werden. Dort würden Sitzmöglichkeiten aufgebaut und ein Container als Regenschutzplatz umgestaltet, berichtete die Sprecherin des Jugendrates, Jule Walz. Alle Fraktionen stimmten der Mittelvergabe zu, auch wenn es die SPD-Fraktion lieber gesehen hätte, dass die Mitglieder des Jugendrates Aktionen anstoßen, um die Mittel für die Platzverbesserung selbst zu erwirtschaften.
Sirenen-Anlage: Ein Antrag der Grünen fand eine Mehrheit, auf die Anschaffung einer Sirenen-Anlage in Höhe von 20.000 Euro zu verzichten. Dies war der einzige Kürzungsvorschlag, der umgesetzt wurde. Grünen-Rat Marius Steigerwald sah in der Sirenen-Lösung den Kosten-Nutzungsfaktor nicht gegeben, und FDP-Rat Ernst Peters wertete das System im digitalen Zeitalter als "überholt". Sofian Habel (CDU) bedauerte die Mittelstreichung, denn eine frühe Warnung bei Notfällen sei für eine Kommune eine Pflichtaufgabe. Habel schlug auch die Aufstockung des Etats für die Gemeindevollzugs-Bediensteten um 5000 Euro vor, was mehrheitsfähig war.
Digitale Schule: Alle Anträge wurden abgelehnt. Die CDU wollte kommunale Mittel von 70.000 Euro für die Lehrerschulung bereitstellen, um einen besseren digitalen Unterricht zu erreichen. Dies sei aber Landessache, meinte der Landtagsabgeordnete und SPD-Stadtrat Gerhard Kleinböck.
Sozialbericht: Ohne Erfolg forderte die SPD die Erstellung eines solchen städtischen Dokuments sowie einen Bedarfsplan für die Tagespflegeplätze ein.
Römerstadion: Die Grünen zogen ihren Antrag zur Erstellung eines Nutzungskonzepts kurzfristig zurück. Ihr Antrag, eine Planungsrate in Höhe von 25.000 Euro für die Erstellung einer Solaranlage im Freibad zu platzieren, fand eine Mehrheit.
Verkehr: In diesem Bereich wurden die meisten Anträge gestellt. Die von den Grünen geforderte Erhöhung des Radwegenetzes-Etats um 50.000 Euro lehnte die Ratsmehrheit ab. Auf Antrag der FWV wird der Bleichweg saniert, und auch der gemeinsame Antrag der CDU und der Grünen, die Schwarzkreuzstraße und die Neue Anlage zu Einbahnstraßen umzugestalten, fand eine Mehrheit. Die genehmigten 80.000 Euro werden dafür aber nicht reichen, befürchtete Bürgermeister Schmutz.
Ist die Video-Überwachung überhaupt zulässig?
Eine Mehrheit bekam auch der CDU-, SPD- und FWV-Antrag, für 20.000 Euro eine Video-Überwachung am Bahnhofsvorplatz zu installieren. Diese Maßnahme erzürnte Max Keller (Grünen), der von einer nicht legalen Maßnahme sprach. Video-Überwachungen seien nur an Schwerpunkten mit einer hohen Kriminalität zulässig, meinte Keller, der sich mit dem Leiter des Polizeireviers, Peter Oechsler, einig ist, dass es in Ladenburg keine Brennpunkte gibt, die eine Video-Überwachung zuließen. Auch Bürgermeister Schmutz war skeptisch. Vor der Umsetzung will er die rechtliche Situation abklären lassen.
20.000 Euro wurden genehmigt, um das von der SPD und FWV geforderte Parkraumkonzept für die Altstadt umzusetzen. 30.000 Euro stehen jetzt im Haushalt, um eine zusätzliche Ladestation für E-Autos in der Altstadt zu bauen. Diesen Antrag stellte die CDU. 100.000 Euro wollte die SPD einstellen, um versenkbare Poller am Neckartor-Platz zu installieren. Damit könne man "Terroranschläge verhindern", war SPD-Rat Bernd Garbaczok überzeugt.
Die SPD scheiterte auch mit ihrem Antrag, den Straßenbelag der Hauptstraße zwischen dem Marktplatz und dem Weinheimer Tor schon in diesem Jahr in die Wege zu leiten. Keine Mehrheit erhielt zudem der Antrag der Sozialdemokraten, für 200.000 Euro einen Park-and-Ride-Parkplatz am Bahnhof einzurichten. Dieser Wunsch soll im Gesamtkonzept "Bahnhofplatz-Gestaltung" mitaufgegriffen werden.
Natur- und Umweltschutz: Hier wurde richtig geklotzt. Die Grünen fanden für ihre Idee, den Biotop-Verbundplan fortzuschreiben (Kosten 50.000 Euro) eine Mehrheit. Die Maßnahme begrüßte auch der Verwaltungschef Stefan Schmutz, der in dieser Sitzung sein Stimmrecht nicht ausüben wollte. Eine Stellenaufstockung wird es in der Verwaltung geben, denn die Person soll das Thema "Klimaneutrale Verwaltung" angehen. Eine breite Mehrheit fand der SPD-Antrag, ein aktuelles Spielplatz-Konzept zu erarbeiten. Dafür werden 20.000 Euro eingeplant.
Stadtentwicklungs-GmbH: Insgesamt 100.000 Euro wurden dafür veranschlagt. Die SPD schlug die Gründung der Gesellschaft vor, die sich um die Vermarktung und um das Konzept auf dem ABB-Gelände kümmern soll. Bekanntlich verlässt ABB im nächsten Jahr den Standort Ladenburg. Die Grundstücke will die Stadt kaufen, um dort ein neues Gewerbe- und Wohngebiet zu entwickeln. Bürgermeister Schmutz unterstützt das Modell der Stadtentwicklungsgesellschaft ebenfalls. Die Gründung bereite zwar einen erheblichen Aufwand, aber eine solche Gesellschaft könne ein wichtiger Unterstützer für die Verwaltung sein, um die Planungen und den Bürgerbeteiligungsprozess umzusetzen.