Unter dem Motto „Wir machen Fest“ wurde beim Odenwälder Shanty Chor musiziert, gesungen, geschauspielert und sogar gerappt, dass es eine wahre Freude war. Fotos (2): Kreutzer
Von Nicoline Pilz
Hirschberg-Großsachsen. "Was für eine gigantische Geburtstagsparty!" Matz Scheid, der musikalische Leiter des Odenwälder Shanty Chors (OSC) war hin und weg am Ende des ersten Abends in der proppenvollen Alten Turnhalle in Großsachsen, nach dem Wechsel von der Villa in Weinheim der zweite Heimathafen des OSC. Dass man es zum 30. Geburtstag krachen lässt, ist ja durchaus üblich. Aber an drei Abenden hintereinander? Das ist nicht normal.
Aber was ist schon normal bei diesem Chor, der sich am 13. Oktober 1989 gründete, nachdem zunächst drei Männer im eher trockenen Scheid’schen Wohnzimmer ihre Sehnsucht nach dem Meer in wohlklingende Shantys verpackten. Die männlichen Sirenen lockten mit ihrem Gesang durchaus erfolgreich einige weibliche Gleichgesinnte an, Odenwälderinnen in klassischer Tracht, der "Kittelschärz". Man blieb zusammen, um fortan Repertoire und Ruf erfolgreich zu mehren. Und fleißig war man obendrein: Elf CDs sind in 30 Jahren entstanden, die meisten davon als Doppelscheibe. Ein Zeichen ungebrochener Kreativität, der man erst 2015 eine einjährige Pause einräumte. Danach ging’s unverdrossen und mit frischer Spielfreude weiter auf den Bühnen der Region.
Und jetzt eben die gigantische Geburtstagssause "Wir machen Fest", mit Freunden für Freunde: Da wurde musiziert, gesungen, geschauspielert und sogar gerappt, dass es eine wahre Freude war. Schon das Bühnenbild war intensive Blicke wert, so bunt und knuffig wie es sich präsentierte.
Der Einstieg geriet mit "Land in Sicht" putzmunter, wobei das Publikum lernte, dass sich beim OSC "Gischt" unbedingt auf "Sischt" reimt. Manfred Masers Moderationen gaben nicht nur eine knackig zügige Übersicht auf die Chor-Historie, sondern verkürzten mit Witz und Kalauern auch die kleinen Umbaupausen.
Unter dem Motto „Wir machen Fest“ wurde beim Odenwälder Shanty Chor musiziert, gesungen, geschauspielert und sogar gerappt, dass es eine wahre Freude war. Fotos (2): KreutzerDenn der OSC feierte mit langjährigen Weggefährten, mit befreundeten Ensembles aus England, Schweden und gar aus Bremen sowie sehr frühen Mitgliedern wie dem Leiter der RNZ-Wirtschaftsredaktion, Thomas Veigel, oder mit Günther "Gag" Geisinger, Mitbewohner legendärer Wohngemeinschaften, der den Fußball laut Maser gegen romantische Balladen tauschte. "Ball ade" sozusagen.
Kreuzfidel nach den Gastbeiträgen - Visitenkarten für einen Wiedereinstieg in den OSC - dann "Kokko", ein Titel zum Niederknien, dargeboten von den Chorfrauen in besagter Odenwälder Tracht und einem Text, bei dem vor Staunen über diese Merkfähigkeit der Kiefer etwas tiefer klappte. "Erst die Fantastischen Vier, dann wir - das ist im Prinzip die Geschichte des deutschen Hip-Hop", erklärte Maser wenig später. Beim OSC sei allerdings mehr "Hop" als "Hip". Das machte nichts, denn die fetzige Beatbox-Nummer "Uffgerapt" machte nicht nur Matz Scheid fix und fertig. Und danach war noch lange nicht Schluss.
Der elf Jahre ältere Shanty-Chor "Hart Backbord", Maser übersetzte es mit "scha(r)f links", war in Plauderlaune, brachte Fisch, ein Getränk namens "Bullen-Schluck" und etwas unanständiges Liedgut mit aus Bremen. Nicht minder pfiffig das europaweit gefeierte Neo-Folk Duo "Broom Bezzum", trotz Chart-Hit auf Platz 685 immer noch pleite, wie die englischen Pfälzer, "Brexit-Refugees und stolze Europäer", so ihr O-Ton, selbstironisch anmerkten. Ein ausgezeichnetes Geige-, Gitarre- und Gesangsgespann.
Die dritten Freunde im Bunde kamen aus Schweden, das Virtuosen-Quartett Quilty. Die Irish-Folker spielten im vergangenen Jahr auf ihrer Jubiläumstour zum 25-Jährigen erstmals auch in Großsachsen auf. Vor ausverkauftem Haus, was nun auch für die Geburtstagssause des OSC galt: Karten gab’s nur noch auf dem Schwarzmarkt. Das nimmt nicht wunder.
Wer die Truppe erst einmal erlebt hat, und Neulinge gab es am Wochenende tatsächlich einige, ist angesteckt vom OSC-Virus und kann nicht mehr lassen von Professor Alfons Netwohr vom Institut für spekulative Heimatgeschichte und von den schrägen Geschichten, die Matz Scheid, Manfred Maser und ihre Besatzung inszenieren. Wie weit der OSC sein Netz ausgeworfen hat, zeigten die Gastauftritte - mit dabei waren unter anderem auch Adax Dörsam und Joana.