"Seit 2005 schreitet der Stellenabbau voran"
DGB-Vertreter Lars-Christian Treusch kritisiert im Gespräch mit Landtagskandidat Sebastian Cuny die Streichung von Jobs am Stammsitz in Weinheim.

Von Maximilian Rieser
Weinheim. Wenn an einem der größten Wirtschaftsstandorte an der Bergstraße gleich zwei Betriebe einen Stellenabbau ankündigen, schellen bei den Gewerkschaften die Alarmglocken. Zum 30. Juni 2021 schließt die Douglas-Filiale in Weinheim. Außerdem kündigte der Mischkonzern Freudenberg an, 176 Stellen streichen zu wollen. Dies liege vor allem an der Veränderung des Marktes. Diese Veränderung, die eine verminderte Nachfrage an Einlagenmaterialien zur Folge habe, sei durch die Corona-Krise beschleunigt worden. Die bei Freudenberg produzierten Einlagen dienen zur Herstellung von Kleidung wie Sakkos.
Um sich mit den genaueren Umständen des Stellenabbaus bei Freudenberg vertraut zu machen, lud SPD-Landtagskandidat Sebastian Cuny jetzt zu einem Expertengespräch ein. Daran beteiligten sich der Bezirksleiter der IG BCE Mannheim, Steffen Seuthe, und der Regionsgeschäftsführer der DGB Nordbaden, Lars-Christian Treusch. Seuthe sah zwei Probleme im Umgang von Freudenberg mit der Situation der Arbeitnehmer. Zum einen würde der Stellenabbau seit der Zergliederung des Unternehmens 2005 kleingeredet, obwohl er voranschreitet. Zum anderen sei die Pandemie ein vorgeschobener Grund, um eh vorgesehene Kündigungen zu rechtfertigen. Geplante Investitionen, die in die laut Seuthe, veralteten Maschinen fließen sollten, würden nun genutzt, um ein neues Werk am italienischen Standort von Freudenberg in Sant’Omero aufzuziehen.
Natürlich ist auch dieser Standort sei nicht vor neuen Lockdowns gefeit. Der Stellenabbau sei auch ein fatales Signal für die Angestellten, die den Konzern zum Teil seit 40 Jahren tragen. Ein weiterer Kritikpunkt war, dass das Ausbildungszentrum, das Freudenberg vor drei Jahren für acht Millionen Euro bauen lies, seine Kapazitäten stark zurückfahre. In den Jahren 2021 und 2022 werde eine so geringe Zahl an Ausbildungsplätzen angeboten, dass auch das den schleichenden Abbau von Jobs zur Folge habe.
Seuthe kritisierte, dass die entgegenkommende Haltung der Gewerkschaften gegenüber den Arbeitgebern dazu geführt habe, dass diese bei jedem Widerstand die Standortgarantie infrage stellten. Dadurch gerieten die Betriebsräte in die Defensive. Es könnte nicht sein, dass die Arbeitgeber in der Krise Solidarität von ihren Angestellten einforderten, um sich zu retten, diese aber an die finanzielle und arbeitstechnische Belastungsgrenze führten. Treusch hatte zunächst die Ausbildungsplätze im Blick. Aktuell sei ein Rückgang der Ausbildungsplätze um elf Prozent zu verzeichnen. Diese Tendenz alarmiere, da nur eine fundierte Ausbildung qualifizierte Angestellte hervorbringe. Um dem entgegenzuwirken, forderte er die Politik auf, verbesserte Rahmenbedingungen zu schaffen, um Ausbildungsberufe wieder attraktiver zu machen.
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Wirtschaftliche Veränderungen und die damit einhergehenden Transformationen sollten mit den Arbeitnehmern vollzogen werden. Nur so könne eine langfristige Erfolgsstrategie fruchten. Cuny erwähnte den geplanten Weiterbildungsfonds der SPD. Dieser soll die Weiterbildung von Angestellten finanzieren, um sie an die Veränderungen am Arbeitsmarkt anzupassen. ER appellierte an Firmen wie Freudenberg, den Wandel mit den und nicht gegen die Arbeitnehmer zu gestalten. Das unterstützte auch Treusch. Es sollte hingeschaut werden, welche Unternehmen sich an Tarifverträge und andere "Spielregeln" halten. Faires Verhalten gegenüber Arbeitnehmern müsse Voraussetzung sein, um sich für finanzielle Unterstützungen zu qualifizieren. Treusch forderte außerdem Unterstützungen für den Einzelhandel, um auch dort Ausbildungsplätze zu sichern.
Es dürfe nicht allein der Onlinehandel gestärkt werden, da die dort anfallenden Steuereinnahmen meist anderen Staaten zugutekämen.



