Seit Kurzem nagt ein Biber die Bäume an der Fischkinderstube an. Die Gemeinde beginnt noch in dieser Woche mit Schutzmaßnahmen. Foto: Kraus-Vierling
Von Katharina Schröder
Edingen-Neckarhausen.Die "Fischkinderstube" zieht nicht nur Fischnachwuchs und Spaziergänger an. Offenbar fühlt sich hier nun auch ein Biber wohl. Das sei "deutlich erkennbar", sagt Dominik Eberle vom Bau- und Umweltamt der Gemeinde. Denn täglich sind neue Spuren zu sehen. Der eine oder andere Baum hat auch schon gegen den Nager verloren. Jetzt will die Gemeinde ihre Bäume schützen.
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Eigentlich soll das 2018 für rund 3,6 Millionen Euro in der Doppelgemeinde angelegte und vom Land geförderte Flachwassergebiet Fischen einen Laichplatz und ihrem Nachwuchs einen geschützten Lebensraum bieten. Doch offenbar ist die Anlage nicht nur für die Schuppentiere ein guter Lebensraum. An einen Biber dachte die Gemeinde allerdings nicht, als sie die "Fischkinderstube" anlegte. Dass er sich ansiedelt, zeige aber, dass das Ökosystem der Anlage funktioniere. "Es ist somit ein Beweis dafür, dass die ’Fischkinderstube’ ihre ökologische Funktion erfüllt und auch für den Biber attraktiv erscheint", führt Eberle aus.
Ohne Folgen bleibt das Vorkommen des Bibers jedoch nicht. Der Nager ist streng geschützt, man darf ihn nicht vertreiben oder gar bejagen. Die Bäume vor Ort will die Gemeinde allerdings schützen. Deswegen steht sie mit Ulrich Weinhold, dem Biberbeauftragten des Regierungsbezirks Karlsruhe, in Kontakt. Das Habitat des Nagers solle auf ein "verträgliches Maß" beschränkt werden, aber trotzdem für den Biber angemessen sein, erläutert Eberle.
Mit stabilen Maschendrahtzäunen um die Stämme will die Gemeinde die Bäume retten. Die ersten haben schon sogenannte "Drahthosen" an. Wegen der Vielzahl an Bäumen werde der Arbeitsaufwand "recht umfangreich", kündigt Eberle an. Trotzdem soll die Aktion "auf jeden Fall vor den Weihnachtsfeiertagen" abgeschlossen sein.
Ist ein Baum schon so angefressen, dass er nicht mehr zu retten ist, sollte man ihn auf keinen Fall entfernen, rät Experte Weinhold. "Der Biber macht das ja nicht zum Spaß", sagt er. "Damit der Baum nicht unkontrolliert umstürzt, kann man ihn fällen, aber zumindest die Krone sollte man vor Ort lassen."
Hier hat der Biber eine Weide angenagt, diese Baumart schmeckt den Tieren besonders. Foto: Kraus-VierlingDie Gemeinde hat in jedem Fall die Pflicht dafür zu sorgen, dass die angenagten Bäume keine Risiken für Spaziergänger darstellen. Für die Fische besteht laut Weinhold jedenfalls keine Gefahr. "Im Gegenteil. Überall, wo Biber die Landschaft umgestalten, steigt der Fischreichtum", erklärt er. Die Bauwerke des Bibers bieten den Fischen Versteckmöglichkeiten. Zwischen Ästen könnten ihnen zum Beispiel Kormorane nicht mehr hinterhertauchen.
Im Winter ernährt sich der Biber von Bast und Rinde. "Weiden und Obstbäume mag er sehr gern und jüngere Bäume sowieso", sagt Weinhold. Fast zeitgleich mit dem Exemplar in der Doppelgemeinde, tauchte im Ladenburger Waldpark ein Biber auf. "Die Wanderzeit ist eigentlich schon vorbei", sagt Weinhold. Es sei also wahrscheinlich, dass die Tiere schon im Sommer da waren, aber erst jetzt bemerkt wurden, weil sie sich an Bäumen zu schaffen machen.
Dass die beiden neu entdeckten Nager Jungtiere der Ladenburger Biberfamilie im Kandelbach sind, glaubt der Experte nicht. "Die Mitglieder der Ladenburger Biberfamilie sind sicher Nachfahren irgendwelcher Neckar-Biber", sagt er. "Der Neckar ist das Rückgrat unseres Bibervorkommens." Der Fluss sei durchbesiedelt mit den Nagern. Eine Überpopulation sei aber nicht möglich. "Biber verteidigen ihr Revier, und Jungtiere müssen so lange wandern, bis sie ein verlassenes finden." So würden sie weite Strecken zurücklegen. "In Baden-Württemberg sind eigentlich alle guten Reviere schon besetzt", erzählt Weinhold. "Die meisten enden deswegen bei ihrer Suche irgendwann als Opfer im Straßenverkehr." Im Regierungsbezirk Karlsruhe seien 2020 schon 20 Biber überfahren worden.
Bei dem Biber in Edingen-Neckarhausen ist Weinhold noch nicht davon überzeugt, dass er sich tatsächlich in der "Fischkinderstube" niedergelassen hat. "Wahrscheinlich wohnt er irgendwo am Neckar und hat das Gelände als Futterort entdeckt." Bald will er sich die Situation vor Ort auf jeden Fall anschauen.