Beim Ladenburger Wasserturm-Streit ist "die Kuh nun vom Eis" (Update)
Verkäufer Karlheinz Erny zog seine Anzeige gegen die Stadt zurück. Er erhält wohl einen finanziellen Ausgleich für den Schaden.

Von Axel Sturm
Ladenburg. Eine kurze Pressemitteilung, die am Montagabend versendet wurde, belegt, dass sich die Stadt Ladenburg und der ehemalige Eigentümer des Wasserturms, Karlheinz Erny, über das weitere Vorgehen zur Zukunft des denkmalgeschützten Wasserturms verständigt haben. "Demnach wird der Rückkauf, wie bereits notariell vereinbart, vollzogen", heißt es darin. Bürgermeister Stefan Schmutz freue sich, dass eine einvernehmliche Lösung gefunden wurde. Über die Details der Gespräche vereinbarten beide Seiten Stillschweigen, sodass die vielen offenen Fragen weiterhin unbeantwortet bleiben.
Der bisherige Eigentümer des Wasserturms, Karlheinz Erny, der 2003 den Turm für einen Euro von der Stadt gekauft hatte, zeigte die Stadt an, weil eine Firma auf Anweisung von Bürgermeister Schmutz bereits im September 2019 den Wasserturm ausgeräumt hat. Dies geschah ohne das Wissen von Erny, der im Dezember den Wasserturm selbst leer räumen wollte. Er ging von einem Diebstahl der dort gelagerten Schallplattenspieler und Tonträger aus, sodass er Anfang Januar Strafanzeige stellte. Erny wollte im Wasserturm eigentlich ein Museum für alte Tonträger einrichten, was er aber aus finanziellen Gründen nicht umsetzen konnte. Daher wollte die Stadt ihr Wahrzeichen wieder zurückkaufen.
Weil der mit der Stadt vereinbarte Rückkaufpreis in Höhe von 35.000 Euro bis zum Jahresende nicht überwiesen wurde, sah sich Erny nach wie vor als Eigentümer der Immobilie. Zur Stadt Ladenburg hatte er jegliches Vertrauen verloren, war aber gesprächsbereit, um doch noch eine einvernehmliche Lösung zu erzielen.
Die Weichen für eine Lösung stellte der Ladenburger SPD-Stadtrat und Landtagsabgeordnete Gerhard Kleinböck nun am Samstag. Er bot seine Vermittlung an. Kleinböck und Erny hatten gemeinsam das Carl-Benz-Gymnasium besucht. "Ich vertraue meinem ehemaligen Schulkameraden", sagte Erny schon in der vergangenen Woche der RNZ. Der Stadtrat vereinbarte daher bereits am Montag, direkt nach dem Urlaub von Bürgermeister Schmutz, einen gemeinsamen Gesprächstermin, an dem der Bürgermeister, Erny und Kleinböck teilnahmen.
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Die Gesprächsatmosphäre sei lösungsorientiert und sachlich gewesen, erläuterte Erny. Ihm war es wichtig, dass die Stadt ihren Fehler, den Wasserturm ohne seine Zusage ausräumen zu lassen, eingesteht. "Der Bürgermeister hat sich dafür entschuldigt", so Erny. Der Wasserturmverkäufer sprach von einer Kompromisssuche. "Alle mussten Abstriche machen, aber die Kuh ist vom Eis", meinte der Baufachmann. Details wollte er wegen der Stillschweigevereinbarung aber nicht nennen. Er sei jedenfalls zufrieden mit dem angebotenen Kompromiss. Nach Informationen der RNZ gab es für Erny noch einen finanziellen Zuschlag zu den ursprünglich vereinbarten 35 000 Euro.
Das Geld wird überwiesen, sicherte der Bürgermeister dem Verkäufer zu. Erny hat seine Kontodaten jedenfalls dem Bürgermeister jetzt übergeben, was er am Donnerstag noch abgelehnt hatte. Außerdem soll Erny noch eine Art Entschädigung für den entstandenen Schaden bekommen. Dass sich die Versicherung der Stadt der Sache annehmen werde, dementierte Erny jedenfalls nicht. Fakt ist: Er hat nach Rücksprache mit seinem Rechtsbeistand die Anzeige gegen die Stadt Ladenburg zurückgezogen.
"Ich glaube, damit ist allen Parteien geholfen, denn wäre die Sache vor den Gerichten gelandet, hätte sich der Umbau wohl noch Monate, wenn nicht gar Jahre hinausgezögert", sagte Erny. Letztendlich ist er mit der Lösung zufrieden. Die in einem Container gelagerten Gegenstände im Bauhof wird Erny demnächst abholen. Museumspläne hat der Ingenieur erst einmal keine. Vielleicht wird er die alten Plattenspieler, Grammophone und Schallplatten einer Stiftung schenken. Apropos schenken: Nach wie vor gibt es im Rathaus eine Informationssperre dazu, wer der Gönner ist, der den Rückkaufpreis bezahlt und die Renovierung des Wasserturms übernimmt. Der Geldgeber muss aber mindestens 600 000 Euro investieren, damit das Projekt umgesetzt werden kann. Eine Kostenschätzung hat Erny noch an die Stadt übergeben. Auch zu den Nutzungsmöglichkeiten schweigt der Bürgermeister weiterhin. Er sagte in den vergangenen Wochen lediglich, dass der Wasserturm nach der Renovierung wieder der Öffentlichkeit zugänglich sein wird.
Gelegenheit, das Geheimnis zu lüften, hätte Bürgermeister Schmutz am Sonntag, wenn er seine Rede beim Stadtempfang am Antoniustag halten wird.
Update: 14. Januar 2020, 19.30 Uhr
Von Axel Sturm
Ladenburg. Auf diesen Neujahrskracher hätte die Stadtverwaltung gerne verzichtet: Der frühere Inhaber des Wasserturms, Karlheinz Erny, hat die Stadt Ladenburg wegen Diebstahls angezeigt. Die Anzeige erfolgte am 3. Januar auf dem Polizeirevier Ladenburg, wie die Verwaltung am gestrigen Dienstag auf RNZ-Nachfrage bestätigte. Der ehemalige Eigentümer wirft der Stadt vor, mehrere alte Tonträger und Schallplatten ohne seine Zustimmung aus dem Turm entfernt zu haben.
Zum Hintergrund: Die Stadt hat den Wasserturm im Herbst 2019 vom damaligen Eigentümer Karlheinz Erny zurückgekauft. Der Architekt aus Speyer hatte das Ladenburger Wahrzeichen, das 1903 errichtet wurde und unter Denkmalschutz steht, im Jahr 2003 zum symbolischen Preis von einem Euro von der Stadt erworben. Erny hatte vor, den renovierungsbedürftigen Wasserturm zu sanieren. Danach wollte er im Inneren des Turms ein Museum für alte Tonträger und Schallplatten einrichten. Für den Sammler ein Lebenstraum, wie er damals sagte.
Doch daraus wurde nichts. Zwar setzte der Inhaber des Turms kleinere Renovierungsarbeiten um, aber für eine Generalsanierung in der Größenordnung von mehreren Hunderttausend Euro fehlten Erny offenbar die finanziellen Möglichkeiten. Der bauliche Zustand des Turms verschlechterte sich immer mehr. Als erste Betonstücke vom Turm auf den Boden krachten, musste die Stadtverwaltung handeln: Seit 2015 ist das Gebäude durch einen Bauzaun gesichert.
Auch der neue Bürgermeister, Stefan Schmutz, trat mit dem Architekten in Kontakt, um eine Lösung für das Problem zu finden. Dem Rathauschef gelang es tatsächlich, einen Investor aufzutreiben, der sich bereit erklärte, den Wasserturm zu sanieren. Er will den Turm, der in den Besitz der Stadt Ladenburg zurückging, auf eigene Kosten sanieren. Ziel des Gönners ist es, dass das Wahrzeichen der Stadt wieder in städtischer Hand ist und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Wer dieser Gönner ist, darüber schweigt sich die Verwaltung aus. Sie hat dem Investor vertraglich zugesichert, dass sein Name nicht genannt wird. "Daran werde ich mich auch halten, ansonsten würde ich das ganze Projekt gefährden", erklärte Bürgermeister Stefan Schmutz noch vor wenigen Tagen gegenüber der RNZ.
Wie nun aus der Stadtverwaltung zu erfahren war, sprach Schmutz bereits im August 2019 mit dem damaligen Eigentümer Erny am Telefon darüber, dass der Wasserturm leer geräumt werden müsse. Schmutz schlug demnach vor, die Mitarbeiter des städtischen Bauhofs könnten die alten Plattenspieler, Grammofone und Schallplatten in einen Container räumen und die Gegenstände in einer Halle des Bauhofs lagern. Erny sei diesem Vorschlag gegenüber aufgeschlossen gewesen, erklärt die Verwaltung. Schriftlich festgehalten wurde diese Vorgehensweise aber nicht.
Vonseiten des Rathauses räumte man am Dienstag ein, dies sei ein "nachlässiger Fehler" gewesen. Der Bauhof sei bereits im September wegen der Ausräumung tätig geworden – im festen Glauben, dass dies auch im Sinne des Verkäufers sei.
Dies bestreitet Erny allerdings. Er bestätigt zwar das Telefonat mit Bürgermeister Schmutz wegen der gewünschten Ausräumung. Seine Zusage für eine vorzeitige Leerräumung habe er jedoch nie gegeben. Daher sei er überrascht gewesen, als er am 30. Dezember den Turm aufschloss. Eigentlich habe er die Gegenstände an diesem Tag mit einem Umzugsunternehmen abholen wollen, erklärte Erny am gestrigen Dienstag der RNZ. Allerdings war der Turm da schon ausgeräumt.
"Daher habe ich zunächst eine Anzeige gegen Unbekannt aufgegeben", sagt Erny. Mittlerweile wisse er, dass die Gegenstände auf dem städtischen Bauhof lagern. Viele Instrumente und Platten seien kaputt, meinte Erny. Er sei "stinksauer", und das nicht nur wegen der Ausräumung. Denn trotz Zusage der Stadt sei bisher noch kein Geld für den Verkauf geflossen.
Laut Notarvertrag bleibe er so lange Eigentümer, bis der vereinbarte Kaufpreis in Höhe von 35.000 Euro überwiesen sei. "Einen Schnitt" – sprich: ein gutes Geschäft – habe er trotz des wesentlich höheren Rückverkaufspreises nicht gemacht. Nach eigenen Angaben hat Erny in den vergangenen Jahren viel in den Turm investiert. Außerdem habe es zahlreiche Interessenten gegeben, die mehr als 35.000 Euro bezahlen wollten.
Ob der Architekt seine Anzeige gegen die Stadt zurückziehen wird, weiß er noch nicht. Er wolle erst einmal abwarten, wie schnell der Kaufpreis überwiesen werde, erklärte Erny gegenüber der RNZ.
Stand: 8. Januar 2020, 6 Uhr