Ralf Mittelbach. Foto: Kreutzer
Von Philipp Weber
Weinheim. (web) Es gebe so allerhand, was die Bürger im Verlauf von zwei Lockdowns wiederentdecken, hat Weinheims stellvertretender Feuerwehrkommandant Ralf Mittelbach festgestellt. Die einen gärtnern, die anderen kochen – und vielleicht kommt der eine oder die andere ja auf den Gedanken, sich der Freiwilligen Feuerwehr anzuschließen. Denn die könnte Neulinge gebrauchen, so Mittelbach im Jahrespressegespräch am Donnerstag.
Die Zahl der Aktiven sinkt. Der Abwärts-Trend habe sich 2020 fortgesetzt, so Mittelbach. Im vergangenen Jahr zählte die Freiwillige Feuerwehr 265 Aktive, 34 davon sind Frauen. 2019 engagierten sich noch 285 Aktive in der Wehr, 2018 waren es sogar noch 312. "Wir haben innerhalb von drei Jahren rund 50 Aktive verloren", sah Mittelbach bundesweite Ursachen wie die Abschaffung von Wehr- und Zivildienst (das Freiwillige Soziale Jahr schlägt sich kaum nieder). Er ordne die Entwicklung als "dramatisch"ein. Der ebenfalls anwesende Erste Bürgermeister und Feuerwehrdezernent Torsten Fetzner schob allerdings hinterher, dass das Weinheimer Brandschutzwesen gerade in den letzten Jahren "Karteileichen" ausgesondert habe: "Dieses Vorgehen haben wir intensiviert." Wer sich längere Zeit nicht gemeldet hatte, erhielt eine Erinnerung. Wenn keine überzeugende Rückmeldung kam, folgten Konsequenzen.
Die Zweiburgenstadt bietet bereits Anreize: Natürlich komme es auch beim "Unternehmen" Stadt in erster Linie auf die Qualifikation an, so Fetzner; aber Bewerber, die sich für die Feuerwehr einsetzen, hätten bei Gleichstand die besseren Chancen. Speziell beim Bauhof habe sich das bemerkbar gemacht. Auch Ausbildungsexperten aus der freien Wirtschaft betonen im RNZ-Gespräch öfter, "Mannschaftsspieler" zu bevorzugen – wobei die Freiwillige Feuerwehr als ideale Schule für "Teamplay" genannt wird. Trotzdem reicht es nicht. Mittelbach kündigte an, bei der Mitgliederwerbung neue Wege beschreiten zu wollen. Eine Online-Informationsveranstaltung für Weinheimer Bürger sei bereits in der Mache, außerdem wolle sich die Feuerwehr verstärkt Instagram und TikTok widmen: Medienangeboten für junge Leute. Immerhin: Die insgesamt negative Entwicklung hat sich nicht auf die Zahl der körperlich besonders stark belasteten Atemschutzgeräteträger ausgewirkt. Deren Zahl ist seit 2018 sogar gestiegen.
Die Gesamtzahl der Feuerwehr-Einsätze lag im Jahr 2020 bei 660 (2019: 1110). Hier machte sich die Corona-Lage bemerkbar, die von März an etliche Veranstaltungen unmöglich machte und phasenweise in Ausgangsbeschränkungen mündete, was auch die Zahl der Einsätze senkte. Auf der anderen Seite hat die Pandemie die Feuerwehrarbeit erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Die Feuerwehrsanitäter konnten keine First-Responder-Einsätze anbieten, der Übungsbetrieb lag brach, die Nachbesprechungen fielen aus: War ein Einsatz abgearbeitet, mussten sich die Kräfte rasch trennen. Von der Arbeit mit Jugendlichen und Kindern gar nicht zu reden. Doch auch wenn das Infektionsgeschehen nicht gänzlich an der Wehr vorbeiging, blieben alle Abteilungen einsatzfähig. Zum Glück. Denn große Einsätze gab es trotz Pandemie: So waren auch Weinheimer im Einsatz, als im Mai in Ladenburg eine Lagerhalle brannte.
Am Ende standen 6408 Einsatzstunden (2019: 19.496). 15 Menschen konnten die Kräfte nur noch tot bergen – doch 33 konnten gerettet werden. Und: Die Freiwilligen bescherten der Stadt mit ihrer Arbeit eine "fiktive" Einsparung in Höhe von 287.000 Euro.
Während sich die Feuerwehr-Welt bei Themen wie der Fahrzeugbeschaffung oder der Kommandantensuche weitergedreht hat, muss sie in Sachen Ausbildung und Kameradschaft langsam wieder in Schwung gebracht werden. Als erstes sollen die jungen Erwachsenen wieder ins Training einsteigen, hierfür gebe es Konzepte, erläuterte Mittelbach. "Wir sitzen nicht wie das Kaninchen vor der Schlange und warten einfach die Entwicklungen ab", betonte auch Bürgermeister Fetzner. Es werde bereits an der Erneuerung des Weinheimer Feuerwehrlebens gearbeitet, das hoffentlich schon bald wieder durchstartet.