Das Weinheimer Klärwerk steht vor großen Investitionen. Foto: Kreutzer
Von Marco Partner
Weinheim/Region. Viele Kommunen debattieren noch, in Weinheim wird nun gehandelt: Die Kläranlage wird um die Vierte Reinigungsstufe erweitert. Dank der Erweiterung können künftig Spurenstoffe wie Medikamentenrückstände und Mikroplastik aus dem Abwasser gefiltert werden. Etwa 20 bis 25 Millionen Euro werden in die Baumaßnahme investiert, spätestens 2025 soll die neue Anlage in Betrieb gehen. Von dem "Filterungsupgrade" profitiert auch die Region rund um Weinheim: Auf badischer Seite gehören Hirschberg, Hemsbach und Laudenbach zu dem Verband; mit den Mitgliedschaften von Viernheim, Birkenau sowie dem Abwasserverband "Grundelbachtal" mit Sitz in Gorxheimertal wird auch die Grenze ins Hessische überschritten.
Auf die Notwendigkeit einer Vierten Reinigungsstufe stießen die Verantwortlichen in der Zweiburgenstadt schon 2017. "Damals fertigte eine Studentin ihre Masterarbeit bei uns an", erinnerte sich Geschäftsführer Hubert Ensinger. Sie untersuchte das gereinigte Abwasser. Das Ergebnis wies unter anderem eine starke Mehrbelastung durch Humanarzneimittel auf. "In einem großen Fluss wie dem Rhein wären diese Werte Peanuts. Aber für die Weschnitz sind es keine Erdnüsse, sondern eine echte Belastung", so Ensinger. Auch das Regierungspräsidium in Karlsruhe habe schon darauf verwiesen, dass das Weinheimer Klärwerk wohl diejenige Anlage im Bundesland sei, welche die vierte Stufe am nötigsten hätte.
Dank der geplanten Erweiterungen sollen nicht nur Rückstände von Arznei, sondern auch von Reinigungs- und Waschmitteln oder Körperpflegeprodukten herausgefiltert werden. Konkret ist im Klärwerk eine Erweiterung um zwei Becken zu erwarten. Nach dem Durchlaufen der bisherigen Reinigungsstufen kommt das gereinigte Abwasser im "Kontaktbecken" mit Aktivkohle in Berührung. Die Kohlepartikel saugen die Rückstände quasi auf, binden Schadstoffe – und werden im Filterungsbecken wieder herausgefischt und dann verbrannt.
Auf die Gebührenzahler soll sich die Aufwertung eher geringfügig auswirken. Der Verbandsvorsitzende und Weinheimer Oberbürgermeister Manuel Just rechnet mit einem Preisanstieg von 30 bis 35 Cent pro Kubikmeter. Aktuell liegen die Abwasserpreise je nach Kommune zwischen vier und sechs Euro pro Kubikmeter.
Insgesamt fließt das Abwasser von knapp 200.000 Haushalten zur Weinheimer Kläranlage. Das Land Baden-Württemberg soll sich mit einem Zuschuss von 20 Prozent beteiligen. Ob auch das Land Hessen für die Maßnahme Fördermittel bereitstellt, ist noch ungeklärt. Viernheims Bürgermeister Matthias Baaß verrät, dass nicht nur das Abwasser seiner Kommune, sondern auch das Schmutzwasser aus dem zu Heppenheim zählenden Ober-Laudenbach gen Weinheimer Kläranlage fließt. Letztlich würde gerade das Land Hessen von dem bereinigten Abwasser profitieren. "Die Weschnitz fließt nach Hessen, im Grunde ist es hessisches Gewässer, das durch die Maßnahmen gereinigt wird", hofft er auf einen Zuschuss aus Wiesbaden.
In der Region nimmt Mannheim eine Vorreiter-Rolle im Filtern von Medikamenten- und Mikroplastikrückständen im Abwasser ein. In der Quadratestadt ist die Vierte Reinigungsstufe seit 2016 in Betrieb. In anderen Kommunen wie Lampertheim oder Bürstadt sucht man seit Jahren nach einer – gemeinsamen – Lösung. "Es war eine kluge Entscheidung, dass unsere Kommunen bereits in den 1970er Jahren den Abwasserverband gegründet haben", erklärt Baaß. Somit könnten sie nun fast 50 Jahre später neue, ökologische Standards umsetzen.
In der Weinheimer Kläranlage liegt die letzte größere Maßnahme Jahrzehnte zurück. 1993 ging die dritte Reinigungsstufe – zur Entnahme von Stickstoff- und Phosphorverbindungen – in Betrieb. Aktuell gibt es in Baden-Württemberg nur in Städten wie Stuttgart, Konstanz, Ulm und Ravensburg die Vierte Reinigungsstufe. In Heidelberg, Schwetzingen und Wiesloch ist sie in Planung.
In Weinheim haben es drei Ingenieurbüros in die engere Auswahl geschafft. Im März möchte der Abwasserverband seine Entscheidung fällen. Mit den Baumaßnahmen soll im Sommer begonnen werden, die Erweiterung soll drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen, auch ein weiteres Pumpwerk muss installiert werden.