Zweimal hat ihm die Partei die Spitzenkandidatur verwehrt, doch Parteichef Strobl könnte auch dieses Mal profitieren – und erneut ein grün-schwarzes Bündnis schmieden. Foto: S. Gollnow
Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Wenn es in der CDU nach der Wahlschlappe überhaupt so etwas wie Gewinner geben kann, dann gehört Landeschef Thomas Strobl dazu. Bereits zum dritten Mal könnte dem Juristen aus Heilbronn eine politische Pleite seiner Partei den Weg nach oben ebnen. Vor zehn Jahren, als die damalige Dauerregierungspartei CDU erstmals die Macht in andere Hände geben musste, wurde für den bisherigen Generalsekretär Strobl der Weg frei, den Wahlverlierer Stefan Mappus an der Spitze des Landesverbands abzulösen. Die Partei verweigerte ihrem Vorsitzenden aber vor der Landtagswahl 2016 die Spitzenkandidatur, die Basis gab Guido Wolf in einer Urabstimmung den Vorzug, eine für Strobl ebenso überraschende wie bittere Entscheidung.
Als die CDU dann vor fünf Jahren mit Wolf an der Spitze von 39 Prozent auf 27 Prozent abstürzte, wechselte der einflussreiche Bundestagsabgeordnete nach Stuttgart, um die erneut darniederliegende Partei in eine Koalition mit den Grünen zu führen – mit ihm als Vize-Regierungschef und Innenminister. Doch die angestrebte Spitzenkandidatur für 2021 trotzte ihm 2019, im Zusammenspiel mit der CDU-Fraktion, seine Kultusministerin Susanne Eisenmann ab. Dass sich seine langjährige Vertraute seinen Ambitionen entgegenstellte, war der nächste Tiefschlag für Strobl.
Trotz aller persönlichen Enttäuschung blieb der versierte Politfuchs im Poker mit Eisenmann cool: Für den Verzicht auf eine Kampfkandidatur handelte er sich aus, dass er Vize-Ministerpräsident und Landeschef bleiben konnte. Für Eisenmann wurde stattdessen die Rolle der Koordinatorin der CDU-Ministerien erfunden. Sie hatte Fraktion und Partei für sich eingenommen, weil sie mehr Klartext in der Koalition mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann versprach. Strobl stand dagegen für ein Modell des harmonischen Regierens, bei dem sich beide Partner nur punktuell profilieren sollten. Mit der Strategie, fürchteten viele, würde man untergehen; Umfragen schienen das zu bestätigen.
Nun, da die CDU mit Eisenmann die Wahl krachend verloren hat, schlägt einmal mehr die Stunde des passionierten Marathonläufers. Er ist das politische Stehaufmännchen der CDU. Die Nähe zu den Grünen, die ihm in den eigenen Reihen lange zum Nachteil gereichte, macht ihn nun zum neuen, alten Hoffnungsträger der auf 24 Prozent gestutzten CDU-Südwest. Nur mit ihm, heißt es allenthalben, könnten die Grünen überhaupt für eine Fortsetzung des Bündnisses gewonnen werden. Strobl hat deshalb den klaren Auftrag der Gremien, die CDU an diesem Mittwoch, seinem 61. Geburtstag, in die Sondierungen mit der Ökopartei zu führen – und in der Folge möglichst in eine neue Regierung.
Die Aussicht, an der Macht zu bleiben, ist Strobls politische Lebensversicherung. Gelingt ihm eine Neuauflage des Bündnisses mit Kretschmann, dürfte er erneut die Rolle des Vize-Regierungschefs übernehmen. Wer auch sonst? Eisenmann zieht sich zurück, CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart ist angeschlagen, Generalsekretär Manuel Hagel für diesen Sprung zu jung. Der Druck, neue Gesichter in die Regierungsmannschaft zu holen, wäre aber immens.
Sollte der CDU nur der Weg in die Opposition bleiben, werden die Karten neu gemischt. Dann wird die entscheidende Frage sein, wer als Fraktionschef im Landtag den Oppositionsführer gibt – und die Partei in der politischen Arena vertritt. Strobl kommt dafür nicht in Frage, für einen Sitz im Landtag hat es nicht gereicht.
Im Herbst stehen zudem turnusgemäß Neuwahlen für den Parteivorstand an. Ob sich Strobl beim Gang in die Opposition an der Spitze des Landesverbands halten könnte, gilt als fraglich, für den Fall werden bereits Namen von jüngeren Bundestagsabgeordneten genannt. Abschreiben aber sollte man Strobl auch dann nicht – das hat er hinreichend bewiesen.