"Müllvermeidung ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung"
Erdmuthe Seth und Vanessa Riechmann vom Hamburger Zero-Waste-Blog "Alternulltiv"

Von Alisa Götzinger
Seit wann gibt es euren Blog und warum genau habt ihr ihn gegründet?
"Im Sommer 2015 fingen wir an ‚Zero Waste‘ zu leben. Das hat so viele Freunde und Bekannte in unserem Umfeld interessiert, dass wir kurz darauf begannen eine Facebook Seite und dann den Blog zu erstellen, damit alle Interessierten auf dem Laufenden bleiben konnten. Der Name war ein Wortspiel, das wir immer genutzt haben. Es ging darum, Alternativen ohne Müll zu finden - also Alternulltiven"
Warum denkt ihr, dass wir als Gesellschaft genau jetzt damit anfangen müssen zu handeln. Habt ihr vielleicht ein Beispiel dafür, was passieren würde wenn wir unseren Müllkonsum genauso weiterleben?
"Es geht ja leider nicht nur um den Müllkonsum, es geht um den Konsum im Allgemeinen und darum, dass alles irgendwie zusammenhängt. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft – die Werbung suggeriert einem, man solle stets das allerneuste, beste, tollste kaufen. Leider geht das auf Kosten unserer Umwelt, was wir momentan in Hamburg deutlich an den heißen Sommern (Stichwort Globale Erwärmung) merken. Manche sagen, es sei schon zu spät, es wieder zum Guten zu kehren, doch wir denken: Probieren sollte man es auf jeden Fall! Und Müllvermeidung ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung."
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Ohne Abfall zu leben klingt wie ein unmögliches Projekt. Was kann ich als einzelne Person konkret im Alltag tun, um meinen Abfall zu reduzieren? Ist aller Anfang dabei wirklich schwer?
"Nein, der Anfang ist wirklich ganz einfach. Nimm einfach zum Einkaufen deinen eigenen Jutebeutel, eine Tasche oder einen Rucksack mit. Du legst dir eine wiederbefüllbare Trinkflasche zu und füllst Leitungswasser hinein. Und wenn du richtig gut starten willst, vermeidest du eine der größten Umweltsünden unserer Zeit: Den ToGo-Becher. Als Ersatz tut es ein Thermobecher oder einfach ein altes Marmeladenglas. Und dann stell dir vor, jeder würde das machen – da wäre schon sehr viel getan!"
Müll-Fakten
Plastik, Plastik – überall Plastik und es wird jeden Tag mehr. Das geht zumindest aus verschiedenen Studien hervor, die Forscher zur weltweiten Müllproduktion durchgeführt haben. Nach Schätzungen produziert die Weltbevölkerung jeden Tag fast 3,5 Millionen Tonnen Müll. Behalten wir, die Bewohner dieser Erde, unser Verhalten so bei, werden es im Jahr 2100 täglich mehr als 11 Millionen Tonnen sein.
Schon bis 2025 wird sich die Zahl fast verdoppeln – und der Müll verschwindet natürlich nicht einfach irgendwohin: von den 6,3 Millionen Tonnen Plastik Abfall, die bis 2015 produziert wurden konnten gerade einmal 9% recycelt und 12% verbrannt werden. Der Rest liegt auf Abfalldeponien oder in der Umwelt. So schwimmen je Quadratkilometer der Ozeane im Schnitt 46000 Stücke Plastikmüll. Schreitet der Plastikkonsum mit seiner aktuellen Geschwindigkeit voran gibt es im Jahr 2050 drei mal mehr Plastik im Meer als Fische.
Plastik wird vor allem für seine Widerstandsfähigkeit geschätzt und gerade das ist in Bezug auf Müll auch sein größtes Problem, denn es kann von der Natur nicht abgebaut werden und zerfällt anstatt sich zu zersetzen in immer winzigere Stücke, das Mikroplastik. Eine Plastikflasche benötigt im Meer 450 Jahre um sich zu zersetzen, die Rest-Mikroplastiken findet man dann fast überall: Ein Drittel der angeblichen Sandkörner an britischen Stränden sind tatsächlich kleingewaschenes Plastik, selbst in abgelegenen Gebieten wie der Tiefsee und dem arktischen Eis wurde schon Mikroplastik gefunden und in einer Stichprobe im Pazifik kann sechsmal so viel Plastik festgestellt werden wie tierisches Plankton – um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Hierin liegt ein weiteres Problem mit dem Mikroplastik: Tiere verwechseln es mit Futter, fressen es und verenden daran. Jährlich sterben mehr als 1.000.000 Meeresvögel und 100.000 Meeressäuger durch den Kontakt mit dem Plastikmüll. Mikroplastik wurde daher schon in den Mägen von Vögeln, Fischen, Meeresfrüchten und auch von Menschen gefunden, die die Tiere und damit das Mikroplastik über ihre Nahrung zu sich nehmen.
Betrachtet man die Zahlen, dann erscheint es als Kreislauf, der schwer zu stoppen ist: Es gibt immer mehr Menschen auf der Welt, sie konsumieren mehr und verursachen dadurch mehr Müll, der die Erde aber auf lange Sicht zerstören wird. Eine Chance den Kreislauf zu durchbrechen haben wir dennoch jeden Tag: Der größte Anteil von Plastik wird für Verpackungen genutzt. Würden wir nur noch unverpackt einkaufen, so würde insgesamt fast 40% weniger Plastik gebraucht und damit der Konsum um fast die Hälfte verringert werden. Jede Plastiktüte, jede Plastikverpackung, jeder Plastikbecher und jeder Strohhalm, den du nicht nimmst, ist daher jeden Tag ein Schritt in die richtige Richtung.
Tipps zur Müllvermeidung
> Einkaufen: Käse in Plastikverpackung, das Müsli im Riesenpack oder eingeschweißte Tortellini – keine Frage, in herkömmlichen Supermärkten kommt man um die Plastikverpackung nur schwer herum. Doch es gibt Alternativen. Auf Wochenmärkten bekommt man nicht nur Gemüse und Obst, sondern meist auch Brot oder Käse ohne Plastikverpackungen. Außerdem haben sich in vielen Städten Unverpacktläden etabliert: Die Behältnisse für Nudeln, Reis und Co. nehmen Kunden selbst mit und befüllen diese, um ganz auf Verpackungsmüll zu verzichten.
> Einkaufszettel: Klingt banal, aber der kleine Zettel kann eine Menge Müll vermeiden. Warum? Oft kauft man im Supermarkt Dinge, die man gar nicht möchte, die einen aber ansprechen. Hinterher werden sie vielleicht nicht ganz oder gar nicht verbraucht. Der Einkaufszettel hilft dem Kunden also, zielgerichtet und dadurch mit weniger Müll einzukaufen.
> Jutebeutel: Ein Europäer verbraucht 500 Plastiktüten im Jahr, und die durchschnittliche Gebrauchsdauer einer Tüte liegt bei gerade einmal 25 Minuten. Und dabei ist es ganz leicht, diesen Abfall zu reduzieren: Für den nächsten Gang zum Supermarkt einfach den eigenen Jutebeutel oder Einkaufskorb mitnehmen, statt eine zusätzliche Plastiktüte aufs Band zu legen. Und: Es sieht auch noch stylischer aus.
> Leitungswasser: Noch besser als Mehrwegwasserflaschen ist Leitungswasser. Dieses hat in vielen europäischen Ländern und speziell in Deutschland gute Trinkwasserqualität. Wer Leitungswasser trinkt und ganz auf Wasserflaschen verzichtet, trägt erheblich zur Müllvermeidung bei, denn auch Glasflaschen müssen vor dem Verkauf erst neu etikettiert werden. Mitnehmen kann man das Wasser dann in einer stylischen Trinkflasche, die sich unterwegs auffüllen lässt: Dank der Initiative "refill" (www.refill-deutschland.de) kann man auf einer Karte alle Orte in Deutschland sehen, die einen kostenlosen Wiederbefüllservice mit Leitungswasser anbieten.
> Mehrweg: Das Wiederverwendungssystem gilt auch bei Getränken: Milch, Wasser und Co. kann man statt in Plastikflaschen meist auch in Mehrwegglasflaschen kaufen, die im Durchschnitt bis zu 50 Mal wiederbefüllt werden. Für manche Produkte wie Putzmittel oder Seifen werden mittlerweile auch Nachfüllverpackungen angeboten: Einfach den aufgebrauchten Spender befüllen lassen und so Müll vermeiden.
> Second-Hand: Braucht man etwas nicht mehr, so sollte man es keineswegs gleich wegwerfen. In jeder Stadt gibt es Flohmärkte oder Second-Hand-Shops, bei denen man abgelegte, aber noch brauchbare Dinge gegen ein kleines Entgelt verkaufen und manchmal selbst etwas Neues finden kann. Bei defekten Gegenständen lohnt es sich, sie zur Reparatur abzugeben oder sie selbst zu reparieren. Wer dabei Hilfe braucht, kann beispielsweise ein Repair-Café besuchen. Braucht man etwas nur ein einziges Mal, kann auch Leihen eine Alternative sein: Bücher, CDs oder ähnliches finden sich in Bibliotheken, und viele Baumärkte bieten einen Leihservice für Handwerksgeräte an.
> Verpackung: Generell gilt: Die umweltfreundlichste Verpackung ist immer die, die nicht vorhanden ist. Versuche daher, so wenig wie möglich Abgepacktes oder Verschweißtes zu kaufen. Gerade bei Gemüse gibt es oft eine unverpackte Alternative. Wenn dann doch mal etwas Verpacktes im Einkaufwagen landet, sollte man darauf achten, dass die Verpackung aus einem einzigen Material besteht, denn: Derzeit können nur sortenreine Stoffe recycelt werden. Mischstoffe, wie Papierverpackungen mit Plastikfenster, landen hingegen in der Müllverbrennung.