Die Abspanner
Marco Henn und Gabriel Becker sind zwei junge Filmemacher aus der Region. Jetzt haben sie es an die Filmakademie in Ludwigsburg geschafft.

Gabriel Becker und Marco Henn. Foto: Dorn
Von Sara Khouri
Mannheim/Weinheim. Die Zusage lag Anfang April in Marco Henns Briefkasten: Ab September 2017 wird er an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg studieren, der besten Filmakademie in Deutschland - und der einzigen, die in internationalen Rankings ganz oben aufgelistet wird. Drei Plätze hatte die Akademie in seinem Wunschstudiengang - "Producing mit Schwerpunkt Werbefilm" - zu vergeben, Hunderte hatten sich auf diese drei Plätze beworben. Einer ging an den 22 Jahre alten Marco Henn aus Weinheim.
Und ein weiterer an seinen Kumpel, oder, wie Marco ihn nennt, seinen "Filmbuddy", Gabriel Becker, 23 Jahre, aus Mannheim. "Das ist das eigentlich Unglaubliche, dass wir es gemeinsam geschafft haben", beschreibt Marco der RNZ wenige Tage, nachdem er die Zulassung erhalten hat.
Marco und Gabriel kennen sich - wie sollte es anders sein - vom Film. Über zwei Jahre haben sie sich auf die Bewerbung bei der Filmakademie vorbereitet, die meiste Zeit zusammen. Gabriel hat bereits eine Ausbildung zum Mediengestalter abgeschlossen. Mit der geplanten Bewerbung für die Akademie zielte er zunächst auf den Studiengang "Drehbuch".
Hintergrund
Die wichtigsten Projekte
Stop Bullying - Everyone can help (2015): Der Anti-Mobbing-Kurzfilm handelt von einem unsicheren Mädchen im Streberlook, das solange gemobbt wird, bis ein Junge schließlich den Mut aufbringt und sich für sie
Die wichtigsten Projekte
Stop Bullying - Everyone can help (2015): Der Anti-Mobbing-Kurzfilm handelt von einem unsicheren Mädchen im Streberlook, das solange gemobbt wird, bis ein Junge schließlich den Mut aufbringt und sich für sie einsetzt, ohne jedoch tatkräftig einzugreifen. Das sei das Neue an der Anti-Mobbing-Kampagne, sagen Henn und Becker. "Unser Ziel ist es, mehr Menschen zu motivieren, Schwächeren zu helfen, ohne tatkräftig eingreifen zu müssen. Denn manchmal reicht schon eine kleine Geste, um so viel zu verändern." Der Film dauert 60 Sekunden, dahinter steckt ein halbes Jahr Planung. Die Arbeit hat sich gelohnt: Der Film, der auf Youtube zu sehen ist, wird unter anderem von der Polizei in Niedersachsen als Teil ihres Schwerpunktthemas Cybermobbing angepriesen.
"Briefe verbinden" - ein Spec-Werbespot (2016): Der Spot erzählt die Geschichte von Max und Marco, die im jungen Alter voneinander getrennt wurden und ihre Freundschaft durch einen Brief aufrecht erhalten. Ziel der Filmemacher war es, damit die Kraft von Briefen im Vergleich zu modernen Kommunikationswegen wie Whatsapp oder E-Mail zu zeigen. "Briefe verbinden" wurde nicht für einen wirklichen Werbeeinsatz im Fernsehen oder Radio gemacht, sondern soll potenzielle Auftraggeber die Kunstfertigkeit eines Regie-Neulings zeigen, daher der Name "spec" (zu dt. "auf gut Glück").
Beim Zusammenarbeiten mit Marco hat auch er das "Producing" für sich entdeckt: Anders als der Regisseur, der das Filmteam zur Umsetzung der künstlerischen Idee anleitet, trifft der Producer neben kreativen auch organisatorische Entscheidungen. Er konzipiert unter anderem die Drehpläne - und ist für deren reibungslosen Ablauf zuständig.
Die Filme, bei denen im Abspann beide Namen - Marco Henn als Producer und Gabriel Becker als Co-Producer - über den Bildschirm laufen, haben nicht nur im Internet eine wachsende Fangemeinde. Sie werden bei Filmfestivals gezeigt und für Preisverleihungen nominiert.
Anfang März sind Gabriel und Marco bei der Filmschau Baden-Württemberg in Stuttgart erstmals über den roten Teppich spaziert. Ende März lief ihr Anti-Mobbing-Spot "Everyone Can Help" im Cineplex-CinemaxX-Kino in Mannheim eine Woche lang als Vorfilm vor jeder Filmvorführung. Wie fühlt es sich an, den eigenen Film im Kino zu sehen? "Unbeschreiblich", sagt Marco.
Der aufregendste Teil seiner Arbeit finde aber schon früher statt, nämlich während der Film entsteht: "Producing ist wie Dirigieren", beschreibt er, "da ist ein tolles Stück, ein Konzertsaal und ein Orchester mit lauter begabten Musikern - bei uns sind das Schauspieler, Kulissenbildner, Kamera-, Licht- und Tontechniker, Filmmusiker, Maskenbildner - und deine Aufgabe ist es, alles stimmig zusammenzubringen." Man müsse den Überblick behalten und vor allem improvisieren können: Denn nach Plan laufe am Set meistens gar nichts.
Das Koordinieren, das beständige Planen, Abbrechen und wieder Neuplanen, ist für Marco eines von zwei Elementen, die den Reiz des Berufes ausmachen. Das zweite ist das kreative Arbeiten. Schon als Kind habe er es geliebt, Geschichten für andere szenisch darzustellen - die ersten Regieanweisungen gingen an seine Kuscheltiere.
Sein erstes Filmprojekt hat Marco in der zwölften Klasse vorgelegt. Angefangen hatte es mit der Hausaufgabe, einen Kurzfilm zum Thema ‚Schöne Neue Welt‘ abzugeben. Während seine Mitschüler kurze Clips mit der Handykamera drehten, schrieb Marco ein zwölfseitiges Drehbuch, lieh eine professionelle Filmkamera aus und motivierte ein Team von Laienschauspielern zu leinwandreifen Leistungen.
Marcos Film "Memories" wurde schließlich auf Initiative der Schule einmalig im Weinheimer Kino "Modernes Theater" gezeigt. "Vielleicht war das der Startschuss", sagt er heute, "von da an habe ich jeden Tag mit Filmprojekten verbracht." Das glaubt man sofort, wenn man alle Filmprojekte durchgeht, an denen Marco seither beteiligt war.
Am Anfang der sehr langen Liste stehen Praktika als Setrunner (Marco nennt es "Kabel- und Bänkeschlepper") bei mehreren Fernsehsendern. Am Ende steht der Auftrag als Setaufnahmeleiter, der für den reibungslosen Ablauf der Dreharbeiten zuständig ist, für einen vom SWR, Kurhaus Production und der Filmakademie in Ludwigsburg mitproduzierten Kinofilm, der im Juni diesen Jahres Premiere feiern soll.
Mit 22 Jahren wird Marco dann, beim Erscheinen seines ersten großen Kinostreifens, zehn Jahre jünger sein als es für die Laufbahn eines Producers üblich ist. Neben Auftragsarbeiten wie diesem schreibt und dreht er unter dem Label seiner Ein-Mann-Firma "MSB Films" außerdem an eigenen Projekten. Letztes Jahr hat er, eigene und Auftragsarbeiten zusammengenommen, 25 Filme realisiert.
Im Alltag sieht das Leben auf der Überholspur so aus: Pendeln zwischen mehreren Sets, im letzten Jahr häufig Berlin, München und Düsseldorf. Täglich bis zu sechzehn Stunden am Dreh, nebenher Organisatorisches wie die Planung von Castings, aber auch "Schreibtischarbeit", wie die finanzielle Kalkulation der Projekte. Die nötigen Kenntnisse erschließen sich dabei, nach dem Prinzip "learning by doing", nach und nach von selbst, erklärt der Spezialist.
Wenn Marco und Gabriel im Herbst ihr Studium beginnen, können sie also schon Filme drehen. Dennoch schätzen sie die Zeit in Ludwigsburg als eine wertvolle Etappe ihres Werdegangs als Producer ein: "Dort werden die wichtigsten Kontakte geknüpft", sagt Marco, "die Akademie führt einen mit Leuten zusammen, die alle für das Gleiche brennen - und mit denen man, wenn es persönlich und künstlerisch passt, ein Leben lang zusammenarbeitet."



