"Wir tanzen nah an der Klippe"
Morgen erscheint das neue Album "It’s The End Of The World But It’s A Beautiful Day".

Von Steffen Rüth
Jared Leto ist ein Mann mit vielen Begabungen. Der 51-jährige US-Amerikaner zählt zu den herausragendsten Schauspielern seiner Generation und gewann einen Oscar. Mit seinem anderthalb Jahre älteren Bruder Shannon spielt er in der Band Thirty Seconds To Mars einen überfallartigen Mix aus Rock, Pop, und Electro. Steffen Rüth sprach mit Leto in Berlin über menschgemachtes Chaos, Optimismus und Verletzlichkeit.
Jared, es ist Sonntag, und der Sommer ist zurück. Wie hast du deine Zeit in Berlin verbracht?
Jared Leto: Ich bin gestern Nachmittag angekommen und hatte tatsächlich den Rest des Tages frei. Ich bin durch den Mauerpark spaziert, war in Prenzlauer Berg und lief total zufällig in eine coole Kunstaustellung rein. Das Tolle gerade an Berlin ist, dass die Stadt einen immer wieder überrascht. Abends habe ich bei meinem Lieblingsvietnamesen Monsieur Vuong in Mitte leckere Dumplings gegessen. Das war ein wirklich schöner Tag.
Es wird also nicht langweilig für dich, zum zehnten oder zwanzigsten Mal in dieselbe Stadt zu kommen.
Nein, ganz im Gegenteil. Zum zwanzigsten Mal in einer Metropole wie Berlin, Paris oder Köln zu sein, ist viel angenehmer als zum allerersten Mal irgendwo hinzukommen. Du kennst dich aus mit den Orten, weißt, wo es dir gefällt, kannst die Menschen besser einschätzen. Ein Besuch in Berlin zum Beispiel ist wie ein Besuch bei einem alten Freund.
Hast du dich in Deutschland immer wohlgefühlt?
Nein, das hat ein bisschen gedauert. Die ersten Shows, die ich mit Thirty Seconds To Mars hier gespielt habe, waren eher verhalten. Ich war mir nicht sicher, ob uns die Leute überhaupt mögen. Aber dann kamen wir im Sommer, und alles war anders. Die Leute explodierten vor Freude, sie waren lebenslustig und super drauf. Ich glaube, die Jahreszeit macht bei euch einiges aus.
Wie ist es um deine eigene Lebenslust bestellt? Der Titel eures neuen Albums ist ja ein wenig ambivalent. Lebst du nach der Devise: Die Welt geht vor die Hunde, also genieße ich mein Leben, so lange es noch geht?
Ich finde, dass der Titel die verrückten Zeiten, in denen wir leben, gut reflektiert. Ich meine, wir feiern, wir haben Spaß, aber wir tanzen ganz schön nah an der Klippe.
Wobei der Mensch das Chaos, in dem er sich zurechtfinden muss, natürlich selbst verursacht hat...
Absolut. Das Irre ist doch, dass wir allesamt in einer total friedlichen und total harmonischen Welt leben könnten, aber wir uns ständig wieder neue Probleme schaffen. Das ist wirklich bizarr. Abgesehen von Naturkatastrophen, und selbst für die tragen wir oft eine Mitverantwortung, sind wir diejenigen, die uns das Leben selbst schwer machen. Und die anschließend gucken müssen, wie sie die Suppe wieder auslöffeln. Ganz grundsätzlich macht es mich fertig, wieviel Schmerz der Mensch anderen Menschen zuzufügen imstande ist.
Euer Album klingt nun überwiegend bombastisch, elektronisch und episch. Es wirkt wie der Soundtrack zu einem monumentalen Katastrophenfilm, in dem am Ende alles gut wird. Bist du tief in dir drin ein hoffnungsvoller Mensch?
Ja, ich bin ein Optimist, und ich halte es für mich, Optimismus zu teilen und zu verbreiten. In unserer Welt gibt es sehr viel Negativität und sehr viel Dunkelheit. Das Leben kann einen schon runterziehen. Und manchmal singe auch ich im Chor der Pessimisten mit. Aber was mich dann doch immer wieder zuversichtlich stimmt und ermutigt, ist meine Überzeugung, dass wir die Werkzeuge, die Kreativität und das Know-how haben, um erfolgreich an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Auch wenn die Zeiten düster erscheinen, kann die Zukunft trotzdem hell erstrahlen. Wir haben alle Möglichkeiten, um unseren Untergang abzuwenden, wir müssen sie nur nutzen.
Neben überwältigenden Nummern wie "Avalanche" oder "World On Fire", die alles plattwalzen, gibt es auch nachdenkliche und verletzliche Lieder, etwa "Never Not Love You" und "Love These Days". Hilft dir das Songschreiben, die Mutlosigkeit und die Endzeitstimmung in deinem Kopf zu überwinden?
So vielfältig und wechselhaft wie mein Gefühlsleben ist, und das ist es weiß Gott, so abwechslungsreich ist auch das Album geworden. Mir gefällt es, unterschiedlichste Emotionen auszuloten. Eine meiner absoluten Lieblingsbands ist The Cure. Ich liebe es, wie sie die abgründigsten und dunkelsten Songs der Welt schreiben können wie "Prayers For Rain", und dann hauen sie ein "Friday I’M In Love" raus. Mein Bruder und ich haben bei jedem unserer Alben im Sinn, dass wir die Hörer mit auf eine Reise nehmen. Und speziell Verletzlichkeit halte ich für ein sehr wichtiges Gefühl – für einen Musiker, für einen Schauspieler, einen Maler, ja für einen Menschen ganz generell.
Als Musiker wie als Schauspieler bist du extrem verwandlungsfreudig. Du legst dich nicht auf ein Genre fest, nicht auf eine bestimmte Art von Rolle. Fällt es dir leicht, immer du selbst zu bleiben, wenn du bei der Arbeit immer wieder in die Person von jemandem anderem schlüpfst?
Die Herausforderung liegt darin, bei mir zu bleiben und auf meine innere, kreative Stimme zu hören. Und natürlich die beste Arbeit abzuliefern, die ich zu leisten imstande bin. Ich will, dass die Leute, die in meine Filme gehen, zu unseren Konzerten oder die sich unsere Platte anhören, ein hohes Level an Qualität bekommen. Und vielleicht finden sie nicht alles gleichermaßen überzeugend, was ich mache, aber es soll sie mindestens überraschen. Menschen zu langweilen wäre mir ein Grauen. Und ich gebe ein Versprechen ab: Wenn du zu einer Show von Thirty Seconds To Mars kommst, werden mein Bruder und ich alles in unserer Macht Stehende dafür tun, dass du diesen Abend niemals vergessen wirst.
Info
"It’s The End Of The World But It’s A Beautiful Day" erscheint morgen.