Ich dende
Seine ausgefeilten Reimstrukturen und raffinierten Wortspiele machen Dendemann zu einem der besten deutschen Rapper. Auf seinem Comeback-Album "da nich für!" nach achtjähriger Pause zeigt sich der 44-jährige Hamburger politischer als je zuvor. Mit Dendemann alias Daniel Ebel sprach Olaf Neumann über Meinungsfreiheit und die Zusammenarbeit mit Casper.

Zwischen "da nich für!" und Ihrem letzten Soloalbum "Vom Vintage verweht" liegen acht Jahre. Leiden Sie an Aufschieberitis?
Wir haben wirklich viel an dem Album gesessen wegen meiner zeitraubenden Fernseharbeit. Zudem sind die Stücke durch etliche Versionen gegangen.
Das Album beginnt mit dem Lied "Ich dende, also bin ich". Was ist "denden"?
Das Verb "denden" hat folgende Bedeutung: Wenn einem Zweifel kommen, sollte man sich darauf besinnen, dass es reicht, man selbst zu sein. Und das sollte man gefälligst aufnehmen und damit nach draußen gehen, anstatt sich dauernd zu fragen, was man sein könnte, sollte oder müsste.
Welche künstlerische Vision hatten Sie von dem Album?
Ich hatte sogar zwei, drei ausgetüftelte Visionen, die ich alle im Keim erstickte, als ich anfing, sie in die Tat umzusetzen. Weil sie Quatsch waren und mich einschränkten. Ich habe bei dieser Platte aus der Fan-Perspektive gedacht. Das ist bei Hip-Hop immer die sicherste.
Wie kam Ihr spezifischer Sound zustande?
Der erste Impuls meiner Produzenten The Krauts war: Wir sind alte Fans von deiner ehemaligen Band Eins Zwo. Wir finden, du solltest Sample-lastige Beats haben. Sie sollten klingen, als wären sie erst gestern fertig geworden. Ich habe ganz klar einen eigenen Sound. Er setzt sich nicht aus tausendmal gehörten amerikanischen Soul-Samples zusammen. Dafür habe ich unfassbar viele alte deutsche Platten durchgehört und daraus Skizzen geschnitten. Die besten davon sind auf mein Album gekommen.
Welche Platten waren das?
Ich habe mir ganz viele Amiga-Platten angehört. Die meisten Beats während dieser Zeit habe ich aus Samples von der Stern-Combo Meißen gemacht. Eine Band mit unfassbar wilden Live-Recordings. Und der Smooth-Jazz vom Rolf-Kühn-Orchester hat eine Cheesyness, die mir voll zuspielte.
Sie fordern: "Keine Parolen!" Welche Art von Parolen gehen Ihnen derzeit am meisten auf den Geist?
Nicht nur Parolen, sondern auch Diskussionen auf der rechten und linken Seite. Viele dieser Vokabeln sind im Straßenverkehr besser aufgehoben als in der Politik. Ich fordere: Redet gefälligst über das, was da passiert! Es gibt richtige Probleme, zum Beispiel, wie die Meinungsfreiheit missbraucht wird. Man muss einen Weg finden, dem vorzubeugen. Ich weiß, dass Parteiverbote keine Lösung sind, aber der Missbrauch von Meinungsfreiheit ist so antidemokratisch. Darüber muss man sprechen.
Haben Sie trotz der Stimmung da draußen momentan eine gute Zeit?
Ich habe eine Bombenzeit, weil es angenehmer ist, über eine fertige Platte zu sprechen als über eine nicht fertige. Allein das war es schon wert, sie zu machen. Denn dieses Gefühl hatte ich jahrelang nicht mehr. Ich muss ja auch mal an mich denken.
In "Menschine" beklagen Sie sich, dass die Leute nur noch wie Maschinen für die Arbeit leben. Leben Sie anders?
Mal ja, mal nein. Manchmal helfe ich nach, aber meine Tätigkeit ist nicht mit Arbeit zu vergleichen.
"Alle Jubilare wieder" ist zusammen mit dem Rapper Casper entstanden. Sind Sie Brüder im Geiste?
Wir sind eher Stiefbrüder im Geiste. Je nach Thema müsste man uns entweder zwei Wochen alleine lassen oder zwei Wochen voneinander trennen, weil wir uns sonst gegenseitig an die Gurgel gehen.
Worüber können Sie sich mit Casper streiten?
Das sind ganz simple Lieblingsplattendiskussionen, bei denen wir beide nicht bereit sind, von unserem Standpunkt abzurücken. Die können manchmal wirklich doller werden. Und das macht es auch so interessant. Niemand im Deutschrap hat ein breiteres musikalisches Spektrum als Casper. Er kennt so viele unterschiedliche Musik so genau. Und niemand rappt Stücke im Studio in so kurzer Zeit ein wie er. Zumindest nicht im meiner Anwesenheit. Ich konnte nicht mal einen Kaffee kochen, so schnell war er mit seinem Part fertig. Casper ist wirklich ein krasser Künstler.
Und was machen Sie nach getaner Arbeit?
Dann gehen wir einen Absacker trinken. Aber wir haben ja nicht wirklich zusammengearbeitet. Es hat ja nur fünf Minuten gedauert.
Ist das wahre Professionalität?
Ich nenne es Streber. Für mich heißen diese Leute noch genauso wie in der vierten Klasse.
Wonach streben Sie?
Nach Fünf-Minuten-Aufnahmen. Ich arbeite noch dran.
"Da nich für!" sagt der Hamburger als Antwort auf ein Dankeschön. Bei wem wollen Sie sich mit dieser Platte bedanken?
Ich bin schon beeindruckt, was es für Fans gibt, die wirklich bereit sind, wieder mitzumachen. Ich bin gerührt von den Ticketverkäufen für die Tour. Das ist der bisherige Zenit meiner Karriere! Ich weiß ja noch nicht mal, wer da alles kommt. Das macht mich sehr dankbar, weil es das Gegenteil von selbstverständlich ist. Das ist ein richtiges Comeback. Diese Platte gibt mir Sicherheit, weil ich diesmal auf andere gehört habe. Aber ich habe Jahre gebraucht, um zu begreifen, was die meinen. Das Album ist ein schönes Dendemann-Konzentrat.
Info: Das Album "da nich für!" ist vor kurzem erschienen. Live: 11. Februar, Heidelberg, ausverkauft; 18. Februar, Schlachthof Wiesbaden; RNZ-Ticketservice; 35,25 Euro.