Diese Sternenkrieger setzen sich für soziale Projekte ein (plus Video)
Timo Schulz hat sich einer imperialen Armee angeschlossen, die soziale Projekte auf der ganzen Welt unterstützt

Sith-Lord mit Sinn fürs Gemeinwesen: Wenn die Mitglieder der 501st Legion in ihre originalgetreuen Star-Wars-Kostüme schlüpfen, erobern sie nicht die Galaxis. Sie werben für Stammzellspenden und Charity-Veranstaltungen. Foto: dpa
Von Sebastian Blum
Weinheim. Er hat es endlich geschafft. Timo Schulz ist Staff Commander in der 501st Legion, einer imperialen Armee voller Sith Lords und Sturmtruppen. Die Sternenkrieger fliegen aber weder auf Jakku in die Schlacht, noch schaffen sie eine neue Ordnung in der Galaxis. Ihre Mission gilt sozialen Projekten weltweit, die sie fördern und bewerben. Die Truppen der deutschen Garnison waren erst vor ein paar Monaten in Weinheim stationiert, um Geld für krebskranke Kinder zu sammeln. Und zwar in originalgetreuen Star-Wars-Kostümen.

Die müssen auch aussehen wie im Film. "Keine billige Halloween-Variante von Amazon", sagt Timo, als er sich eine mattschwarze Hose anzieht, dazu kniehohe Stiefel aus weichem Leder. Seine Gardejacke ist elegant geschneidert und sitzt wie angegossen. Dann greift er in einen silbernen Aktenkoffer, der eher so aussieht, als gehöre er Vito Corleone von der Großstadtmafia. Darin befinden sich jedoch keine Revolver, sondern alle Accessoires, die Timo tatsächlich zum galaktischen Offizier machen. Er wickelt seinen Orden aus einer Luftpolsterfolie und steckt ihn sich an die linke Brust.
Eigentlich ist der 26-Jährige Erzieher, wohnt und arbeitet in Viernheim. Wenn er aber sein Kostüm anhat, sieht es so aus, als könnte Timo jeden Moment eine Armee von Sturmtruppen zum Angriff auf die Rebellen jagen. Und das soll es auch. Weniger das Drehbuch ist für die imperiale Armee entscheidend als vielmehr das Bildmaterial.
Kostüme sind nämlich die Eintrittskarte in die 501st Legion. Erst vor Kurzem hat die oberste Heeresführung der German Garrison entschieden, Timo aufzunehmen. Seit Mai ist er Mitglied im deutschen Geschwader, das mit 878 Wohltätigkeitskriegern die weltweit größte Einsatztruppe stellt. Und jeder von ihnen sieht aus, als wäre er einem der legendären Filme entsprungen. Es gibt reihenweise "Storm Trooper", die in ihren weißen, dynamischen Kostümen bereitstehen, auch mehrere Sith Lords.
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Hintergrund "German Garrison" kurz erklärt
Während einige Fans ihre Leidenschaft für die Star-Wars-Charaktere mit dem Sammeln von Actionfiguren auslebten, reichte dies dem Amerikaner Albin Johnson 1997 nicht aus. Er schlüpfte in sein selbst gemachtes
Hintergrund "German Garrison" kurz erklärt
Während einige Fans ihre Leidenschaft für die Star-Wars-Charaktere mit dem Sammeln von Actionfiguren auslebten, reichte dies dem Amerikaner Albin Johnson 1997 nicht aus. Er schlüpfte in sein selbst gemachtes Sturmtruppen-Kostüm und stellte Fotos davon auf seiner Homepage online. Daraufhin erreichten Johnson weltweite Reaktionen von Menschen, die ebenfalls davon begeistert waren, sich in voller Sternenkrieger-Montur zu zeigen - die Idee zur "501st Legion", dem größten Star-Wars-Kostümklub, war geboren.
Heute zählt die Legion, die sich in 61 Ländern in Außenposten und Garnisonen organisiert, über 13.000 Mitglieder mit mehr als 25.000 registrierten Kostümen. Die im Jahr 2000 gegründete deutsche Garnison, die German Garrison, ist mit derzeit 868 Mitgliedern die Größte. Von Darth Vader bis Boba Fett hat sie nahezu alle Verkleidungen der "Dunklen Seite" im Repertoire .
In Deutschland teilt sich die Garnison in die Gebiete Nord, West, Ost, Süd-Ost und den hiesigen "Squad" Süd-West auf. Beitreten kann jeder, der mindestens 18 Jahre alt ist und ein filmakkurates Kostüm vorzeigt, das von der Kostüm-Referenz-Bibliothek (Costume Reference Library) auf seine Detailtreue hin geprüft wird. Von Charity- und Promoveranstaltungen über Kindergeburtstage bis zu Hochzeiten ist die imperiale Legionsfamilie vielseitig im Einsatz. make
Info: Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.501st.de
Die Kostümwahl bleibt dabei jedem selbst überlassen. Wer Darth Vader sein will, kann ihn mimen. Doch erst wenn die Uniform die strenge Prüfung durch den Garrison Membership Officer besteht, darf man mitmachen. Und der Member-ship Officer hat ein gutes Auge. Bis ins Detail begutachtet er die Kostüme der Anwärter. Die Lieblingsfigur auszusuchen ist bei den meisten Star-Wars-Fans, die bei der German Garrison anheuern, das kleinste Problem.
Kompliziert wird es bei der Umsetzung. Timo musste sich wochenlang vorbereiten und im Internet surfen, bis er seine Uniform komplett hatte. Maße, Proportionen, Art des Stoffes und die Farbkonstellation von Timos Charakteruniform: Alle Kostümrichtlinien stehen in einer riesigen Datenbank, der sogenannten Costume Reference Library, wo sich über die Jahre hunderte Beiträge zu den originalen Filmkostümen gesammelt haben. "Man schaut sich die Filmszenen an, schaut sie noch mal an, manche Mitglieder haben Back-Stage-Material", erklärt der frischgebackene Garnisons-Offizier.
Timo wälzte nächtelang Foren, bis er alle Informationen für das filmgetreue Offizierskostüm beisammen hatte, Kostenvorabrechnung inklusive. "Wie teuer mein Kostüm am Ende war, weiß ich nicht. Aber sicher mehrere Hundert Euro", erzählt er. Er bestellte sich bei verschiedenen Online-Händlern Kleidungsstücke und Accessoires. Bis auf seine Schusswaffe. Das ist ein alter Nerf Blaster, gibt er zu: "Den habe ich umlackiert, das war erlaubt."
Als die Sammlung komplett war, schmiss er sich in Schale, fotografierte sich von allen Seiten, sandte die Bilder mitsamt dem Mitgliedsantrag zur Prüfung an den Membership Officer - und wurde abgelehnt. "Meine Hosenbeine waren zu weit", sagt Timo. Zum Glück aber ist die Großmutter seiner Freundin pensionierte Schneiderin. Sie hat die Offiziershose gestrafft und etwas Stoff abgeschnitten. Imperiales Umnähen sozusagen. Dann klappte es auch mit der Aufnahme.
Jetzt fiebert er dem ersten großen Event entgegen, an dem er als Offizier auftreten kann: den Star Wars Days im Legoland. "Das ist so ziemlich das größte Treffen der German Garrison", erzählt Timo. Einmal im Jahr trifft sich das deutsche Geschwader in Günzburg, wo einem schon mal drei oder vier Darth Vader gleichzeitig über den Weg laufen können. Da geht es dann auch weniger um soziale Projekte als um den Spaß an der Sache. "Auf großen Treffen baut die Garrison manchmal einen riesigen TIE-Fighter auf, ab und zu werden Filmszenen nachgestellt." Geht das denn aber, so ganz ohne Rebellen? "Die treffen wir auch auf Sci-Fi-Messen. Aber eigentlich verstehen sich alle ziemlich gut miteinander", sagt er und schmunzelt.
Der Krieg der Sterne läuft weiterhin nur auf der Kinoleinwand. Timo und die German Garrison halten aber Kurs auf Friedensmission, unterstützen Stiftungen und Hospize und lassen sich auf Messen von schaulustigen Star-Wars-Fans in ihren Kostümen ablichten. Und Ende 2019 werden sie den Kinostart des letzten Teils der aktuellen Star-Wars-Trilogie bewerben.
In der Zwischenzeit macht sich Timo Gedanken, ob er nicht doch das Kostüm wechseln sollte. Ein Imperial Gunner schwebt ihm da vor. "Das sind die, die den Todesstern abfeuern", erklärt er mit einem Lächeln auf den Lippen. Bis es soweit ist, wird er immer wieder als Offizier durch Deutschland touren und sozialen Projekten einen galaktischen Besuch abstatten.



